Seelsorge auf Speed!?
Der Befreiungsdienst „Sozo" der Bethel Church
„Sozo“ ist der Name eines neucharismatischen Seelsorgekonzepts, das im Umfeld der Bethel Church in Kalifornien als „Bethel Sozo“ entwickelt wurde.1 Die Entwickler der Methode verstehen unter „Sozo“ eine Zusammenstellung von geistlichen Werkzeugen (tools/toolbelt), die einen Prozess der inneren Heilung und Befreiung (deliverance) ermöglichen sollen. Der Begriff ist aus dem Altgriechischen (in Umschrift: sōzō) entnommen und bedeutet so viel wie „ich rette“, „heile“ oder „befreie“. Als Befreiungsdienst gehört Sozo in den Bereich der „geistlichen Kampfführung“ (spiritual warfare) gegen böse Mächte. Seelsorge oder Therapie sollen dadurch nicht ersetzt werden, und auch körperliche Heilung soll durch Sozo nicht unmittelbar bewirkt werden. Stattdessen sollen die Werkzeuge dabei helfen, die Beziehung des/der Sozo-Empfangenden zu Gott zu bereinigen. Infolge dieser spirituellen Reinheit könnten dann „Menschen den vollen Umfang von Rettung, Befreiung und Heilung“2 erfahren. Der Sozo-Dienst ist weltweit verbreitet und behauptet von sich, Millionen von Leben „transformiert“ zu haben.3 Zunehmend wird Sozo auch in Deutschland angewandt, meist im Umfeld (neu)charismatischer Gemeinden.
Zur Geschichte von Sozo
Sozo entstand ab 1997, kurz nachdem Bill Johnson die Leitung der Bethel Church übernommen hatte. In einer Reihe von Heilungsseminaren mit der Szenegröße Randy Clark4 kamen Menschen der Bethel-Gemeinde in Kontakt mit dem „10-step model of deliverance“ von Pablo Bottari, einem Pastor für Befreiungsdienst aus Argentinien. Weitere Einflüsse bildeten der sogenannte „Theophostische Gebetsdienst“ von Dr. Ed Smith (heute TPM: Transformation Prayer Ministry), die „30 Tools of the Spirit“ von Aiko Hormann sowie persönliche Offenbarungen an die beiden Sozo-Gründerinnen Dawna De Silva und Teresa Liebscher. Seit 2002 ergänzt „Sozo Shabar“ (nach dem hebräischen Verb für „zerbrechen“) das ursprüngliche Sozo.
Nachdem bereits ab Ende der 1990er Jahre einige weitere neucharismatische Gemeinden Sozo anboten, entwickelte sich der Befreiungsdienst in den 2000er Jahren zu einem globalen Phänomen, sodass es 2008 zur Gründung der „International Bethel Sozo Organization“ kam. In Deutschland wurden die ersten Gehversuche zu Beginn des neuen Jahrtausends in Speyer am Rhein unternommen. Sozo wurde von Verantwortlichen der dortigen Vineyard-Gemeinde als neue Methode in die Seelsorge eingebracht, weil man glaubte, sie könne „den Ratsuchenden noch intensiver mit dem lebendigen Gott selbst in Verbindung bringen“.5 Mittlerweile gibt es ungefähr hundert offizielle Sozo-Dienste, die von einer Regionalbeauftragten betreut werden (derzeit Erna Engelmayr, Freie Christusgemeinde Arche in Augsburg).
