Islam

Schiitische Theologie in Deutschland: das Al-Mustafa Institut Berlin

Das „Al-Mustafa Institut für Kultur-, Humanwissenschaften und islamische Studien“ in Berlin bietet seit einem Jahr einen Bachelorstudiengang „Islamische Theologie“ an. 22 Studierende haben das erste Jahr absolviert und kommen nun ins dritte Semester (von sieben Semestern des Studiengangs). 18 Anmeldungen liegen für den jetzt beginnenden neuen Jahrgang vor. Der Anteil der Frauen unter den Studierenden beträgt ungefähr 70 Prozent.

Das Al-Mustafa Institut wurde im Sommer 2016 als gemeinnützige GmbH mit dem Ziel gegründet, „den in der deutschen Wissenschaftslandschaft vorhandenen Mangel an einer islamisch-schiitischen Theologieausbildung zu beheben und einen Beitrag zu religiöser und insbesondere muslimischer Vielfalt in Deutschland zu leisten“ (Pressemitteilung vom Juli 2017). Etwa 15 Dozentinnen und Dozenten unterrichten unter anderem Glaubensgrundlagen, Koranwissenschaften, Geschichte des Islam, Religionsgeschichte, Jurisprudenz, Ethik. Der Katholizismus wird von einem Katholiken, der Protestantismus von einer Professorin der Evangelischen Hochschule Berlin gelehrt.

Zweierlei zeichnet diese Einrichtung aus. Es handelt sich bei dem Berliner Institut um eine der weltweit über hundert Außenstellen der „Al-Mustafa International University“ mit Hauptsitz in Qom (Qum, Ghom) im Iran, die 1979 von Ayatollah Khomeini gegründet wurde und in Präsenz- und Fernkursen ausländische (nicht-iranische) schiitische Religionslehrer und Geistliche ausbildet (vgl. Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport, 19.7.2017). Weitere Filialen der Al-Mustafa Universität sind etwa das Islamic College in London sowie ähnliche Einrichtungen in Indonesien, Ghana und vielen anderen Ländern (http://en.miu.ac.ir). In Deutschland ist es zudem „die erste Ausbildungsstätte für muslimische Geistliche mit universitärem Anspruch“ (Tagesspiegel, 9.6.2017).

Leiter des Instituts ist Mahdi Esfahani, der im Iran mit einer vergleichenden religionsphilosophischen Arbeit promoviert wurde, an der Freien Universität Berlin eine zweite Dissertation schrieb und seit Oktober 2016 Assistenzprofessor an dem von ihm mitbegründeten Al-Mustafa Institut ist. Esfahani leitet auch die „Stiftung für Islamische Studien e. V.“ (SIS), die eine Vielzahl an Forschungs- bzw. Publikationsprojekten und damit die Wahrnehmung schiitischer Theologie in Deutschland fördert und sich für die Einrichtung einer schiitischen Professur einsetzt. Außerdem unterrichtet Esfahani an der Islamischen Akademie Deutschland im Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), ebenso auch in der Kulturabteilung der iranischen Botschaft in Berlin.

Das Al-Mustafa Institut sieht sich nicht als Konkurrenz zum geplanten Institut für islamische Theologie an der Humboldt-Universität, sondern in Anbetracht der Tatsache, dass es dort aller Voraussicht nach keinen eigenen schiitischen Lehrstuhl geben wird, als Ergänzung.

Im Juli 2017 gab es eine öffentliche Debatte anlässlich eines Workshops gegen Extremismus, der im Al-Mustafa Institut stattfinden sollte. Als Veranstalter trat die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) auf. Die BILD-Zeitung textete (unter dem Titel „Bundesregierung fördert iranische Terror-Helfer“): „Will die Bundesregierung ausgerechnet mit dem islamistischen Mullah-Regime gegen die Radikalisierung von Muslimen in Deutschland vorgehen?“ Die beteiligten Organisationen unterstünden „teilweise direkt der iranischen Führung“. Das Bundesfamilienministerium (Katarina Barley, SPD) zog eine im Rahmen des Programms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ zugesagte finanzielle Förderung kurzfristig zurück.

