Schachzüge in der Weltanschauungsarbeit

Es war einer jener seltsamen Zufälle: Just an jenem Novembertag, an dem die FAZ im Kontext ihrer Berichterstattung über die EKD-Synode auch über die Kürzung der EZW um ein Viertel ihres Personals und ihrer Arbeit informierte, wurde in der Bundespressekonferenz ein neues Internetportal zu Weltanschauungsfragen vorgestellt. Unter www.fowid.de findet man nunmehr ein umfangreiches Datenarchiv „für Journalisten, Forscher, Interessierte“. Hinter fowid steht eine „Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland“. Was man jedoch auf den ersten Blick nicht bemerkt: fowid ist ein Projekt der Giordano Bruno Stiftung in Mastershausen und wird von Kirchenkritikern und Freidenkern betrieben. Es handelt sich also keineswegs um ein unparteiisches Informationsportal, sondern um einen geschickt lancierten Coup der Freidenker in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Bei der Präsentation von fowid in der Bundespressekonferenz hat man diese Hintergründe geflissentlich zu verschleiern versucht. Die Rechnung dürfte aufgehen. Sozialwissenschaftler und Journalisten haben fowid inzwischen entdeckt und empfehlen das aufgeräumte Portal weiter. Beim genaueren Hinsehen wird der freidenkerische Hintergrund von fowid dennoch deutlich: Auch wenn die Angaben überwiegend verlässlich recherchiert sind, so ist doch die Auswahl tendenziös. Geboten wird, was für die Kirchen negativ ist. So kann man mit der Wahrheit lügen.

Die Giordano Bruno Stiftung hat sich binnen weniger Monate zu einer erstaunlich pfiffigen, antikirchlichen Plattform entwickelt. Dabei setzt man weniger auf geistige Auseinandersetzung, als vielmehr auf ein medienwirksames Spektakel. So hatte man im Umfeld des katholischen Weltjugendtages zu einem „Gegenprogramm“ eingeladen, das zwar realiter kaum Beachtung fand, aber immerhin den „Tagesthemen“ einen eigenen Beitrag wert war.

Dass man nicht eben zimperlich ist, bewies kürzlich der Geschäftsführer der Stiftung, als er erklärte, dem Christentum komme unter allen Religionen die Sonderstellung als „dümmste Religion“ zu – und ihren Anhängern, so muss man wohl folgern, die der beschränktesten: „Christen glauben nicht nur trotz Hitler, Hunger, Haarausfall an die Allgegenwart eines allmächtigen, allgütigen Gottes. Ihr Gott leidet zudem auch noch an einer höchst seltsamen multiplen Persönlichkeitsstörung (Dreifaltigkeit), was sich u.a. darin ausdrückt, dass er nach einem ärgerlichen Streit mit seinen Geschöpfen (Sündenfall) zunächst 99,99 Prozent allen Lebens vernichtet (Sintflut), dann einen Teil seiner selbst (Gottsohn) von einer antiken Besatzungsmacht (den Römern) hinrichten lässt, um mit sich selbst und seiner Schöpfung wieder im Reinen zu sein (Erlösung). Im Andenken an diese hochgradig psychopathologische Erlösungstat feiern die Christen Woche für Woche ein merkwürdiges Ritual, in dem eigens dazu ausgebildete Zeremonienmeister geheimnisvolle Zaubersprüche sprechen. Hierdurch werden profane Teig-Oblaten in den sich anscheinend milliardenfach replizierenden Leib des hingerichteten Erlösers verwandelt, der dann von den Gläubigen sogleich verspeist wird.“ – Vermutlich gibt es auch für solcherart ironisch verpackte Schmähungen ein Publikum. Um so unverständlicher, dass die beiden großen Kirchen seit Jahren stetig ihre Weltanschauungsarbeit reduzieren. Die entstehenden Lücken werden die Freidenker gewiss gern füllen. Auf ihre Art.


Andreas Fincke