Ablauf und Inhalt einer Sozo-Sitzung
Sozo ist nach Auffassung der Anwender:innen so mächtig, dass die meisten Menschen lediglich eine oder wenige Sitzungen brauchen, um vollständig befreit und geheilt zu werden. Eine Sitzung dauert in der Regel eine Stunde, manchmal aber auch deutlich länger. Sie wird meistens von zwei bis drei Personen durchgeführt. Während die erste Person die „menschliche Leitung“ innehat und die „Richtung der Sitzung“6 bestimmt, so heißt es im Einführungshandbuch der Gründerinnen, unterstützt die zweite Person die Sitzung im Gebet und durch Weitergabe von gottgegebenen Eindrücken und Bildern. Eine dritte Person sei meist für Ausbildungszwecke oder zur weiteren Unterstützung im Gebet dabei. Eine Sitzung läuft im Normalfall folgendermaßen ab: Nach einer kurzen Begrüßung und der Vorstellung des Vorgehens und der „Werkzeuge“ (s. u.) wird der/die Hilfesuchende nach seinen/ihren konkreten Anliegen befragt. Danach richten sich die Beter:innen auf den Heiligen Geist aus und formulieren entsprechende Fragen an ihn. Nach dem Hören auf Gottes Antworten werden selbige durch die „Werkzeuge“ bearbeitet, um schließlich die dabei von Gott gegebenen Zusagen zu „verankern“. Wer eine Sozo-Sitzung bucht, gibt dabei „jegliche[n] Haftungsanspruch“7 ab. In vielen Fällen wird der Dienst ehrenamtlich angeboten, aber um eine Spende gebeten.
Sozo, so der Anspruch, bringt Befreiung und innere Heilung. Denn „Mächte und Gewalten des Bösen“8 aus der übernatürlichen Welt beeinflussten das Leben der Menschen. Unter diesen Einflüssen entstünden Lebenslügen, Mauern und Verletzungen, all das, was die Beziehung zwischen Mensch und Gott schwäche oder letztlich sogar verunmögliche. Nur durch innere Heilung und Befreiung von diesen Mächten und Gewalten könne diese Beziehung wieder hergestellt werden. Als Bedingungen für ein gelingendes Sozo werden „Vergebung“ und „Einsicht“ genannt. Vergebung sei auf Seiten der Sozo-Empfangenden nötig, damit diese nicht in ihrer „Unvergebenheit eingeschlossen“9 bleiben wie in einem Gefängnis. Einsicht sei vor allem auf der Seite der Sozo-Gebenden gefordert: Diese müssten die geistliche Atmosphäre spüren sowie „getönte Brillen“ erkennen können, die die Sicht auf die Wahrheit über Gott und die Bibel verdunkeln.
Zu den „Werkzeugen“, die in einem Sozo-Prozess genutzt werden, gehören standardmäßig eine Reihe von Vergleichen und Bildern, die geistliche oder psychologische Konzepte verbildlichen sollen: „die Vaterleiter“, „die vier Türen“, „die Mauer“ sowie „Jesus präsentieren“. In der erweiterten Version kommen noch „Göttliche Bearbeitung“, „Posttraumatischer Stress/Trigger-Mechanismus“, „Body Work“, „Prophetische Befreiung“, „Vertraute Geister“, „Generationsübergreifende dämonische Einflüsse“ sowie „Shabar“ hinzu. Diese Vorstellungen stehen zum Teil unverbunden nebeneinander, zum Teil überlappen sie sich aber auch – soweit man das aus den knappen Erläuterungen in den Sozo-Materialien überhaupt erschließen kann.
„Die Vaterleiter“ soll die Verbindung zwischen Lügen und Verletzungen in der Kindheit auf der einen und der Beziehung des betreffenden Menschen zu Gott als Vater, Sohn und Heiligem Geist auf der anderen Seite erklären. Die leibliche Familie der Sozo-Empfangenden wird in Analogie zu den Personen der Trinität gebracht: Der eigene Vater entspreche Gott-Vater, die Geschwister repräsentierten Jesus und die Mutter den Heiligen Geist. Alles, was in der irdischen Familie erlebt werde, so die Behauptung, bestimmt das Verhältnis zu der jeweiligen Person Gottes: Wenn ein Familienteil nicht seine gottgegebene Rolle ausfüllt, dann erhält der Mensch in diesem Bereich „eine falsche Sicht von Gott Vater, Jesus und dem Heiligen Geist.“10 So ist zum Beispiel der irdische Vater zuständig für Sicherheit und materielle Versorgung sowie für die Entwicklung der Identität seiner Kinder. Wenn er hier versagt, werde es auch schwierig, sich auf Gott, den Vater, einzulassen, der einen in die „wahre Identität führen möchte“.11
Das Werkzeug der sogenannten „vier Türen“ zielt darauf ab, schlechte Einflüsse auf das eigene Leben wahrzunehmen. Die Türen stehen symbolisch für die Einflüsse von Furcht, Hass, sexueller Sünde und Okkultismus/Zauberei auf das Leben. Sobald eine dieser Türen geöffnet werde, verhinderten die daraus folgenden Verletzungen und Lügen ein gottgewolltes Leben. Wer die Türen nicht schließe, könne weiterhin von finsteren Mächten angegriffen werden, weil dann die Sünde und nicht Gott das Leben bestimme. Durch das Tool „Jesus präsentieren“ soll gezeigt werden, dass Gott in den Zeiten anwesend war, an die man schlechte Erinnerungen hat. Die Methode soll dazu beitragen, die bisher geglaubten Lügen über das eigene Leben durch Gottes eigene Wahrheit zu ersetzen. „Die Mauer“ symbolisiert einen Schutzmechanismus, der zwar den Menschen schütze, aber auch Gott fernhalte. Diese Mauer müsse eingerissen werden, um die Gottesbeziehung wiederherzustellen.