Die IGS, 2009 auf Initiative des vom Verfassungsschutz beobachteten Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) gegründet, ist mit der Führung des iranischen Regimes verbunden. Reza Ramezani, seit 2009 Leiter des IZH, gehört dem Gelehrtenrat der IGS an. Der Theologe ist Mitglied im Expertenrat der Republik Iran und gilt als Stellvertreter des Supreme Leaders und „Revolutionsführers“ Ayatollah Ali Khamenei in Deutschland. Khamenei hat mehrfach zur Vernichtung Israels aufgerufen, die „Quds-AG der Islamischen Gemeinden der Schiiten in Deutschland“ organisiert den alljährlichen „Al-Quds-Tag“, eine gegen das Existenzrecht Israels gerichtete Demonstration für die „Befreiung Jerusalems“, auf der antisemitische Parolen an der Tagesordnung sind. Zu den Mitgliedern der Quds-AG gehört unter anderem die „Stiftung für Islamische Studien“ (SIS), deren Vorsitzender Mahdi Esfahani wiederum auch das Berliner Al-Mustafa Institut leitet.1

Die IGS wies umgehend die „unwahre Bezichtigung der Terrorunterstützung“ zurück. Nur fünf ihrer 154 Mitgliedsgemeinden seien iranischer Herkunft, die IGS bekenne sich „vorbehaltlos und uneingeschränkt zu den Werten einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft“ und lehne „jede Form von Aufrufen zur Gewalt ab“. Auch das Al-Mustafa Institut bestritt, vom Iran abhängig zu sein, es sei vielmehr „eine unabhängige und selbständige Wissenschaftseinrichtung, die nach eigenem Ermessen und auf Grundlage des deutschen Grundgesetzes handelt und nicht auf Weisung irgendeines anderen Staates“. Zugleich räumte das IGS-Mitglied ein, das Curriculum für den Bachelorstudiengang „Islamische Theologie“ von der Mutteruniversität, der Al-Mustafa International University in Qom, aus „wissenschaftlich-theologischen Gründen“ übernommen und teilweise an die deutschen Verhältnisse angepasst zu haben.2

Im Iran gibt es ein enges und vielschichtiges Netz von schiitisch-theologischen Bildungseinrichtungen, die sogenannte „Hauza“ (auch: Hawzah Ilmiyya), dort auch einfach „Seminar“ genannt. Die Hauza, sozusagen das schiitische Pendant zum Madrasa-System, besteht aus größeren und kleineren Instituten wie auch Universitäten, die der Autorität unterschiedlicher schiitischer Gelehrter unterstehen. Seit der islamischen Revolution 1979 stieg die Hauza in der „heiligen Stadt“ Qom, ohnehin neben Nadschaf und Kerbela die traditionelle Hochburg der schiitischen Gelehrsamkeit und mit der Residenz Khomeinis gleichsam der Ursprungsort der Revolution, durch die Unterstützung der Machthaber enorm in der Bedeutung. Einige Seminare bilden einen gewissen Kern, weitere bilden ein breiteres Umfeld, zu dem etwa auch die University of Religions and Denominations (URD; http://urd.ac.ir/en) gehört, die inzwischen vielfältige Beziehungen mit wissenschaftlichen Kooperationspartnern in Deutschland pflegt (z. B. in Paderborn).

Die Verbindungen der internationalen Al-Mustafa Universität und ihrer Zweigstellen mit der iranischen Führung sind unübersehbar. Es drängt sich die Annahme auf, dass der in der iranischen Verfassung zum Staatsziel erklärte weltweite „Export“ der iranischen Revolution bei der Etablierung auch in Deutschland Pate gestanden hat.3


Friedmann Eißler


Anmerkungen

  1. Vgl. http://iraniansforum.com/eu/das-berliner-al-mustafa-institut-und-seine-verwicklung-mit-dem-antisemitischen-al-quds-tag-der-mullahs .
  2. Pressemitteilung vom 15.7.2017 (www.almustafa.de/Berichte/Pressemitteilung-Das-Al-Mustafa-Institut-weist-die-Vorwuerfe-nicht-unabhaengig-zu-sein-zurueck ).
  3. Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Grünen (Volker Beck und Katja Keul) zur Ausrichtung der schiitischen Verbände und ihren Verbindungen zum iranischen Regime, Drucksache 18/13237 vom 21.8.2017, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/133/1813362.pdf .