Sri Chinmoy verstorben
(Letzter Bericht MD 11/2005, 313f) Am 11. Oktober 2007 ist Sri Chinmoy, mit bürgerlichem Namen Chinmoy Kumar Gose, im Alter von 76 Jahren in New York verstorben. Anschließend wurde er in der Nähe seines Hauses im Stadtteil Queens beigesetzt. Die Anhänger Chinmoys haben auf der Internetseite www.srichinmoycentre.org/de ihrem Guru bereits ein virtuelles Denkmal gesetzt: Dort finden sich Nachrufe von Politikern wie Michail Gorbatschow und Nelson Mandela, aber auch von Künstlern, Sportlern und Musikern wie Roberta Flack oder Mahavishnu John McLaughlin, der in den 1980er Jahren – wenngleich nur für kurze Dauer – den Gitarristen Carlos Santana zu Sri Chinmoy brachte, der ihm den Namen „Devadip“ (= „Auge Gottes“) verlieh (vgl. MD 5/2000, 137).
Mit Friedensmeditationen, Friedenskonzerten und Friedensläufen hatte der indische Guru immer wieder für Aufsehen gesorgt. Werbewirksame Veröffentlichungen stellen ihn bis heute als literarisches Genie und als Künstler vor: Innerhalb kürzester Zeit habe Chinmoy viele Bücher geschrieben, tausende von Liedern komponiert und rund 140 000 Bilder gemalt. Auch durch sportliche Höchstleistungen, etwa im Gewichtheben, soll er sich ausgezeichnet haben.
Geboren wurde Chinmoy am 27. August 1931 in einem Dorf bei Chittagong, im heutigen Bangladesh. Im Alter von elf Jahren verlor er beide Eltern. Bereits mit zwölf soll er den höchsten meditativen Bewusstseinszustand erreicht haben. Anschließend wuchs er in einem südindischen Ashram, im Aurobindo-Ashram in Pondicherry auf, der von Sri Aurobindo (1872-1950) gegründet worden war. Offensichtlich wirkte die dort herrschende spirituelle, künstlerische und sportliche Atmosphäre nachhaltig auf den jungen Mann. Im Alter von 13 Jahren soll ihm in einer Berufungsvision der Auftrag erteilt worden sein, Gott bei seiner Mission zur Seite zu stehen und gar seine „Manifestation“ auf Erden zu sein. Seine Anhänger begreifen das vielfältige Wirken als eine Manifestation des höchsten göttlichen Bewusstseins auf Erden. Ab 1964 arbeitete Chinmoy im indischen Konsulat in New York und begann, sich auch spirituell zu betätigen. Er wurde Meditationsleiter und Meister kleinerer Gruppen. Ausgehend von New York sammelte sich bald ein Anhängerkreis um ihn.
In den letzten Jahren geriet Chinmoy zunehmend in Verruf. Ihm wurde von ehemaligen Anhängern vorgeworfen, er fordere unbedingten Gehorsam und lasse keine eigenständige Entwicklung zu. Hinzu kamen Beschuldigungen, wonach der indische Guru seine spirituelle Autorität missbraucht und Anhängerinnen zum Sex mit ihm gezwungen habe, obwohl er selbst absolute Keuschheit lehrte (vgl. MD 4/2003, 150f; vgl. auch die kritischen Berichte unter www.agpf.de/Chinmoy.htm).
Die Chinmoy-Bewegung gibt ihre Mitgliederzahl mit 7000 weltweit an. Schätzungen gehen jedoch nur von rund 2000 bis 3000 Anhängern aus – mit offensichtlich rückläufiger Tendenz. Rund 300 Chinmoy-Zentren soll es geben. Die europäische Zentrale befindet sich in Zürich. Derzeit werden für den deutschsprachigen Raum 26 Orte angegeben, an denen Chinmoy-Meditationskurse angeboten werden.
Man darf gespannt sein, wie die Chinmoy-Bewegung, nunmehr ihres spirituellen Führers beraubt, diese Krise bewältigen wird. Kenner vermuten, dass dabei – zumindest für eine gewisse Übergangszeit – die inzwischen hochbetagte Weggefährtin Chinmoys aus frühen Tagen, die Kanadierin Alo Devi (Jg. 1927), eine maßgebliche Rolle spielen wird.
Matthias Pöhlmann