Die „Göttliche Bearbeitung“ versucht in eingeschliffene Lebenskonzepte oder Denkweisen einzugreifen, um diese durch eine neue, „göttliche“ Denkweise zu ersetzen. Zu dem derart Bearbeitungswürdigen werden Gewohnheiten, aber auch Werte oder Weltanschauungen gezählt. Das Werkzeug „Posttraumatischer Stress“ ähnelt „Jesus präsentieren“, insofern auch damit aufgezeigt werden soll, auf welche Weise Gott in einer schlimmen Situation anwesend war und wie er dort Gutes und Hilfreiches bewirkt habe. Mit „Body Work“ kommt der Aspekt körperlicher Heilung in einen Sozo-Prozess, und zwar unter dem Gesichtspunkt einer eigentümlichen Vergebung. Sollten körperliche Beschwerden oder Nöte wahrgenommen werden, können die Sozo-Empfangenden darauf angesprochen und gefragt werden, ob sie diesen Beschwerden und Nöten „vergeben“ möchten. Die Vergebung von Schädigung, Missachtung oder Ignoranz des Körpers könne daraufhin zu Heilung führen.12
Im Falle der Anwendung der „prophetischen Befreiung“ wird von den Sozo-Gebenden über die Sozo-Empfangenden ein Wort oder Bild Gottes proklamiert, um sie dadurch zu stärken und von schädlichen Geistern zu befreien. Gewohnheiten und festgefahrene Lebenskonzepte könnten die Folge von „Vertrauten Geistern“ sein. Diese blockierten in bestimmten Situationen das Hören des Heiligen Geistes und verhinderten gottgewolltes Handeln. Seien diese Geister aber erst einmal erkannt, könnten sie durch Vergebung freigelassen werden. Dämonen könnten manchmal über Generationen hinweg Menschen beeinflussen, eben auch in Form von „vertrauten Geistern“. Diese zu erkennen sei schwer, weil sie schon so lange wirkten. Auch hier gelte es, den verursachenden Personen aus den früheren Generationen zu vergeben und das Alte durch Neues, Gottgewolltes, zu ersetzen. Geister und Dämonen herrschten aber nicht nur über Personen, sondern auch über Regionen und Orte – auch da „sind wir angehalten, [diese] in Besitz zu nehmen“.13
Weiterentwicklungen
Obwohl das Basic-Sozo schon „umfänglich Heilung und Befreiung“ zu schaffen verheißt, wurden die Werkzeuge und Dienste rund um Sozo im Laufe der Jahre vielfach erweitert. Es gibt nun Sozo für Finanzen, Sozo für Kreativität, Sozo für den beruflichen Kontext, für Kinder, für Kunst, für Bildung/Erziehung sowie für den Geist („praying for the brain“). Diese Angebote richten sich auf die Herausforderungen des jeweiligen Bereichs und versprechen Befreiung und Heilung. Dabei kann es um Vielfältiges gehen, zum Beispiel um finanzielle Freiheit, Beseitigung von Lernschwächen, die Heilung von Autismus und vieles mehr.
