Neuapostolische Kirche

Stammapostel Leber entschuldigt sich zum Abschied

(Letzter Bericht: 5/2013, 184-187) Der Stammapostel der Neuapostolischen Kirche (NAK), Wilhelm Leber, hat am 13. Mai 2013, wenige Tage vor seiner Amtsübergabe an Jean-Luc Schneider, eine Stellungnahme zur sogenannten „Botschaft“ von Stammapostel Johann Gottfried Bischoff veröffentlicht. Dieser hatte 1951 im Alter von über 80 Jahren als göttliche Offenbarung verkündet, der Herr werde noch zu seinen Lebzeiten wiederkommen. In den Folgejahren wurde diese Botschaft zunehmend zum Prüfstein rechten neuapostolischen Glaubens. Kritische Nachfragen und Zweifel am göttlichen Ursprung dieser „Botschaft“ führten zu zahlreichen Ausschlüssen und Austritten, zum Teil ganzer Gemeinden. Unter Führung des designierten Stammapostelnachfolgers Peter Kuhlen entstand damals in Nordrhein-Westfalen die bis heute bestehende „Apostolische Gemeinschaft“, die später mit anderen Abspaltungen die „Vereinigung Apostolischer Gemeinden“ (VAG) bildete. Diese steht kurz vor der Aufnahme als Gastmitglied in die Bundes-ACK.

Einige Tage nach Bischoffs Tod im Jahr 1960 erklärte die Leitung der NAK, Gott habe offenbar seinen Willen geändert. Seitdem war Bischoffs „Botschaft“ weitgehend ein Tabuthema in der NAK. Es blieb theologisch unbearbeitet, belastete aber die Beziehungen zu den damals Ausgestoßenen dauerhaft. Erst vor wenigen Jahren wurden Gespräche zwischen NAK und VAG wegen Differenzen zu diesem Punkt abgebrochen, als die NAK ein von wenig Selbstkritik gekennzeichnetes Papier zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte publizierte.

Leber erklärt nun, dass die „Botschaft“ Johann Gottfried Bischoffs keine biblische Grundlage hatte und dass deren von Bischoff forcierte Dogmatisierung zum Glaubensgegenstand falsch war. Dementsprechend lehre die NAK nicht mehr, es habe sich dabei um eine göttliche Offenbarung gehandelt. Zugleich bittet Leber für die Verletzungen und Spaltungen, die aus der Botschaft folgten, um Verzeihung. Dennoch aber sei die mit der Botschaft verbundene Naherwartung zu begrüßen. Trotz der Kritik an Bischoff bleibt Leber insgesamt eher behutsam im Umgang mit dem umstrittenen Stammapostel.

Deutlich ist, dass Leber, der sich in den vergangenen Jahren intensiv um eine Öffnung der NAK bemüht hat, die Hand zur Versöhnung ausstrecken und auch in dieser heiklen Frage noch vor seinem Ausscheiden einen Pflock einschlagen will, hinter den die NAK nicht zurück kann. Er bleibt sich damit in seinem mutigen Bemühen um eine Reform seiner Kirche treu. Es bleiben nun die Reaktionen der Angesprochenen abzuwarten. Sie werden zeigen, ob die vorliegende Erklärung ausreicht, um die angespannten Beziehungen zu den Nachfolgekirchen der damals Ausgestoßenen dauerhaft zu verbessern.

Eine weitergehende theologische Klärung des ökumenisch umstrittenen Amtsverständnisses oder gar eine Relativierung des Vollmachtsanspruchs des Stammapostelamtes ist mit der jetzigen Stellungnahme nicht verbunden und nicht intendiert. Auch die problematische Persönlichkeitsentwicklung des Stammapostels Bischoff in seinen letzten Lebensjahrzehnten, die im Zusammenhang der damaligen Konflikte für außenstehende Betrachter unübersehbar ist, kann aus neuapostolischer Sicht nicht wirklich angesprochen werden. Die historisch-kritische Aufarbeitung der offiziellen NAK kommt an ihre Grenzen, wo es um konkrete Benennungen der menschlichen Fehlbarkeit selbst eines Stammapostels geht.

Der damalige Konflikt ist an anderer Stelle aber auch innerhalb der NAK bearbeitet worden. Hier ist das inoffizielle „Netzwerk Apostolische Geschichte“ (apostolische-geschichte.de) mit seiner Plattform „APWiki“ äußerst rührig und hält viele Informationen und Details bereit, die offizielle NAK-Publikationen nicht enthalten.


Kai Funkschmidt