Sri Chinmoy in Verruf
(Letzter Bericht: 3/2003, 115) Sri Chinmoy, die Leitfigur der gleichnamigen Bewegung, die hauptsächlich durch Meditation und durch ihre regelmäßigen Weltfriedensläufe bekannt ist (vgl. MD 8/2001, 272f), residiert in New York und machte kürzlich von sich reden, nachdem er angeblich 3200 kg Hanteln einhändig gestemmt hatte. Der Vorgang wurde zwar fotografiert, jedoch nicht von offiziellen Gutachtern beobachtet, so dass ihm ein Eintrag als Weltrekordler verwehrt bleiben dürfte.
Weniger für die Öffentlichkeit bestimmt sind allerdings Vorgänge und Dynamiken, die jüngst der ehemalige Sri-Chinmoy-Anhänger Alexander Kahr in der Zeitschrift connection (Ausgabe 2/2003) schilderte. Kahr war bereits im vorigen Jahr mit dem Buch "Mein Wille geschehe! Ein Aussteigerbericht über den Spirituellen Weg Sri Chinmoys" (Linonis-Verlag, Mutters) hervorgetreten und nutzte nun auch dieses Forum, um seine Vorwürfe zu erneuern. Er berichtet über seine Zeit in der Bewegung, die von Ergebenheit gegenüber dem Guru geprägt war. Dieser fordere unbedingten Gehorsam, lasse keine eigenständige Entwicklung zu und erziehe aufgrund der strikten Zölibats- und Keuschheitsregeln zur Verklemmtheit gegenüber dem anderen Geschlecht. Das Engagement für Sri Chinmoy habe zum Abbruch seiner bis dahin existierenden sozialen Beziehungen geführt. Besonders alarmierend sind jedoch, sofern sie wahr sind, die Behauptungen, dass Sri Chinmoy mit Anhängerinnen Geschlechtsverkehr hatte, den er aufgrund seiner spirituellen Autorität einforderte; in zwei Fällen habe er nach Schwängerungen Abtreibungen angeordnet. Die Anhängerinnen (Disciples) seien auch zum gleichgeschlechtlichen Sex vor den Augen des Guru aufgefordert worden. Auf dem Hintergrund der Zölibatsforderung und des absoluten Keuschheitsgebots stellen diese Vorgänge einen doppelten Skandal dar.
Der Artikel benutzt Wendungen wie "narkotisierender Indoktrinationsapparat" und liest sich phasenweise wie aus der sektenkritischen Literatur abgeschrieben, was natürlich noch nichts über seine Glaubwürdigkeit sagen muss. Connection-Herausgeber Wolf Schneider weist in seinem kurzen Kommentar auch auf die Beidseitigkeit einer Abhängigkeitsbeziehung hin und auf die Gefahren, die aus der kritiklosen Anhimmelung eines Gurus resultieren können. Auch habe er Stimmen anderer Sri-Chinmoy-Anhänger gehört, die erfreuliche und ihren persönlichen Reifungsprozess fördernde Erfahrungen in derselben Bewegung gemacht haben. In Anbetracht der Brisanz des Vorgangs ruft er zur Debatte und Stellungnahme auf. Der MD wird weiter berichten.
Ulrich Dehn