Okkultismus

Schwarze Propaganda im Namen Thelemas?

Der Streit um die Begriffshoheit von „Thelema“ nimmt immer skurrilere Formen an. Auslöser war eine Internetseite der okkult-ideologischen Gruppe Fraternitas Catena Aurea (FCA) auf der Homepage www.newaeon.de (vgl. MD 4/2004, 142f). Dort wird die Freikatholische Kirche (FK), allem voran ihr Freibischof, Federico Tolli , (vgl. MD 3/2005, 116f) massiv angegriffen.

Bei der FK handelt es sich um eine von der römisch-katholischen Kirche getrennte Gemeinschaft. In den im Internet veröffentlichten „Statuten“ der FK heißt es:

„§ 1 Die Freikatholische Kirche ist eine romfreie, katholische Kirche, die die apostolische Sukzession bewahrt und somit gültig geweihte Bischöfe und Priester hat. Der Patriarch (Ehrenpatriarch oder Weltpatriarch) sitzt in Brasilien. Der Primas – Erzbischof sitzt in München. Der Sitz der Freikatholischen Kirche in Deutschland befindet sich in München.

§ 2 Die Freikatholische Kirche versteht sich als Teil der einen Kirche Jesu Christi und fühlt sich als katholische Kirche der Tradition der Urkirche verpflichtet. Aufgabe der Freikatholischen Kirche ist, den alten Glauben auf dem Boden der hl. Schrift und der allgemeinen christlichen Überlieferung der ungeteilten Kirche des ersten Jahrtausends wiederherzustellen.“1

Deutsches Oberhaupt („Erzbischof“) der Freikatholischen Kirche ist derzeit Karl Heinz „Hilarios“ Ungerer (Jg. 1941) mit Sitz in München.2

Grund der Attacken auf Tolli aus dem Umfeld von Michael D. Eschners Thelema Society ist der offenbar anhaltende Streit um die Reputation von Michael Eschner und seine Auslegung der „Philosophie Thelema“. Freibischof Federico Tolli wird beschuldigt, Eschners Thelema Society durch die Verbreitung von Gerichtsakten verleumdet zu haben (vgl. MD 1/2003, 31f).

Die FCA, in der Michael D. Eschner ebenfalls Mitglied ist, formulierten diese Position in einem neuen „Paper“ mit dem Titel „Satan, Thelema und Tempelhuren“ und bezeichneten darin Eschner als „ehrenwerte Person“. Hingegen würde der „Freikatholische Bischof“ „...über Personen und Gruppen gezielte Unwahrheiten und Falschmeldungen verbreiten“. Im selben Absatz wird weiterhin ausgeführt, dass Tolli unter dem „dringenden Verdacht steht“, Gerichtsunterlagen so „sinnentstellt“ präsentiert zu haben, dass „gezielt der Eindruck erweckt [wird], Mitglieder der Thelema Society würden Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung planmäßig begehen bzw. gutheißen“.3 Die Thelema Society sieht sich gemeinsam mit dem Vorsitzenden der FCA, Olaf Francke, von Federico Tolli an den Pranger gestellt.

In dem „Paper“ wird jedwede kritische Anmerkung von Seiten der Medien und kirchlichen Beratungsstellen auf „Bischof Tolli“ zurückgeführt. Francke reagierte mit einer breit angelegten Telefonoffensive, um seine Position der interessierten Öffentlichkeit kundzutun. In einer Gegendarstellung bestritt Tolli die Verantwortung für die „Verleumdungs-Kampagne“ gegen die FCA und Eschners Thelema Society. Seinerseits beklagte er, dass Inhalte aus seiner okkulten Vergangenheit mit der freikatholischen Gegenwart vermengt werden, um den Eindruck zu erwecken, bei der Freikatholischen Kirche handele es sich um eine okkulte Kleingruppe, die in Konkurrenz zur Thelema Society treten will. Eschner, einer der Protagonisten der Thelema Society, sieht keine Zukunft für die christliche Religion und „verabscheut“ den Versuch des Freibischofs, „Thelema“ christlich zu deuten.

Aufschlussreich für Tolli ist dabei der Streit um ein Spruchband mit der Aufschrift „Insekten räuchert man aus“. Dieses sei auf einer Informationsveranstaltung mit dem Titel „Wie gefährlich ist die Thelema Society“ des evangelischen Kirchenkreises Lüchow im Februar des Jahres 2005 in Bergen Dumme aufgetaucht. In dem im Internet veröffentlichten Bericht der FCA wird der Eindruck erweckt, so Tolli, als hätte er dieses Spruchband gutgeheißen. „In der Tat habe ich jedoch dieses Spruchband mit den Worten ,wir wollen keine Pogromstimmung‘ abgelehnt.“

Ebenfalls skandiert die Webseite gegen die Freikatholische Kirche einen Text, indem Tolli bezichtigt wird, in seiner okkulten Vergangenheit ein satanistisches Blutritual durchgeführt zu haben. Offensichtlich ist dieser Text eine satirische Übertreibung, der allerdings seine Wirkung nicht verfehlen dürfte. Inzwischen glaubt Tolli eine persönliche Rufschädigung auch in seinem jetzigen Umfeld durch die von der FCA veröffentlichten Behauptungen festzustellen. Diese Form der Auseinandersetzung ging dem Bischof zu weit und er sieht das Ganze als „schwarze Propaganda“. Er kündigte rechtliche Schritte an und will mit allen juristischen Mitteln durchsetzen, dass die missverständlich verleumderische Webseite gegen ihn vom Netz genommen wird.


Ingolf Christiansen, Göttingen
 

1 Vgl. die Selbstdarstellung im Internet: www.freikatholische-kirche.de/statut.html; 3.4.2006.

2 Nähere Informationen finden sich bei Friedrich-Wilhelm Haack, Gottes 5. Kolonne – Die Freibischöflichen Kirchen im deutschsprachigen Raum, München 1976, 76-91.

3 Zitate aus: http/www.f-c-a.net/satan_thelema_tempelhuren_FCA.pdf ,11.