Selbstzurücknahme ist kein verheißungsvoller Weg. Zum Synodenbeschluss der EKiR zur Begegnung von Christen und Muslimen
Die Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) hat sich am 12. Januar 2018 ausführlich mit dem Thema der Begegnung von Christen und Muslimen befasst und in einem zweiseitigen Statement „Für die Begegnung mit Muslimen. Theologische Positionsbestimmung“ die eigenen Perspektiven und Handlungsorientierungen zusammengefasst. „Die Landessynode beabsichtigt, den christlich-muslimischen Dialog … zu vertiefen und auch in schwierigen Situationen daran festzuhalten“ (www.ekir.de/www/downloads/LS2018_B_Fuer-die-Begegnung-mit-Muslimen.pdf ). Die Positionsbestimmung ist mit deutlicher Mehrheit verabschiedet worden. Es finden sich darin zahlreiche wichtige und zustimmungsfähige Passagen. Für mehr Klarheit in der theologischen Verhältnisbestimmung zum Islam hat sie allerdings nicht gesorgt. Das zeigen bereits der kontroverse Rezeptionsprozess und der Verzicht auf Begriff und Sache des christlichen Zeugnisses in der Religionsbegegnung.
Kontrovers diskutiert wurde die Aussage, dass die Landessynode „den Glauben muslimischer Menschen als Bindung an den einen Gott wahr[nimmt]“. Offensichtlich soll mit diesem Satz ausgesagt werden, dass Einigkeit im gemeinsamen Glauben an Gott besteht. Wie weit aber reicht eine solche Gemeinsamkeit? Die muslimische Perspektive von der Selbigkeit Gottes in den unterschiedlichen religiösen Traditionen enthält den Vorbehalt, dass Christen die Gottesoffenbarung falsch verstanden haben. Deshalb ist auf die Grenzen hinzuweisen, die die Redeweise von dem „einen Gott“ beinhaltet. Fraglos zielt der Islam auf die Verehrung des transzendenten Gottes. Die Besonderheit des christlichen Gottesverständnisses kommt dann zur Sprache, wenn vom dreieinigen Gott gesprochen wird. Der Dialog mit Muslimen kann insofern nicht von einem gemeinsamen Gottesglauben ausgehen. Das wechselseitige Reden, Hören und Lernen wird dadurch meines Erachtens weder erschwert noch ausgeschlossen. Im Kontext eines säkularen Rechtsstaates, der die Freiheit der Religionsausübung ermöglicht, ist das friedliche Zusammenleben der Religionen und eine Kultur des wechselseitigen Respekts und Austausches nicht von einem Konsens in Glaubensfragen abhängig.
Am intensivsten wurde über den Satz der Positionsbestimmung debattiert: „Der Dialog zielt auf das gegenseitige Kennenlernen, das gemeinsame Handeln, das Aushalten von Differenzen sowie eine vertiefte Wahrnehmung der je eigenen Traditionen, nicht aber auf eine Konversion zur jeweils anderen Religion.“ Der letzte Teil des Satzes war Anlass zum pointierten Widerspruch. Und dies mit Recht. Zu wenig Berücksichtigung findet in solchen Aussagen, dass in der Begegnung von Christentum und Islam „Endgültigkeitsansprüche“ (Hans Zirker) aufeinandertreffen. Die Begegnung der christlichen Kirchen mit dem Islam lässt sich auf den Dialog und die gute Nachbarschaft nicht reduzieren. Zu ihr gehört das christliche Zeugnis, das auf die göttliche Selbstmitteilung in Jesus Christus und auf das Wirken des Geistes verweist.
Beide, das Christentum wie der Islam, sind missionarische Religionen, auch dann, wenn sie darauf verzichten, ihr Sendungsbewusstsein mit dem Begriff Mission zu umschreiben. Am deutlichsten zeigt sich dies am Phänomen von Konversionen: vom Islam zum Christentum durch Glaube und Taufe, vom Christentum zum Islam durch das Sprechen der Schahāda (des „Bekenntnisses“ als der ersten der fünf Säulen des Islam). Eine Konversion zum Christentum ist aus theologischer Sicht ein Werk des Heiligen Geistes und nicht machbar. Richtig ist auch, dass in der Religionsbegegnung die Ebene des Dialoges von der des Zeugnisses zu unterscheiden ist. Trennen lassen sich diese Ebenen jedoch nicht. Im interreligiösen Dialog sind Lernbereitschaft und Auskunftsfähigkeit gleichermaßen wichtig.
Als nachchristliche Religion hat der Islam das Christentum zu einem Teil seiner Vorgeschichte gemacht. Aus der Religionsgeschichte ist bekannt, wie schwer es ist, Beerbungsansprüche anderer zu ertragen oder hinzunehmen, dass andere den eigenen Beerbungsansprüchen widersprechen. Für Christinnen und Christen schließt der Dialog mit Muslimen die Mission unter ihnen nicht aus. Ein christlicher Missionsverzicht würde faktisch die Anerkennung des islamischen Endgültigkeitsanspruchs beinhalten. Zum Dialog gibt es zugleich keine Alternative. Er ist jedoch auch im Sinne einer respektvollen Streitkultur und eines interreligiösen Realismus zu verstehen und zu gestalten. Selbstzurücknahme stellt keinen überzeugenden Weg dar, um Differenzen auszuhalten und Toleranz einzuüben.
Vorbereitet worden war die Theologische Positionsbestimmung auf der Synode durch ein Referat des systematischen Theologen Reinhold Bernhardt, in dem die Universalität des göttlichen Gnadenwirkens akzentuiert wurde, ebenso durch den Bericht des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, der mit Recht darauf hinwies, dass eine „Kirche, die sich an der Leitvorstellung ‚missionarisch Volkskirche sein’ orientiert, … eine klare Haltung zur Mission [braucht]“. Es ist zu bezweifeln, dass die Beschlussfassung der Synode von dieser klaren Haltung bestimmt war.
Reinhard Hempelmann