Sondergemeinschaften / Sekten

Spiritueller Lehrer in Untersuchungshaft

(Letzter Bericht: 6/2003, 219-223) Nach einem spektakulären Feuergefecht in der Dominikanischen Republik am 17. Oktober 2012 schickte ein Gericht den 61 Jahre alten Immobilienhändler Peter Brunck aus Rheinland-Pfalz zusammen mit einem seiner Söhne und einer deutschen Frau vorläufig ins Gefängnis. Ein weiterer Sohn hatte seinem Vater im Jahr 2005 sexuellen Missbrauch an Gruppenmitgliedern und Hochstaplerei vorgeworfen und die Gruppe „Akademie für zukünftige Gesundheit“ verlassen. Brunck und der Deutschen wird zur Last gelegt, bei einer Razzia wegen unerlaubten Waffenbesitzes auf Polizisten geschossen zu haben. Bei der einstündigen Schießerei in dem Ferienort war ein Deutscher ums Leben gekommen, drei Polizeibeamte wurden verletzt. Ein ganzes Waffenarsenal wurde in der Wohnung des deutschen Sektenführers sichergestellt.

Brunck, der sich selbst als „Allheiler“ und „kosmischer Lehrer“ bezeichnet, vermarktete Ende der 1990er Jahren von seinem damaligen Wohnsitz Südafrika aus, wo er fünf Jahre lebte, den von ihm entwickelten Therapiecomputer „Micravision“. Das Walkman-große Gerät kostete knapp 1000 Euro und könne „Heilschwingungen“ aussenden: „Sofortiges Wohlbefinden setzt ein, die Abwehrkraft wird gestärkt, energetische Löcher verschwinden, der Organismus stabilisiert sich.“

Seit etwa zehn Jahren lebte Brunck mit einem inneren Kreis von Mitgliedern der von ihm gegründeten „Akademie für zukünftige Gesundheit“ in der Karibik. Auf Vortragsreisen in Europa warb er für seine Ideen, die von kosmischen Katastrophen ausgingen und UFOs vorhersagten. Demnach stehe der Weltuntergang kurz bevor, und 68 Aliens lebten schon jetzt auf der Erde. Auch eine Eiszeit hatte Brunck für das laufende Jahr vorausgesagt. Bruncks Heilslehre versprach seinen Schülern, durch die Befolgung seiner Anweisungen „Herr über seine Gedanken, Herr über seine Gefühle und Herr über die Materie“ werden zu können (www.affh.org). Mit seinen apokalyptischen Visionen hat er vermutlich die Menschen unter Druck gesetzt und verängstigt. Medienberichte wissen von inneren Streitigkeiten in der Gruppe zu berichten. Die nur in Auszügen bekannte Heilslehre Bruncks, das hermetisch abgeriegelte Gelände und die hoch bewaffneten Bewohner lassen vermuten, dass die Menschen durch Verschwörungstheorien emotionalisiert und radikalisiert wurden.

Dass der Wunderheiler seine Anhänger in der Karibik um sich scharte, ist nicht ungewöhnlich: Spirituelle Gruppen suchten sich häufig Urlaubsziele zum Aufbau ihrer Gemeinschaft aus. Im Jahr 1998 hat zum Beispiel in Teneriffa eine UFO-Sekte auf den Weltuntergang gewartet. Als dieser nicht eintrat und das emotionale Klima sich innerhalb der Gruppe zuspitzte, konnte nur durch Aussteigerberichte und das beherzte Eingreifen der Polizei ein Massensuizid verhindert werden (s. MD 2/1998, 53f; 3/1998, 77ff).

Die Vorfälle in der Karibik machen deutlich, dass nach wie vor erleuchtete Meister ihre Schüler in den Bann ziehen und in sektenhafte Strukturen steuern. Die klassischen Sekten stagnieren, aber die Zahl kleiner Gruppen mit Wunderheilern, die zwei Dutzend bis hundert Mitglieder um sich scharen, wächst (s. MD 5/2008, 163ff; 6/2008, 203f). Dabei ist es unübersehbar und sehr zu begrüßen, dass in einzelnen weltanschaulichen Milieus das Missbrauchspotenzial durch spirituelle Leiter als „Guru-Falle“ selbstkritisch diskutiert wird (s. MD 9/2011, 350f). Ob interne Qualitätskriterien ausreichen, das Guru-Problem zu lösen, oder in welchen Formen staatliche Maßnahmen im Sinne eines „religiös-spirituellen Verbraucherschutzes“ sinnvoll sind, darüber muss angesichts eines anhaltenden Machtmissbrauchs in religiösen und weltanschaulichen Gruppen weiter nachgedacht werden.


Michael Utsch