Bekir Altas

Status quo der islamischen Dachverbände

In der Diskussion um die rechtliche Anerkennung der islamischen Verbände in Deutschland macht Bekir Altaş, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), den Standpunkt der Verbände aus der Sicht der IGMG klar: Es gebe in Deutschland keine staatliche Anerkennung einer Vereinigung als Religionsgemeinschaft. Neben weiteren Merkmalen sei es vor allem die umfassende Religionspflege der großen islamischen Verbände, die den parteipolitischen Versuch, diese als „religiöse Vereine“ abzuqualifizieren (Bündnis 90/Die Grünen), ad absurdum führe. Überdies gelte der Grundsatz der Trennung von Religion und Staat nicht für das Verhältnis zu ausländischen Staaten (Türkei), die im Übrigen auch nicht an das Neutralitätsgebot gebunden seien.

Wir dokumentieren die Replik von Bekir Altaş auf die Rede von Cem Özdemir beim diesjährigen Jahresempfang der EZW (s. auch MD 4/2017, 131-133).

Über den Status quo islamischer Gemeinschaften, namentlich der vier Dachverbände Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e. V., DİTİB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) e. V., Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. und Zentralrat der Muslime in Deutschland e. V. wird in der Rechtswissenschaft und der Religionspolitik schon seit mehreren Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Vor allem das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.2.2005 (Az. 6 C 2.04), mit dem festgestellt wurde, dass auch islamische Dachverbände Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes sein können, führte zu einem Umdenken in der Politik und der Gesellschaft. In mehreren Bundesländern wurden die jeweiligen Landesreligionsgemeinschaften als Ansprechpartner akzeptiert. Zudem bestätigten rechtswissenschaftliche und z. T. auch religionswissenschaftliche Gutachten in den Bundesländern Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz den Status der islamischen Landesreligionsgemeinschaften.

Doch immer noch gibt es Bundesländer wie Bayern, die die islamischen Religionsgemeinschaften nicht als solche akzeptieren wollen. Daher werden sie auch nicht in den sogenannten gemeinsamen Angelegenheiten (Res Mixta) wie dem Religionsunterricht als Kooperationspartner mit einbezogen. Dass der Religionsunterricht dann stattdessen ohne Beteiligung der islamischen Religionsgemeinschaften an den Schulen angeboten wird, bedeutet nichts anderes als die Nichtachtung der Vorgaben des Grundgesetzes.

Noch weitergehend möchte die Partei Bündnis 90/Die Grünen – die sich gerne für ihre innovativen Ansätze in religionspolitischen Fragen rühmt – die bisherigen Entwicklungen in der Religionspolitik wieder umkehren. In dem bei ihrer 40. Ordentlichen Bundesdelegiertenkonferenz getroffenen Beschluss „Religions- und Weltanschauungsfreiheit in der offenen Gesellschaft“ heißt es: „Die vier großen muslimischen Verbände (DİTİB, Islamrat, Zentralrat der Muslime, V.I.K.Z.) erfüllen aber aus grüner Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht die vom Grundgesetz geforderten Voraussetzungen an eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Religionsverfassungsrechts. Sie sind religiöse Vereine.“ „Ihre Identität und Abgrenzung untereinander ist nicht durch Unterschiede im religiösen Bekenntnis begründet, sondern politischen und sprachlichen Identitäten aus den Herkunftsländern und der Migrationsgeschichte geschuldet. Die DİTİB ist dabei zudem eine Tochterorganisation des Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Diyanet İşleri Başkanlığı) in Ankara. Die strukturelle Abhängigkeit von einem Staat und dessen jeweiliger Regierungspolitik entspricht nicht der grundgesetzlich geforderten Trennung von Religion und Staat.“

Geadelt wurde mit dem Beschluss das Thesenpapier der Grünen-Politiker Volker Beck und Cem Özdemir mit dem bemerkenswerten Titel „Den Islam und andere Religionen der Einwanderer ins deutsche Religionsverfassungsrecht integrieren – Gleiche Rechte für Muslime, Aleviten und Jeziden!“. Darin erklärten die Verfasser schon im Jahr 2015, dass es sich bei den vier großen „Interessenverbänden“ nicht um Religionsgemeinschaften handle, da sie national, politisch oder sprachlich, nicht aber bekenntnisförmig geprägt seien. In ihrem zwölf Seiten langen Papier bleiben die Gründe für diesen Befund allerdings nebulös.

