Sakrale Substanzen? Rückblick auf das „Welt Psychedelik Forum 2008“ in Basel
Psychedelika sind wieder im Kommen. Diesen Eindruck konnte man jedenfalls als Beobachter auf dem World Psychedelic Forum vom 21. bis 24. März 2008 in Basel gewinnen. Rund 2000 Besucher aus 37 Ländern nahmen daran teil. Die mehrtägige Veranstaltung mit über 60 Seminaren, Vorträgen und Podiumsdiskussionen, bei denen Wissenschaftler, Psychonauten und Schamanen beteiligt waren, gab Aufschluss über den Einsatz psychedelischer Substanzen. Veranstalter des diesjährigen Treffens, das unter dem Thema „Bewusstseinswandel als Herausforderung des 21. Jahrhunderts“ stand, war die Gaia Media Stiftung. Auf der Internetseite des 1993 in Basel gegründeten Vereins heißt es: „Wir vermitteln Informationen für ein ganzheitliches und zeitgemässes Verständnis unserer Existenz und des Potenzials des menschlichen Bewusstseins. Wir achten das Wissen und die Erfahrungen alter Kulturen, spiritueller Traditionen und der modernen Wissenschaft gleichermassen, ohne uns einer bestimmten Richtung zu verpflichten. Wir vertreten die Überzeugung, dass dem Menschen ein Bedürfnis nach Transzendenz innewohnt und dass erweiterte Bewusstseinzustände das Wissen um die Gesetze des Lebens, der Natur und des Universums erhellen. Ein den universellen Gesetzen entsprechendes Bewusstsein ermöglicht dem Menschen nicht nur ein Überleben, sondern eine symbiotische und hedonistische Existenz auf Gaia, unserem Heimatplaneten.“1
Beim diesjährigen Treffen handelte es sich um den Folgekongress in der Grenzstadt, nachdem bereits im Januar 2006 ein internationales Symposium unter dem Titel „LSD – Sorgenkind und Wunderdroge“ aus Anlass des 100. Geburtstags des LSD-Entdeckers Dr. Albert Hofmann stattgefunden hatte. Der inzwischen, am 29. April 2008, verstorbene Hofmann war 1943 zufällig auf die Wirkung von Lysergsäurediethylamid (LSD) gestoßen. Nach seinen Worten ist – wie es im Geleitwort des Programmheftes heißt – „die Entfremdung von der Natur und der Verlust des Gefühls, Teil der lebenden Schöpfung zu sein, ... die größte Tragödie unseres materialistischen Zeitalters“.2 Hofmann hatte zwar eine Teilnahme am diesjährigen Kongress geplant, musste aber aus gesundheitlichen Gründen absagen.
Ausführliche Informationen wurden auf dem Kongress zum Thema Drogen und neue Spiritualität gegeben: „Wenn das Bewusstsein in tiefere Schichten eingedrungen ist, lassen sich spirituelle Erfahrungen machen.“ Ein neuer Trend auf spirituellen Pfaden? Helfen psychoaktive Substanzen bei neoschamanistischen Ritualen, um höheres Bewusstsein zu erlangen – oder sollen diese gar spirituelle Techniken ersetzen? Wie eng der Zusammenhang zwischen Drogen und Religion gesehen wird, belegte die immer wieder vorgetragene Argumentation der Referenten: „Seit alters her verwandten Menschen mit Unterstützung von Schamanen und Medizinmännern pflanzliche Substanzen, um das Bewusstsein zu öffnen.“ Dem Unbewussten, der im Menschen tief innewohnenden Fantasie, könne damit die Möglichkeit gegeben werden, stärker hervorzutreten. Das Göttliche könne, wie die Protagonisten auf dem Kongress hervorhoben, auf diesem Wege direkt erfahrbar werden, würde doch durch die Induktion mit psychedelischen Substanzen die Pforte zur Wahrnehmung des Numinosen geöffnet.
Letztlich kreisten die verschiedenen Vorträge um die Frage: Was sind Psychedelika und warum rücken sie gegenwärtig wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit? Ausführlich informierten die Referenten über die Definition von Psychedelik, über die frühere und gegenwärtige Bedeutung bewusstseinserweiternder Substanzen.
