Psychoszene

Satsang-Lehrer wieder in die Kirche eingetreten

„Om“ Cedric Parkin (Jahrgang 1962) zählt zu den bekanntesten Advaita-Lehrern in Deutschland in der Tradition von Ramana Maharshi. Der Hamburger lag 1990 als 27-Jähriger nach einem Autounfall zwei Tage im Koma, wobei er eine Nahtoderfahrung machte. In der Zeit danach suchte er in den USA die spirituelle Lehrerin Antoinette Varner („Gangaji“, Jahrgang 1942) auf, die ihm nach eigenen Aussagen half, das Erlebte zu verarbeiten. Seit einiger Zeit feiert nun die spirituelle Gemeinschaft um diesen Lehrer der „Nicht-Zweiheit“ den 6. August, Jahrestag des Unfalls, als „Geburtstag“ zur Erinnerung an das „Erwachen“ ihres Lehrers.

Parkin hat inzwischen zahlreiche Aktivitäten und Unternehmen ins Leben gerufen. Als Mystiker, Weisheitslehrer und geistiger Heiler will er dazu beitragen, dass seine Zuhörer ihre wahre Natur, das Eins-Sein mit allem, erkennen. Nur dadurch, so die Überzeugung Parkins, könne der Mensch wirklich frei werden. Mittlerweile zählt die spirituelle Gemeinschaft („Sangha“) um Parkin, die sich als gemeinnütziger Verein „Allionce“ organisiert hat, mehrere hundert Mitglieder. In Deutschland, der Schweiz und Frankreich treffen sich regionale Gruppen, um sich gegenseitig auf dem inneren Weg zu unterstützen. Eine 1995 von Parkin ins Leben gerufene „School for Inner Work“ nennt sich „Enneallionce“. Die Ausbildung versteht sich als spirituelle Lebensschule für Erwachsene, die sich der Erforschung der Mechanismen inneren und äußeren Leides widmet. Sie gründet auf einer spirituellen Interpretation des Enneagramms und verbindet therapeutisches und spirituelles Arbeiten. Regelmäßig werden außerdem geschlossene einjährige Forschungsgruppen in Rahmen einer „Mysterienschule“ angeboten. Darüber hinaus ist Parkin Initiator und Vorsitzender der Stiftung Gut Saunstorf. Dieses im alten Stil aufwändig restaurierte Gutshaus in der Nähe der Hansestadt Wismar bietet der Mysterienschule ein Zuhause und dient als spirituelles Seminarhaus und überkonfessionelles
Kloster.

Große Irritationen löste nun im Schülerkreis Parkins die Nachricht aus, dass ihr Lehrer im August 2013 wieder in die katholische Kirche eingetreten sei. Als junger Mensch hätte er aus Unverständnis und Rebellion die Kirche verlassen, so begründet Parkin seinen Schritt in einem Interview für den Newsletter seiner Gemeinschaft. Bei fortgeschrittener innerer Arbeit mit deutschen Teilnehmern käme jedoch immer wieder die Bedeutung der kulturellen Prägung zum Vorschein – „wir sind alle Christen, ob wir es wollen oder nicht“. Nachdem er früher die Kirchen sehr kritisiert hat, könne er Teile davon heute aus innerer Sicht wertschätzen: Die katholische Kirche stellt für ihn „ganz nüchtern diejenige Organisation dar, die zurück zur Quellenlehre führt“. Zwar seien die Quellen der Weisheit durch die Kirchen theologisch verzerrt worden, aber „das ist eine andere Sache, die damit nichts zu tun hat“.

In Internetforen tauschen sich nun Mitglieder der Gemeinschaft über neue, beglückende Erfahrungen bei einem Gottesdienstbesuch aus, andere können den Wiedereintritt ihres Lehrers überhaupt nicht nachvollziehen. In der Tat ist diese Neuorientierung eines bekennenden Nicht-Traditionalisten und rebellischen Geistes – der Name und das Logo der Aktivitäten stehen im Zeichen des Löwen („lion“) – überraschend. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass der Löwe jetzt lammfromm wird.

Die Motive des Wiedereintritts bleiben unklar. Will Parkin am esoterischen Rand der Kirche neue Mitglieder gewinnen oder sich einfach plakativ gesellschaftlichen Trends widersetzen? Wenn sich kirchenintern angesichts steigender Austrittszahlen oft eine niedergedrückte Stimmung ausbreitet, sollte bedacht werden, dass die Sehnsucht nach echter Spiritualität suchende Menschen manchmal auch (wieder) in Kirchen führt.


Michael Utsch