Als besonders mächtige Erweiterung wird „Shabar“ beworben. Dabei geht es um die Heilung und Befreiung von „in Teile zerbrochene[n] Personen“. Damit bezeichnet Bethel-Sozo Personen mit einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS).14 Diese Zerbrochenheit könne entweder durch „eine organisierte Form der Folter“ im Kontext von „satanisch-rituellem Missbrauch“15 entstehen oder sie sei selbstverursacht, „weil sie [sc. die Betroffenen] nicht mit der Realität klarkamen.“16 Es gebe nämlich Menschen, die nur schwer mit der Realität umgehen könnten und die sich innere Schutzräume schafften, um ihr in bedrängenden Situationen zu entfliehen. So würden Teilpersonen innerlich abgespalten, in die sich das bedrohte Ich zurückziehen könne und die, je nach Situation, ab- und wieder auftauchten. Shabar-Arbeit habe zum Ziel, die einzelnen Teile solcher Personen zu reintegrieren: „Integration bedeutet hier, alle Teile mit Gott Vater oder Jesus zu vereinen.“17
Einschätzung
Immer wieder wird betont, dass Sozo keine Alternative zu Seelsorge oder Therapie sein solle, doch offenkundig wird diese Trennlinie in vielen Gemeinden und Sitzungen überschritten. Für Sozo wird mit therapeutischem Anspruch („freedom from suicide“18) geworben. Die Themen und Werkzeuge eines Sozo reichen weit in therapeutische und seelsorgerliche Kontexte hinein: etwa bei „Sozo Shabar“, bei dem Menschen von dissoziativer Identitätsstörung „befreit“ werden sollen, oder wenn Autismus als „Leiden“ dargestellt wird, das durch Vergebung und Gebet geheilt werden könne,19 oder wenn Missbrauchsopfern durch „göttliche Bearbeitung“ Gottes hilfreiches Wirken in ihrer Leiderfahrung aufgezeigt wird. Weder kann jedoch in wenigen Tagen Sozo-Ausbildung die nötige Kompetenz und Professionalität für solche Fälle erworben werden, noch sind die Werkzeuge und deren Zusammensetzung auf irgendeine Weise wissenschaftlich geprüft, begründet oder bestätigt. Fehlende (therapeutische und/oder fachmedizinische) Kompetenz und Qualitätssicherung öffnen Tür und Tor für schädliche und übergriffige Behandlungsweisen, die vorhandene Krisen und Leiderfahrungen leicht verschärfen können. Indem in den Sitzungen die subjektiven Geisterfahrungen und Eindrücke der Sozo-Anbietenden den Ausschlag für die Heilung versprechenden Interventionen geben, ist der Behandlungsprozess einem hohen Maß an Willkür ausgesetzt, die auch nicht durch die angeblich offenbarten Sozo-„Werkzeuge“ aufgehoben wird.
Solche Willkür begünstigt auch bei besten Intentionen seelsorgerliche Übergriffigkeit und geistlichen Machtmissbrauch. Die Sozo-Empfangenden sind den Sozo-Gebenden in erheblichem Grad psychologisch ausgeliefert. Überdies fördert der Umstand, dass sich die Praxis letztlich von Anbieter zu Anbieter unterscheidet, Intransparenz. Dass Sozo oft ehrenamtlich und spendenbasiert angeboten wird, entspricht einer dienenden Grundhaltung; zugleich besteht aber die Gefahr, dass fehlende Klarheit und Absprachen zu finanziellem Druck und rückwirkender Verpflichtung führen. Die starke Vermarktung und die zahlreichen Erweiterungen des Verfahrens geistlicher „Rettung“ lassen außerdem nach den Motiven der Entwicklerinnen fragen: Welchen Mehrwert liefern die immer neuen Sozo-Kurse und Materialien außer einem Zugewinn an „finanzieller Freiheit“ für die Copyright-Inhaber:innen? Zugleich unterlaufen die mannigfachen Erweiterungen den Anspruch der umfassenden Wirksamkeit des Sozo, da es nun offenbar doch für jeden Bereich eine spezielle (wenn auch ähnliche) Methode braucht.
