Schöne neue Verschwörungswelt: Secret TV - ein neues Filmportal für braune Esoterik
Das Internet macht’s möglich: Seit 1. Januar 2007 ist „Deutschlands erster Fernsehsender für Grenzwissenschaften, Spirituelles und Hintergrundpolitik“ über die Adresse www.secret.tv zu empfangen. Der Gründer von Secret TV mit Sitz im baden-württembergischen Fichtenau ist kein Unbekannter: Jan Udo Holey (Pseudonym: Jan van Helsing) – ein im Jahre 1996 wegen Volksverhetzung verurteilter Esoterik-Buchautor, dessen zweibändiger Bestseller „Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert“ in Deutschland verboten wurde (vgl. MD 7/1998, 210ff).
Holey wurde am 22. März 1967 als zweites von drei Kindern im bayerischen Dinkelsbühl geboren. Er entstammt einem Elternhaus, in dem das Interesse an esoterischen Themen besonders stark ausgeprägt ist. So soll die Mutter angeblich medial veranlagt, der Vater überzeugter Gnostiker sein. Auf seiner Internetseite www.johannes-holey.de stellt sich der Vater als esoterisch geprägter Unternehmer für festliche Mode vor. Eigenen Angaben zufolge hatte er 1995 „ein persönliches Erlebnis mit dem Jesus-Bewusstein“. Zwei Jahre später veröffentlichte Johannes Holey das Buch „Jesus 2000 – Das Friedensreich naht“. Darin vertritt er die Auffassung, dass die urchristliche Lehre „nachträglich von männlichen Machtsystemen“ verfälscht worden sei. Weitere Titel folgten: „Bis zum Jahr 2012 – Der Aufstieg der Menschheit“ (2000) sowie „Alles ist Gott – Anleitung für das Spiel des Lebens“ (2002). Seit 1998 lebt der überzeugte Esoteriker auf der Kanareninsel La Palma. In Deutschland bietet er zusammen mit der „Visionärin und medialen Künstlerin“ Brigitte Jost (Jg. 1960) aus Überlingen Vortragsveranstaltungen zu esoterischen Themen an. Sohn Jan Udo Holey hat sich inzwischen als Buchautor und auch als Esoterik-Unternehmer fest etabliert. So betreibt er seit einigen Jahren in Fichtenau den Amadeus Verlag, der nicht nur Bücher der Familie, sondern auch Verschwörungsliteratur und ufologische Werke vertreibt.
Als Geschäftsführer von Secret TV nennt das Firmenimpressum den bislang unbekannten Johann G. Holey. Treibende Kraft und wichtiger Ideenlieferant für dieses Familienunternehmen dürfte jedoch der wesentlich bekanntere Jan Udo Holey sein. Seine neue unternehmerische Gründung rechtfertigt er damit, „daß wir zwar in einem Land mit angeblicher Meinungsfreiheit leben, doch gewisse Themen nicht ernst genommen oder ganz bewußt ausgegrenzt werden, ebenso wie die Personen, die solche Themen vortragen“. So finden sich im Programmangebot Filme zu Ufologie, Verschwörungen, Gesundheit, Technologie, ungelösten Mysterien und Spiritualität.
Secret TV News heißt die wöchentliche „Nachrichtensendung“, die Meldungen zur „Hintergrundpolitik“ liefert. Sie wird abwechselnd von dem Hörspiel- und Synchronsprecher Horst Breiter und von Mareile Schlüter präsentiert. Die einzelnen Sendungen in seriösem Gewand erwecken den Eindruck, als würden sie zuverlässig über tagesaktuelle Ereignisse berichten. Doch der Schein trügt. Mit einer eigenwilligen Auswahl angeblich unterdrückter tagesaktueller Meldungen und einer unheilvollen Mischung aus Information und Kommentar wird beim Nutzer das Gefühl erzeugt, Zugang zu den von den Massenmedien unterdrückten Wahrheiten zu erlangen. Tatsächlich wird mit den Meldungen das Klima einer gefühlten Desinformation erzeugt. Letztlich geht es den Machern von Secret TV um die gezielte Verbreitung von Verschwörungsmythen. So wird in der zweiten Ausgabe von secret.News suggeriert, die Terroranschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York seien nicht durch die von Terroristen entführten Flugzeuge, sondern in Wirklichkeit durch Sprengstoff hervorgerufen worden, der in den Hochhäusern gezündet worden sei. Secret TV führt auch eine eigene Talkshow im Programm, die der Esoterik-Buchautor („Entwirrungen“) und Verschwörungstheoretiker Jo Conrad (geb. 1958) moderiert. Gesprächspartner sind u.a. Johannes von Buttlar, Erich von Däniken, der umstrittene Esoterik-Autor Trutz Hardo (vgl. MD 7/1998, 210) sowie spiritistische Medien, Impfkritiker, Ufologen und Konspirologen.
Die Selbstbezeichnung von Secret TV als „Fernsehsender“ erweist sich als irreführend: In Wahrheit handelt es sich um ein kostenpflichtiges Filmportal im Internet. Auf den Seiten werden – neben kurzen filmischen „Appetithäppchen“ – zumeist Beiträge offeriert, die sich die Betreiber gut bezahlen lassen. So kostet ein Jahresabonnement rund 100 Euro. Zusätzlich hat der Nutzer die Möglichkeit, im Secret TV Shop einschlägige Filme über Verschwörungen und Illuminaten auf DVD zu erwerben.
Das jüngste Projekt des bekannten Esoterik-Autors sollte in seiner Wirkung nicht unterschätzt werden. Seine letzten Bücher mit reißerischen Titeln wie „Hände weg von diesem Buch!“ (2004) oder „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann...?“ (2005) fanden in Esoterikbuchläden reißenden Absatz. Auch das neueste Angebot dürfte infolge der typischen Jan-van-Helsing-Mischung in der Esoterik-Szene auf Interesse stoßen. Mit dem Angebot im Internet wird der Zugang zu dem problematischen Gedankengut zusätzlich erleichtert. Was nicht vergessen werden sollte: Verschwörungsmythen sind auf Öffentlichkeit hin angelegt, und ihre Urheber profitieren von der raschen Verbreitungsmöglichkeit über das Internet. Sie tragen in sich eine Sündenbocktheorie, wobei Juden, Freimaurer und angeblich im Hintergrund agierende Geheimgesellschaften – für Holey die Illuminaten – immer wieder zur Zielscheibe solch kruder Theorien werden. Für den esoterischen Nutzer sind die ideologischen Nebenwirkungen, die dieses Weltbild mit sich bringt, oft nicht klar. Die inneren Vorbehalte gegen die angebliche tägliche Desinformation über die Massenmedien und eine gefühlte Wirklichkeit, die als geheimnisentleert empfunden wird, sind der ideale Nährboden für solche Theorien.
Im Fall von Secret TV wird genauestens darauf zu achten sein, ob und inwiefern Gründer Jan Udo Holey mittels gezielter Themenauswahl und nicht zuletzt mit Hilfe seiner braun-esoterischen Bundesgenossen jenes altbekannte, unheilvolle Denken auf diesem Wege noch schneller und wirkungsvoller unters Volk zu bringen vermag.
Matthias Pöhlmann