Rigpa: Rücktritt von Sogyal Rinpoche
(Letzter Bericht: 9/2017, 349-351) Sogyal Rinpoche ist „mit sofortiger Wirkung als spiritueller Leiter aller Organisationen, die in verschiedenen Ländern weltweit den Namen Rigpa tragen“, zurückgetreten, heißt es in einer Pressemitteilung von Rigpa Deutschland (10.8.2017). Neben Rigpa Deutschland gaben auch die Deutsche Buddhistische Union (DBU) sowie das kanadische Buddhismus-Magazin „Lion’s Roar“ den Rücktritt auf ihren Homepages bekannt. Demnach legt der Gründer und bisherige spirituelle Leiter von Rigpa alle mit Rigpa in Verbindung stehenden Ämter ab. Dies geht auch aus einem Brief hervor, den Sogyal Rinpoche im August 2017 an seine Schülerinnen und Schüler schrieb. Ein Mitte Juli an die Öffentlichkeit gelangter Brief von acht langjährigen Schülern, in dem diese schwere Vorwürfe gegen ihren Lehrer erhoben, hatte den Stein ins Rollen gebracht.
In der Pressemitteilung vom 10.8.2017 informierte Rigpa Deutschland auch über die nächsten konkreten Schritte. So sollen die Vorfälle der letzten Jahre durch eine unabhängige Instanz untersucht werden, d. h. die Missbrauchsvorwürfe, die gegen Sogyal Rinpoche vorliegen, sollen wohl juristisch geklärt werden. Ein weiteres Ziel sei die Einrichtung eines Verhaltenskodex sowie eines Beschwerdeverfahrens. Außerdem bemüht sich der Verein um die Einrichtung eines neuen „spirituellen Leitungsgremiums“. Rigpa Deutschland schreibt: „Die Vorstände und Management-Teams von Rigpa überall auf der Welt nehmen diese Angelegenheit sehr ernst und sind entschlossen, die Situation verantwortungsvoll und auf eine Weise anzugehen/zu klären, die vollständig im Einklang mit den buddhistischen Werten steht.“ In der Stellungnahme des Rates der DBU (August 2017) zu den Anschuldigungen gegen Sogyal Rinpoche zeigt sich die DBU schockiert und kommt auf die Reaktion der betroffenen Schüler zu sprechen, die das deviante Verhalten ihres Lehrers viel zu lange „hingenommen und gerechtfertigt“ hätten. Der Rat der DBU vermutet ein falsches Verständnis der buddhistischen Lehrer-Schüler-Beziehung und sieht darin einen Grund für das späte Aktivwerden der Schüler.
Auch der Dalai Lama meldete sich zu Wort. In einer Rede in Ladakh (Indien) am 1. August 2017 nahm er Bezug auf die Ereignisse. Dabei äußerte der Nobelpreisträger sein großes Bedauern über das skandalöse Verhalten Sogyal Rinpoches, der dadurch in Schande gefallen sei: „Now, recently Sogyal Rinpoche, my very good friend, but he’s disgraced.“ Doch außer sich selbst zu entwürdigen, habe Sogyal Rinpoche durch seine Lebensweise die Lehren des Buddhismus beschmutzt. Der Dalai Lama ermahnte alle Schüler, dass die Unterweisung eines Lehrers immer auf ihre Übereinstimmung mit dem Dharma, der Vision und Lehre des Buddhismus, hin geprüft und untersucht werden müsse. Stoße man auf Widersprüche, so solle der Lehre nicht gefolgt werden. Bei massivem Abweichen des Lehrers von der buddhistischen Ethik solle dies der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. „Lion’s Roar“ publizierte am 17.8.2017 eine Stellungnahme Mingyur Rinpoches, eines bekannten, von Sogyal Rinpoche sehr geschätzten buddhistischen Meditationsmeisters und Bestsellerautors. Mingyur Rinpoche nennt die aktuellen Vorfälle nicht namentlich, nimmt jedoch eindeutig Bezug darauf. Er thematisiert hauptsächlich die Lehrer-Schüler-Beziehung im Buddhismus, die von einer ethischen, tugendhaften Lebensführung beiderseits getragen sein solle. Die Rolle des Lehrers sei es, die buddhistischen Tugenden wie Gewaltlosigkeit, Mitgefühl und Selbstlosigkeit vorbildhaft vorzuleben. Außerdem solle die Lehrer-Schüler-Beziehung nicht dem Profit des Lehrers dienen, sondern zugunsten des Schülers gestaltet werden. Selbst befremdliche Maßnahmen eines Meisters, die mit „crazy wisdom“ („verrückte Weisheit“) in Verbindung gebracht würden – und das sei in jeder Hinsicht die ultima ratio, die nur bei sehr fortgeschrittenen Schülern infrage komme –, müssten sich positiv auswirken und dürften nicht Angst oder Beklemmung hervorrufen.
Anlässlich des Skandals um Sogyal Rinpoche hat die Buddhistische Union Frankreichs die Mitgliedschaft des Rigpa-Vereins suspendiert.
Sogyal Rinpoche wurde erstmals in den 1990er Jahren und vermehrt in jüngster Vergangenheit physischer, emotionaler und psychischer Missbrauch von Schülern vorgeworfen. Bisher wurden die Klagen von Mitgliedern als Einzelfälle abgetan. Das ist nun nicht mehr möglich. Inzwischen sollen sich Dutzende Betroffene gemeldet haben. Es ist zu hoffen, dass die DBU nun tatsächlich umsetzt, was sie in ihrer Stellungnahme vom August 2017 ankündigt, nämlich „die früheren Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft Ethik der DBU zur Einrichtung eines Ethikrates und der Formulierung ethischer Richtlinien wieder aufzugreifen und fortzuführen“.
Katharina Sigel, Bayreuth