Rahmen und Umfang von Sozo sind in zahlreichen Büchern, Seminaren und Vorträgen umrissen. Doch nicht überall, wo es angeboten wird, ist Sozo auch (in Reinform) enthalten. Viele Gemeinden oder Personen haben das Konzept adaptiert und in ihre Seelsorge oder Beraterpraxis übernommen. Das kann einerseits zu einer „Professionalisierung“ des Sozo führen, indem zum Beispiel Anspruch und theologisches Fundament abgeschwächt werden. Andererseits sind auch „Radikalisierungen“ denkbar und wahrscheinlich, indem zum Beispiel beraterische oder therapeutische Grundsätze und Haltungen zugunsten des geistlichen Heilsversprechens von Sozo ignoriert werden.
Auch aus theologischer Perspektive erheben sich gewichtige Einwände. Im Sozo zeigt sich ein mechanistisches und instrumentalisierendes Verständnis von Gottes Wirken in dieser Welt. Heilung und Befreiung in vollem Umfang ebenso wie ein siegreicher Kampf gegen die bösen Mächte könnten nur durch das konkrete Eingreifen Gottes bewirkt werden. Sozo wird als Werkzeug verstanden, das dieses göttliche Eingreifen veranlassen kann. Damit werden nicht nur Therapie oder klassische Seelsorge als zweitklassige Hilfsangebote disqualifiziert, sondern es wird auch die theologische Erkenntnis von Gott als dem souverän Handelnden untergraben. Indem Vergebungsbereitschaft auf Seiten der Sozo-Empfangenden als notwendige Bedingung für Gottes Wirken gesetzt wird, wird gegebenenfalls auch die Verantwortung für Gottes ausbleibendes Handeln auf die behandelten Menschen übertragen. Bringt eine Sozo-Einheit nicht das gewünschte Ergebnis, kann den Sozo-Empfangenden – abgesehen von dem leidvollen Anliegen, das weiterhin besteht, und von der Enttäuschung, dass die Hilfe nicht eingetreten ist – auch noch die Schuld für die ausbleibende Heilung zugeschrieben werden. Damit reproduziert Sozo eine Grundproblematik, die in vielen neocharismatischen Praktiken und deren übersteigertem Wirkungsanspruch liegt.
Die Einbettung des Sozo-Dienstes in ein dualistisches Menschen- und Weltbild, in dem Menschen Spielbälle kämpfender geistlicher Mächte sind, steht einer evangelischen Auffassung entgegen, nach der das menschliche Leben und die irdische Welt Raum und Zeit sind, Gott zu begegnen oder gegebenenfalls auch zu verfehlen. Sünde und Krankheit sind nach diesem Verständnis nicht das Ergebnis dämonischer Einflüsse, sondern gehören zum menschlichen Sein als fragmentarisches, fehlbares Geschöpf in einer gefallenen Welt.20 In dieser Welt gibt es auch Heilung und Befreiung, und um sie kann Gott auch gebeten werden. Aber ihr Eintreten kann und muss Gottes souveränem Handeln überlassen werden. Eine Seelsorgepraxis, die seelische, körperliche und geistliche Nöte nur als Produkte dämonischen Einflusses sieht und sie mit Hilfe von Befreiungsdienst-„Werkzeugen“ endgültig zu bearbeiten sucht, verkennt nicht nur das Böse. Sie überschätzt auch die dem Menschen gegebene Macht.
Svenja Hardecker/Philipp Kohler, Stuttgart, 05. September 2023
Anmerkungen
- Vgl. zur Bethel Church in Redding unseren Artikel When Heaven Invades Earth. Die „Bethel Church“ und ihr Einfluss innerhalb der neucharismatischen Bewegung, ZRW 86,5 (2023), 317–330.
- Dawna De Silva/Teresa Liebscher: Sozo Basic Handbuch (Speyer: edition47, 22017), 9.
- Vgl. https://www.bethelsozo.com/home: „Millions of lives across the globe have been transformed“ (letzter Abruf aller in diesem Beitrag genannten Internetseiten: 28.9.2023).
