Religion - Weltanschauung - Waldorfschule
Günter Altehage, Religion – Weltanschauung – Waldorfschule, Pädagogische Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen, edition waldorf, Stuttgart 2007, 94 Seiten, 15,00 Euro.
Günter Altehage, profiliert engagiert in der kontroversen Diskussion innerhalb der Waldorfschulen über den konfessionellen Religionsunterricht, hat ein Büchlein „über die besondere Rolle des Religionsunterrichts an der Waldorfschule“ (9) vorgelegt. In 22 kurzen Kapiteln schreibt er „von der Freiheit des religiösen und des weltanschaulichen Bekenntnisses“, äußert sich „zur Einrichtung der Religionsunterrichte (sic!) an der Freien Waldorfschule“ und strebt damit zugleich einen „Beitrag zum Selbstverständnis ihrer Lehrerinnen und Lehrer“ (3) an. Das Motto, das dem Buch vorangestellt ist (7), verdeutlicht, dass erste Adressaten die die Waldorfschulen tragenden Anthroposophen sind: „Als erstes müssen wir die geistige Freiheit verstehen.“ (Rudolf Steiner)
Formal zielt die Darlegung zum einen darauf, „die fast drei Berufsgenerationen zurückliegende Entstehung des differenzierten Religionsunterrichtsangebotes der gegenwärtigen Lehrergeneration nahe(zubringen), damit die heutigen Lehrer ... die komplexe Situation des Religionsunterrichtes an den Waldorfschulen ... verstehen können“, zum andern aber auch darauf, durch diese Erinnerung einen „Impuls für dessen heutige, zeitgemäße Gestaltung“ (9) zu geben. Die Darstellung ist daher weitgehend historisch gehalten, jedoch mit orientierendem Anspruch. Oder umgekehrt: Für die in dieser Schrift intendierte Orientierung wird die Begründung in der Geschichte, im Handeln, in den Schriften und Vorträgen Steiners gesucht.
Inhaltlich ist es Altehages Anliegen darzulegen, dass die Einrichtung von konfessionellem Religionsunterricht in Waldorfschulen nicht im Widerspruch zu deren Prinzip steht, obwohl dieser Unterricht inhaltlich und methodisch „exterritorial“ (31) präsent ist. Die Möglichkeit, konfessionellen Religionsunterricht in der Waldorfschule nicht nur zuzulassen, sondern willkommen zu heißen, sieht Altehage darin gegeben, dass es Steiners Ziel gewesen sei, „nicht eine Weltanschauungsschule zu gründen, sondern den Keim für eine ‚allgemeine Menschheitsschule’ zu legen“ (14). Daher konnte Steiner bereits vor der Gründung der ersten Waldorfschule für konfessionsgebundene Schüler festlegen: „Das Kind soll vom katholischen Religionslehrer in der katholischen Lehre unterrichtet werden ... Ebenso das evangelische Kind“ (23). Weil die Waldorfschule nicht „irgendwie in eine anthroposophische Einseitigkeit“ verfallen dürfe, erschien von Anfang an die Einrichtung von konfessionellem Religionsunterricht an der Waldorfschule „geboten“ (Zit. Steiner, 75). Zwar steht die anthroposophische „Menschenkunde“ hinter der in der Waldorfschule praktizierten Pädagogik, es ist jedoch in gar keiner Weise Zweck der Schule, Anthroposophie zu lehren: „Daher benutzen wir Anthroposophie, um geschickte Lehrer zu werden, nicht aber, um sie den Kindern beizubringen“ (Zit. Steiner, 85). Diese „dem Schutz der geistigen Individualität des Schülers dienende Haltung des Lehrers nennt er (Steiner) ... ‚Selbstverleugnung’“ (74).
„Eine Darstellung der eigentlichen Waldorfpädagogik ist nicht intendiert“, schreibt Altehage einleitend (9). Insbesondere die letzten Kapitel geben jedoch auch hierzu knappe Hinweise, so dass das Büchlein außerhalb der Waldorfschulen einer ersten Information dienen, aber auch Fragen hervorrufen kann, wie es innerhalb von Waldorfschulen der kontroversen Diskussion über den konfessionellen Religionsunterricht klärende Impulse geben mag. Denn: „Es hapert an der Umsetzung dessen, was Rudolf Steiner intendiert hat.“ (63)
Gebhard Böhm, Stuttgart