Schächtungspraxis im Islam
(Letzter Bericht: 11/2002, 345f) Vom 12. bis 15. Februar fand das diesjährige Opferfest statt, das höchste Fest des Islam. Mit Spannung war beobachtet worden, wie sich in Anbetracht der Gesetzeslage die Schächtungspraxis gestalten würde: Am 15. Januar 2002 hatte in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes der türkischstämmige Metzger Rüstem Altinküpe nach siebenjähriger Unterbrechung wieder die Sondergenehmigung zum rituellen Schächten nach islamischen Vorschriften erhalten (vgl. dazu MD 3/2002, 91f). Das rituelle Schächten, im Wesentlichen aus den Vorschriften des Judentums zum koscheren Zubereiten von Speisen übernommen, geht vom Tabu des Verzehrs von Blut als dem zentralen gottgegebenen Lebensträger aus und soll deshalb auf eine möglichst vollständige Ausblutung des Schlachttieres abzielen. Ein Hadith (Überlieferung aus dem Leben des Propheten Mohamed) sieht vor, dass das Schlachttier in Richtung Mekka gedreht wird und dass ihm mit einem scharfen Gegenstand die Kehle durchtrennt wird, so dass es umgehend das Bewusstsein verliert und ausblutet. Fachgerecht durchgeführt, soll diese (betäubungsfreie) Art der Tötung tiergerechter und schmerzärmer sein als das traditionelle Schlachten, wie Muslime und Juden argumentieren. Die Realität sieht leider oft anders aus. Nachdem viele Islamkritiker und besorgte Tierschützer das BVG-Urteil heftig kritisiert hatten, wurde im Juli 2002 der Tierschutz in den Rang eines Verfassungsgebots erhoben und als Artikel 20a GG aufgenommen. Bereits das BVG hatte darauf hingewiesen, dass Sondergenehmigungen zum Schächten vermutlich nur des Schächtens kundigen Metzgern direkt, nicht jedoch Religionsgemeinschaften erteilt werden könnten, und auch für muslimische Kunden beliefernde Metzger ist es nach der Grundgesetzänderung schwierig geworden, wie Vorgänge in Hessen und Nordrhein-Westfalen zeigen. Im Kreis Düren (NRW) wurde Ende Januar das Schächten durch den Kreisveterinär generell verboten, nachdem die Landesregierung (Bärbel Höhn) den Spielraum der Genehmigungsfähigkeit erheblich eingeengt hatte. Ein Eilantrag der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen wurde abgelehnt, da sie als überwiegend politische Organisation eingestuft wurde. Auch habe nicht schlüssig aus dem Koran bewiesen werden können, dass Schächten zwingend geboten sei. In der Tat wird im Koran lediglich der Verzehr von "Verendetem, Blut, Schweinefleisch" untersagt (Sure 2,173; 5,3), die näheren Begleitumstände des Schächtens gehen aus Hadithen hervor, die für die Muslime fast gleichrangig mit dem Koran sind, was allerdings Veterinärämtern und Gerichten nicht bekannt zu sein scheint.
Die bekannt werdenden und genehmigten Schächtungen sind tatsächlich auf Einzelfälle beschränkt, von einem "Dammbruch" in Richtung "Scharia in Deutschland" nach dem BVG-Urteil konnte schon durch die Grundgesetzänderung keine Rede sein. Was sich in den Badezimmern muslimischer Wohnungen möglicherweise trotzdem abspielt und durch Illegalisierung nur gefördert wird, steht auf einem anderen Blatt. Viele Muslime nähmen allerdings inzwischen traditionell geschlachtete Tiere in Kauf, auf Schächtungen bestünden nur noch die fundamentalistisch orientierten Gruppen, so die Dill-Post vom 30.1.2003.
Ulrich Dehn