Der Ausdruck „Psychedelik“ setzt sich zusammen aus den beiden griechischen Wörtern psyche (Seele) und delos (offenbar). Er bezeichnet demnach einen Zustand, in dem „die Seele offenbar“ wird. „Psychedelik“, u. a. von Aldous Huxley Mitte der fünfziger Jahre geprägt, kann auch das Potential von Selbsterkenntnis und Bewusstseinserweiterung bezeichnen, das er in dieser Art von psychoaktiver Substanz zu erkennen meinte.
Einige Referenten wiesen darauf hin, dass vor Jahrtausenden schon Psychedelika auf der ganzen Erde verbreitet waren. Schamanen hätten sie für medizinische und sakrale Rituale verwendet. Psychoaktive Pflanzen seien als „Gewächse der Götter“ verehrt worden. Demnach galten sie auch als Mittler zwischen Mensch und Kosmos bzw. zwischen materieller und spiritueller Dimension. Nach Meinung einzelner Referenten könne durch Psychedelika der alltägliche Kontrollmechanismus in Gedanken, Bildern und Vorstellungen zurückgelassen werden. Dem Unbewussten, der eigenen tief innewohnenden Fantasie werde damit eine Möglichkeit gegeben, sich stärker Ausdruck zu verschaffen. Der Einzelne könne seine Realität erneuern und dadurch ändern. Und schließlich werde das Göttliche auf diesem Wege direkt erfahrbar.
Psychedelika haben im Kontext einer Suche nach Spiritualität schon früher für Aufsehen gesorgt. LSD zählte neben psylocybinhaltigen Pilzen und dem meskalinhaltigen Peyote-Kaktus zu den psychedelischen Mode-Substanzen der weltweiten Flower-Power-Generation, die im „Summer of Love“ ihren Höhepunkt erreicht hatte. In den sechziger und siebziger Jahren wurden die meisten Psychedelika als „Rauschgift“ bezeichnet und ihre Verwendung nahezu weltweit verboten. Es erschienen zahlreiche Berichte über Abhängigkeit und Missbrauch von Drogen. Vertreter von Drogenberatungsstellen und erfahrene Therapeuten wiesen mit Zahlen und Fallbespielen auf das enorme Gefahren- und Suchtpotential dieser Substanzen hin.
Beim Kongress in Basel wollten sich die meisten Referenten und Teilnehmer eher der anderen Seite, dem spirituellen Potential der psychedelischen Substanzen, widmen. Bewusstseinsveränderung im 21. Jahrhundert stellte Albert Hofmann im Tagungsprogramm so vor: „LSD und andere Substanzen sind keine Drogen im üblichen Sinne, sondern gehören zu den sakralen Substanzen, die seit Jahrtausenden im rituellen Rahmen verwendet werden. Es ist mein Wunsch, dass eine moderne Eleusis entstehen kann, in dem suchende Menschen in einem sicheren Rahmen transzendente Erfahrungen mit sakralen Substanzen machen können. Ich bin überzeugt, dass diese Veranstaltung dazu beiträgt, dass den Seelen öffnenden Stoffen ein ihnen gemäßer Platz in unserer Gesellschaft und Kultur zuerkannt wird.“3
Um diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen, wurde für das Welt Psychedelik Forum 2008 eine Resolution4 verfasst, in der es u. a. heißt, „dass die gesetzliche Gleichstellung von halluzinogenen Substanzen (wie LSD, Mescalin, Psilocybin) mit Heroin und Kokain weder dem Gefährdungspotential noch der gesellschaftlichen Bedeutung entsprechen“. Behauptet wird zudem, „dass eine abhängigkeitserzeugende Wirkung halluzinogener Substanzen nicht nachgewiesen ist“ und „dass die meisten der heute illegal Konsumierenden einen verantwortungsvollen und risikoarmen Umgang pflegen“. Die Unterzeichner fordern deshalb, dass der Staat nur dort intervenieren solle, „wo es zwingend notwendig ist“. Und abschließend heißt es sogar: „Ein freiheitlicher Staat kann durchaus mit dem Freiraum des risikoarmen Konsums halluzinogener Substanzen leben.“
Gerhard Kracht, Dortmund
Anmerkungen
1 www.gaiamedia.org.
2 Aus dem Programmheft der Veranstaltung; im Internet: www.psychedelik.info.
3 Ebd.
4 www.psychedelik.info/images/RESOLUTIONEN.pdf (9.6.2008) .