Salafiten - Hilfe für Betroffene
Der Bedarf an Information, Beratung und Begleitung von Betroffenen im Bereich Salafismus und islamistischer Extremismus ist spürbar gestiegen. Seit knapp zwei Jahren treffen sich regelmäßig Angehörige militanter Salafiten in einer Selbsthilfegruppe bei der „Eltern- und Betroffenen-Initiative gegen psychische Abhängigkeit – für geistige Freiheit e.V.“ (EBI) in Berlin.Bombenleger, Selbstmordattentäter und sogenannte Gotteskrieger haben Eltern, Geschwister, Verwandte, und die Familien sind keineswegs einverstanden mit dem Weg, den ihre Söhne und Töchter gehen. Einige der (erwachsenen) Kinder haben sich in einer dschihad-salafitischen Gruppe in Berlin zurückgezogen, andere sitzen irgendwo in der Welt im Gefängnis, manche kämpfen als „Deutsche Taliban Mudschahidin“ in Pakistan und Afghanistan. Entsprechend vielfältig sind die Konfliktlagen der Familien. Hinzu kommen Hausdurchsuchungen und Beobachtungen durch Behörden, die die Familien über sich ergehen lassen müssen, denn oftmals haben sich die Kinder längst auch strafbar gemacht.Der Alltag der betroffenen Familien ist geprägt von schlaflosen Nächten und endlosen Tränen vor Kummer und Sorge oder, im schlimmsten Fall, von verbitterter Trauer, denn nicht immer kommen die Kinder lebend zurück. Und sie empfinden Wut, weil die Dschihad-Salafiten ihren Kindern „den Kopf verdrehten“ und sie dann als Dschihad-Kämpfer rekrutierten – mit irreführenden Auslegungen von Koran und Hadith, vor allem aber mit falschen Versprechungen, wie die Mütter finden. Karriere und ein glückliches muslimisches Leben – die Realität in Waziristan sieht anders aus. So sind inzwischen einige der „Gotteskrieger“ wieder zurückgekehrt. Oft wird das allerdings vor den Glaubensgeschwistern hierzulande geheim gehalten. Allzu schnell kann eine Abkehr von der militant-religiösen Gruppe den Vorwurf der Apostasie, des Abfalls vom Glauben, nach sich ziehen und je nach Milieu zur existenziellen Bedrohung werden. Dabei haben Aussteiger und Aussteigerinnen ohnehin genug mit sich selbst zu tun. Unzählige Fragen treiben sie um: Wie kam es, dass ich mich derart radikalisiert habe? Wieso habe ich mich zu Straftaten verleiten lassen? Werde ich überhaupt noch einmal Freunde haben? Bin ich noch ein Muslim? Will ich überhaupt noch muslimisch sein? Der exklusive Absolutheitsanspruch der Salafiten kombiniert mit einem auch im Glauben geforderten absoluten Gehorsam erschweren einen religiösen Neuanfang.Ende Oktober findet bei der EBI ein bundesweites Treffen, das zweite dieser Art, der vom Dschihad-Salafismus Betroffenen statt. Der gemeinsame Erfahrungsaustausch zur Konfliktbewältigung soll dabei ebenso Raum haben wie die Erörterung von Möglichkeiten der Prävention und der Resozialisierung.Die EBI Berlin-Brandenburg (www.ebi-berlin.de) ist eine Anlaufstelle mit Hilfe zur Selbsthilfe. Als eine Einrichtung des bürgerschaftlichen Engagements arbeitet sie seit über 30 Jahren auf ehrenamtlicher Basis und unabhängig von Religionsgemeinschaften und Behörden. Sie bietet fachkundige Hilfe und Begleitung an und vermittelt bei Bedarf zu psychologischer, psychotherapeutischer oder juristischer Beratung.
Daniela Weber, Berlin