Schalom Aleikum. Jüdisch-muslimischer Dialog
„Schalom Aleikum!“ – „Friede sei mit Dir!“ Diese hebräisch-arabische Wortschöpfung steht sinnbildlich für das Ziel der gleichnamigen Initiative für jüdisch-muslimischen Dialog. Motiviert durch die Erkenntnis, dass der zunehmende Rechtsextremismus in Deutschland die religiösen Minderheiten Muslime und Juden gleichermaßen bedroht, rief der Zentralrat der Juden in Deutschland im Juni 2019 sein bundesweit bislang einmaliges Projekt „Schalom Aleikum“ ins Leben. Dieses bietet eine institutionalisierte Plattform für das persönliche Gespräch zwischen Juden und Muslimen.
„Wir müssen den Austausch verstärken, um Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen abzubauen. Der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft müssen wir entgegenwirken“, fasst Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Intention hinter „Schalom Aleikum“ zusammen. Dabei soll ausdrücklich die Funktionärsebene verlassen werden und stattdessen ein Kreis dialogbereiter Multiplikatoren aus der breiten Bevölkerung miteinander ins Gespräch kommen. Auf einer Reihe von Podiumsdiskussionen und Abendveranstaltungen trafen sich seit dem letzten Sommer jüdische und muslimische Start-up-Gründer und Influencer ebenso wie Lehrerinnen und Lehrer sowie Seniorinnen und Senioren an verschiedenen Orten in Deutschland. „Schalom Aleikum“ gab ihnen eine Bühne, über gemeinsame Herausforderungen ihres Berufs- und Privatlebens als Angehörige einer religiösen Minderheit in Deutschland zu sprechen. Natürlich sollten dabei auch gegenseitige Vorurteile abgebaut werden. Deradikalisierung sei zwar nicht der Anspruch dieses Dialogprojekts, so heißt es im Zentralrat der Juden, es gehe bei „Schalom Aleikum“ aber doch zumindest um Prävention.
Dass der gegenseitige Austausch für beide Seiten durchaus gewinnbringend sein kann, zeigte sich zuletzt Ende Februar bei einem Treffen homosexueller Jüdinnen und Juden sowie Musliminnen und Muslime, zu dem „Schalom Aleikum“ unter anderem Mitglieder des jüdischen Vereins „Keshet“ (hebräisch für „Regenbogen“) in die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin eingeladen hatte. Bald wurde klar, dass die anwesenden Männer und Frauen in ihren jeweiligen religiösen Communities durchaus ähnliche Diskriminierungserfahrungen machten. Potenziale für eine jüdisch-muslimische Solidarisierung aufzuzeigen, ist auch eine Intention der projekteigenen Buchreihe, deren erster Band „Mutige Entdecker bleiben“ im Dezember 2019 bei Hentrich & Hentrich erschien. Auf 80 Seiten werden darin jüdische und muslimische Senioren in Deutschland mit ihren unterschiedlichen, immer wieder aber auch vergleichbaren Migrationserfahrungen zwischen den Religionen und Kulturen porträtiert. Gerade ältere Menschen könnten die nötige Ruhe und Ausgeglichenheit in den jüdisch-muslimischen Dialog einbringen, so die Hoffnung.
„Schalom Aleikum“ tritt modern auf, verfügt über eine zeitgemäße eigene Website und ist präsent auf Facebook und Instagram. Nicht zuletzt ihr beherztes öffentliches Auftreten bescherte der Dialoginitiative bislang ein überaus wohlwollendes Medienecho. Auch die Bundesregierung förderte das Projekt von Anfang an. „Der gemeinsame Dialog zwischen Juden und Muslimen trägt dazu bei, Vorurteile und Ressentiments erst gar nicht entstehen zu lassen“, wird Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, auf der Website von „Schalom-Aleikum“ zitiert. Sie weiß allerdings auch: „Dialog braucht Zeit.“ Im Dezember 2019 beschloss die Bundesregierung daher, die Förderung für das Projekt um zwei Jahre zu verlängern.
Alexander Benatar, 01.05.2020
Quellen
Internetseite von „Schalom Aleikum“: www.schalom-aleikum.de , Rubrik „Über uns“ (Abruf der Internetseiten: 17.4.2020).
Gerd Brendel: Kampf um Anerkennung, 22.3.2020, www.deutschlandfunkkultur.de/queere-glaeubige-kampf-um-anerkennung.1278.de.html?dram:article_id=472900 .
Nadja Erb: Rechtsextremismus hat Juden und Muslime zum Angriffsziel, 19.1.2020, www.fr.de/politik/josef-schuster-rechtsextremismus-juden-muslime-angriffsziel-13448495.html?fbclid=IwAR1DWMBLE9YK91w22FiJXwdMB18XkYFLgY1kzGYOSra5FjrjF7sUr_A9lrk .
Ayala Goldmann / Katrin Richter: „Wir machen weiter“, 22.12.2019, www.juedische-allgemeine.de/politik/wir-machen-weiter-2/?fbclid=IwAR36LogdnfAKElteP6zshq5zKJ9uWP98ctaJSlZ_IgIZB-APTZmIdr7O8HA .
Ita Niehaus: Juden und Muslime entdecken Gemeinsamkeiten, 1.11.2019, www.ndr.de/ndrkultur/sendungen/freitagsforum/Juden-und-Muslime-entdecken-Gemeinsamkeiten,freitagsforum790.html
Schuster: Juden und Muslime machen beide Ausgrenzungserfahrungen, 13.11.2019, www.evangelisch.de/inhalte/162491/13-11-2019/schuster-juden-und-muslime-machen-beide-ausgrenzungserfahrungen.