Secularism. Politics, Religion, and Freedom
Andrew Copson, Secularism. Politics, Religion, and Freedom, Oxford University Press, Oxford 2017, 153 Seiten, 11,99 Euro.1
Dies ist ein gutes und erfreulich kurzes Buch. Es erzählt, wie Gesprächspartner in vielen Religionen ihre Wahrnehmung des jeweils anderen verändert haben – wie Kannibalen zu Vegetariern wurden, sozusagen. Der Autor ist darauf aus, Freunde zu gewinnen, nicht Feinde, und den unternehmungslustigeren unter den Gläubigen die Augen dafür zu öffnen, was sie mit anderen gemeinsam haben. Copson ist der Leiter der britischen Humanistenvereinigung (Humanists UK), und sein Buch ist ... nun ja, human.
Der Autor behandelt die Beziehungen zwischen Gruppen in Konfliktsituationen, scheint dabei aber in seiner friedvollen Grundausrichtung systematisch knapp neben der Wirklichkeit zu liegen. Wir waren von Anfang an von unseren Ahnen, Geistern und Göttern umgeben, und seit der Erfindung von Bronzeschwertern hatte jede Horde ihr eigenes Picknickkörbchen zu verteidigen. Copson betont, dass sein Thema Humanismus sei, nicht Atheismus. Ersterer beinhalte ein offenes Herangehen an die Weltdeutungssysteme verschiedener Gesellschaften, während Letzterer weltanschaulich geschlossener sei. Diese Unterscheidung hält Copson konsequent durch. Eine Gesellschaft mag religiös sein oder nicht – der Prüfstein des humanistischen Säkularismus ist der Freiraum, den sie unterschiedlichen Weltdeutungen gewährt.
Copson bietet einen insgesamt hervorragenden Entwurf, aber mit einigen Schwächen. Er behauptet, die griechischen Götter seien „nicht mit Politik befasst gewesen“. Wirklich nicht? Als Agamemnon durch eine Hirschkuhjagd einen Park profaniert, sendet die Göttin Artemis Gegenwinde, die ihn am Aufbruch nach Troja hindern, wenn er nicht seine Tochter Iphigenie opfert. Medea ist die Enkelin des Sonnengottes Helios. Als ihr Vater König Aegios sie aus dem Haus verbannt, zerteilt sie ihren eigenen Bruder und wirft die Teile in den Weg der verfolgenden Schiffe, um sie aufzuhalten.
Vielleicht beginnt Säkularismus hier. Die meisten griechischen Männer waren Soldaten. Dann beginnt der Krieger Sokrates das noch weit gefährlichere Handwerk, die Leute zu fragen, wie man gut sein könne, statt sich immerzu vor dem Zorn jugendlicher Gottheiten zu ducken. Griechenland ist dabei, den Krieg zu verlieren, die Stimmung ist schlecht, und die Richter nehmen an dem Philosophen Rache. Diese Demokratie ist unbestreitbar eine Attrappe, aber der Justizmord ist real. Sokrates stirbt, aber ein paar Denker denken weiter.
Copson hält das christliche Zeitalter auf andere Weise ebenfalls für belastet. So erklärt Papst Bonifaz VIII. im Jahr 1302, es gebe kein Heil außerhalb der Kirche. Zu dieser Zeit wird das Baptisterium in Florenz, in dem Säuglinge in die Kirche aufgenommen werden, mit einer Reihe gruseliger Horrorszenen bemalt. Aber die schändliche Verzerrung der christlichen Botschaft ruft die Reformation auf den Plan. Luther wird von Friedrich dem Weisen geschützt, und anders als Sokrates überlebt er. Doch nun wird die Sache eine Frage des argumentativen Wettstreits und versteckter Machtdemonstrationen. Copson vermutet, dass eine geteilte Kirche den Dialog wohl ermögliche, ihn aber langsam und schmerzhaft mache.
Er weist auf die großen Unterschiede zwischen Amerika, England und Frankreich hin. Im 17. Jahrhundert führte der selbstzufriedene, nach sozialen Klassen strukturierte Charakter der Anglikanischen Kirche zu Fluchtbewegungen nach Amerika. Im Hinblick auf Amerika bestanden in England ebenfalls scharfe Meinungsunterschiede. Eine tapfere Partisanentruppe focht einen Unabhängigkeitskrieg mit England aus, 3000 Meilen vom Heimatland entfernt. Wir begegnen der ersten intellektuellen Revolte in Gestalt des jüngst in Amerika eingetroffenen Engländers Thomas Paine. Die religiöse Frage war schon geklärt, sie führte zu Jeffersons säkularer Doktrin der Achtung verschiedener religiöser Anschauungen. Aber im protestantischen England gestaltete sich die Sache schwieriger. Voltaire war von der Vielfalt der Kirchen in diesem Land begeistert, obwohl er trocken hinzufügte, er bemerke zwar viele Kirchen, aber nur eine Börse. Die klassenbewusste Hegemonie der Kirche von England ging trotzdem weiter, worüber ein anglikanischer Bischof gesagt haben soll: „Ihr dürft Gott auf eure Weise verehren, derweil wir ihn auf seine Weise verehren.“ Amerika war hingegen ein säkularer Staat, mit protestantischer Vielfalt vertraut.
In Frankreich wiederum geriet die Revolution in furchtbares Fahrwasser. Der Mob massakrierte die wenigen Truppen, die sich ihm in den Weg stellten, aber der Friede schien wiederhergestellt, als König, Adel und Klerus sich auf eine optimistische Demonstration der Einigkeit verständigten. Doch nun war es Europa, das sich von der französischen Bresche in seinem Unterdrückungssystem geschockt zeigte und zum Krieg rüstete. Frankreich reagierte naturgemäß nervös, was letztlich zur Hinrichtung von König und Königin führte, denen Tausende auf die Guillotine folgten, oft deshalb, weil sie unterschiedlicher Ansicht waren, wie die Revolution fortzuführen sei. Um ein Haar wäre Thomas Paine unter die Opfer geraten – ein erklärter Atheist, aber Gegner des regiziden Justizmords. Nur ein glücklicher Zufall rettete ihn, und Robespierre wurde selbst enthauptet.
Copson übergeht in seinem Geschichtsdurchgang Talleyrand, eine Schlüsselfigur des humanistischen Säkularismus. Der ehemalige Bischof von Autun stieg zum Außenminister Napoleons auf. Er überlebte die Revolution und ihre Exzesse und starb im aktiven Dienst 1838. In seinen letzten Wochen arbeitete Talleyrand daran, sicherzustellen, dass sein Erbe an Staat und Kirche ihn zum Vater des modernen Pluralismus machen würde.
Copsons Darstellung der modernen Politik des Säkularismus in der Türkei, in Indien, Pakistan und China ist faszinierend und beunruhigend. Ein plötzlich wieder orthodoxes Russland und ein vordergründig atheistisches China stellen den Westen vor eine Reihe furchterregender Szenarien.
Ein rundum wertvolles Werk.
John Kennedy, London
Anmerkungen
- Die Rezension wurde von Kai Funkschmidt aus dem Englischen übersetzt.