- Wie zentral Randy Clark für die Entwicklung von Bethel war, fasst Bill Johnson in einem Video zusammen: Bethel: Bill Johnson, The Impact of Randy Clark’s Ministry, YouTube, 4.1.2023, https://youtu.be/PewFdV02TNE.
- De Silva/Liebscher: Sozo Basic, 7.
- De Silva/Liebscher: Sozo Basic, 11.
- De Silva/Liebscher: Sozo Basic, 52.
- Vgl. zur Erläuterung Dawna De Silva: Shifting Atmospheres. Unterscheide & verdränge geistliche Mächte in deinem Umfeld. Eine Strategie für eine siegreiche geistliche Kampfführung (Vaihingen/Enz: Grain Press, 2019), 188.
- De Silva/Liebscher: Sozo Basic, 13.
- De Silva/Liebscher: Sozo Basic, 21.
- De Silva/Liebscher: Sozo Basic, 25.
- Bill Johnson berichtet zum Beispiel: „Ich diente einmal einer Frau mit Morbus Crohn; ihr Darm war schon seit sieben Jahren dabei, sich aufzulösen. Ich fragte sie, ob sie mit Schamgefühlen zu kämpfen habe. Sie sagte ja, und ich sagte: ‚Dein Körper schickt dir eine Botschaft. Dein Darm verdaut sich selbst. Die Härte, die du dir selbst gegenüber hast, macht dich krank, und dein Körper manifestiert das, was du dir selbst emotional antust.‘ Sie kehrte von dieser Sünde um und war sofort geheilt“ (Bill Johnson: The Supernatural Power of a Transformed Mind. Access to a Life of Miracles [Shippensburg, Pa.: Destiny Image Publishers, 2005], 152, eigene Übersetzung).nofnkeep
- Dawna De Silva/Teresa Liebscher: Sozo Advanced (Speyer: edition47, 22017), 31.
- „Der folgende Begriff definiert die medizinische Beschreibung dessen, was im Shabar ‚in Teile zerbrochene Personen‘ genannt wird: Dissoziative Identitätsstörung (DID). […] Wir nennen diesen Vorgang ‚in Teile zerbrechen‘“ (De Silva/Liebscher: Sozo Advanced, 38).
- Zur Kontroverse um die Rituelle-Gewalt-Theorie vgl. ausführlicher u. a. Andreas Hahn: Neue Entwicklungen im Streit um die „Rituelle Gewalt“, ZRW 86,3 (2023), 204–213; ders., Rituelle Gewalt in satanistischen Gruppen – ein populärer Mythos?, ZRW 82,7 (2019), 243–250, und Michael Utsch: Stichwort „Rituelle Gewalt aus psychologischer Sicht“, ZRW 82,8 (2019), 312–315.
- De Silva/Liebscher: Sozo Advanced, 65.
- De Silva/Liebscher: Sozo Advanced, 39.
- Siehe das entsprechende Testimonial von „Joy“ auf der Website von Bethel Sozo, https://www.bethelsozo.com/testimonies/freedom-from-suicide. Vgl. dort auch andere Testimonials, die Sozo therapeutischen und medizinischen Erfolg, wie zum Beispiel bei Depressionen oder Unfruchtbarkeit, attestieren.
- Vgl. das Gebet zur Befreiung von Autismus von Jeffrey Barsch/Katy Barsch: Prayer to Heal Autism, 2021, https://tinyurl.com/yn6arxkb.
- Vertreter:innen der sogenannten geistlichen Kampfführung hingegen sehen die Menschen in eine geistliche Auseinandersetzung zwischen guten und bösen Mächten eingebunden und berufen sich dabei meist auf Eph 6,12: „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Im Kontext des Epheserbriefs wird diese realweltliche Deutung aber fragwürdig und erscheint eklektisch. Zwar befinden sich die Christen in einem Kampf, aber der Kampf richtet sich nicht gegen Dämonen oder dunkle Mächte, sondern besteht vielmehr darin, die ihnen durch die Gnade Christi zuteilgewordene Freiheit sowie das Gute und das Wahre in der Welt gegen alle Widerstände zu erhalten und zu verbreiten.