Spiritualität. Multireligiös. Begegnung der Religionen in Gebeten, Besinnungen, Liedern
Johannes Lähnemann/Religionen für den Frieden Nürnberg (Hg.), Spiritualität. Multireligiös. Begegnung der Religionen in Gebeten, Besinnungen, Liedern, EB-Verlag, Berlin 2014, 196 Seiten, 17,90 Euro.
Der Band ist aus Anlass von 25 Jahren interreligiöser Zusammenarbeit in Nürnberg zusammengestellt und veröffentlicht worden. Johannes Lähnemann, der die Ortsgruppe Nürnberg von Religionen für den Frieden/Religions for Peace seinerzeit mitbegründet hatte, sie seitdem engagiert und – im Verbund mit seiner wissenschaftlichen Arbeit vor allem an der Universität Erlangen-Nürnberg – Ideen gebend moderiert, hat aus diesem Zeitraum 20 „Gebetsstunden der Religionen“ ausgewählt, die in ihrer zeitlichen Folge dokumentiert sind und somit auch den jeweiligen zeitgeschichtlichen Bezug erkennen lassen. Die Gebetsstunden, die weitgehend in verschiedenen christlichen Kirchen in Nürnberg stattgefunden haben, sind ergänzt durch zwei Dokumente, nämlich die Erklärung des Runden Tisches der Religionen in Deutschland von 2001 (128ff) und die „Nürnberger Erklärung der Religionen zur Bewahrung des Lebens“ von 1992 (183f).
Lähnemann nimmt in seiner Einführung (27ff) die Vorbehalte auf, die hier und da gegenüber einer zu engen spirituellen Zusammenarbeit von verschiedenen Religionen bestehen, und unterstreicht, dass es weder um eine Glaubensvermischung gehe noch um eine wechselseitige Vereinnahmung, Einebnung oder Missachtung von Differenzen und Unvereinbarkeiten, sondern um ein respektvolles Interesse und die Wahrnehmung der geistlichen Schätze anderer Religionen zu einem bestimmten Thema oder einer spezifischen Situation unter dem gemeinsamen Ziel des Engagements für ein friedlicheres menschliches Zusammenleben. Dass es Gemeinsamkeiten in den Religionen unter diesem Ziel gibt, unterstreicht Lähnemann mit dem Hinweis auf das Projekt Weltethos (33f). Die 20 Einheiten, deren Textbausteine in einem ausführlichen, zehn Seiten umfassenden zweiten Inhaltsverzeichnis (15ff) bereits einzeln zu Beginn des Bandes aufgelistet sind, bieten die verschiedenen Dokumente, die durch Symbole am Seitenrand in ihrer Zuordnung zu den verschiedenen Religionen kenntlich gemacht sind, teils mit einführenden und erläuternden Passagen, teils mit Meditationen oder thematischen Explikationen aus der Feder von Lähnemann. Zu einzelnen Dokumenten sind in Fußnoten nicht nur die Fundstellen, sondern auch deren Autorenschaft und Herkunft in knapper Form erläutert.
In dieser Machart ist der Band nicht nur eine Dokumentation zurückliegender Gebetsstunden, sondern eine Fundgrube und eine beispielhafte Zusammenstellung gelungener Zusammenarbeit, die zur Anregung und Nachahmung an vielen anderen Orten dienen kann. Dankenswerterweise ist die Zusammenstellung nicht an historischer Vollständigkeit orientiert, sondern an Lesbarkeit, Verständlichkeit und Knappheit, was den Band fast zu einem Materialband und Lehrbuch zugleich macht. Die Tatsache, dass alle diese Gebetsstunden auch stattgefunden haben, führt jedem Leser sehr deutlich vor Augen, dass eine solche Zusammenarbeit möglich ist und gelingen kann. Die Autorenschaft durch Johannes Lähnemann als einem evangelischen Christen, die überwiegend christlichen Veranstaltungsorte und auch die ausschließlich christlichen Lieder und Melodien, die abgedruckt sind, lassen erkennen, dass die interreligiöse Zusammenarbeit in Deutschland zu einem guten Anteil auf das Engagement, die Ressourcen und die Erfahrung der christlichen Kirchen angewiesen ist. Doch der Band belegt ebenso die Chancen, die Möglichkeiten und die in 25 Jahren erreichte Qualität einer kontinuierlichen, intensiven und gleichwertigen interreligiösen Zusammenarbeit in Deutschland, die nicht nur bei wechselseitigem Bekanntmachen oder thematischem Austausch stehen bleibt, sondern die spirituelle Dimension als das Merkmal der Religionen einbezieht.
Martin Affolderbach, Nürnberg