Der Beschluss sowie das Thesenpapier sind dem Versuch geschuldet, altbekannte, schon längst überwunden geglaubte Vorbehalte und Kontroversen um islamische Religionsgemeinschaften wieder aufleben zu lassen. Auf diese Weise – so scheint es – sollen die ihnen nicht genehmen islamischen Gemeinschaften aus der gesellschaftlichen und politischen Partizipation wieder ausgeschlossen werden.

In Hinblick darauf wird im Folgenden dargelegt, dass es sich bei den vier islamischen Dachverbänden um Religionsgemeinschaften handelt. Die Darlegung religionsverfassungsrechtlicher Grundsätze in diesem Zusammenhang soll die Diskussion wieder auf eine sachliche und richtige Ebene führen.

Anerkennung

Fast gönnerhaft gestehen die Grünen den islamischen Gemeinschaften zu, als Religionsgemeinschaften anerkannt zu werden, wenn sie die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllen. Dieses wohlmeinende Zugeständnis offenbart allerdings eine Unkenntnis über das deutsche Religionsverfassungsrecht.

Anders als in anderen Ländern wie z. B. in Spanien gibt es nämlich in Deutschland das Rechtsinstitut der staatlichen Anerkennung einer Vereinigung als Religionsgemeinschaft nicht. Mithin bedürfen Religionsgemeinschaften in Deutschland keines staatlichen „Ritterschlags“, um als solche zu gelten. Vielmehr sind Gemeinschaften, die ihre Satzung entsprechend gestaltet haben und diesen Aufgaben umfassend nachgehen, ohne weiteren Hoheitsakt kraft ihres Selbstverständnisses und ihres äußeren Erscheinungsbildes schon eine Religionsgemeinschaft. Diese ist auch nicht verpflichtet, sich in einer bestimmten Form zu organisieren. Denn die Verfassung gewährleistet ihr die Möglichkeit einer irgendwie gearteten rechtlichen Existenz einschließlich der Teilnahme am allgemeinen Rechtsverkehr. „Es genügt jedes Minimum an Organisation, welches immer entsteht, wenn sich Menschen auf der Grundlage eines gemeinsamen Glaubens zur Erfüllung sich daraus ergebender Aufgaben vereinigen.“1

Werden jedoch bestimmte Rechte – wie z. B. nach Art. 7 Abs. 3 GG (Religionsunterricht), Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV (Selbstbestimmungsrecht) – in Anspruch genommen, reichen allein die Behauptung und das Selbstverständnis des Verbandes nicht mehr aus; dann muss es sich vielmehr auch tatsächlich entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorschriften um eine Religionsgemeinschaft handeln. Dies im Streitfall zu prüfen und zu entscheiden, obliegt als Anwendung einer Regelung der staatlichen Rechtsordnung den staatlichen Organen, letztlich den Gerichten.2

An dem gleichen Mangel krankte im Übrigen schon das Thesenpaper von Beck/Özdemir. Denn auch darin war durchweg von „anerkannten“ Religionsgemeinschaften die Rede.

Religionsgemeinschaften nach dem Grundgesetz

Um über ihr eigenes Selbstverständnis hinaus als Religionsgemeinschaft3 im Sinne des Grundgesetzes zu gelten, muss die Gemeinschaft bestimmte Merkmale aufweisen. Bei der Definition wird dabei nach wie vor auf die Formel von Gerhard Anschütz zurückgegriffen. Danach handelt es sich bei der Religionsgemeinschaft um einen die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse für ein Gebiet zusammenfassenden Verband zur allseitigen Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben.4

1. Personales Substrat: Im Zentrum einer Religionsgemeinschaft stehen natürliche Personen. Bei einem mehrstufigen Verband (Dachverbandsorganisation) bilden die Konfessionsangehörigen, die sich zum Zweck der Religionsausübung in lokalen Vereinen zusammenschließen, welche wiederum einen landes- oder bundesweiten Verband gründen, die personale Grundlage.5

Die Struktur der vier islamischen Gemeinschaften stellt sich ähnlich dar: Auf der grundlegenden Ebene (z. B. des Islamrats) befinden sich die Gläubigen, die sich zu Moscheevereinen zusammengeschlossen haben. Diese wiederum haben sich in Regionalverbänden zusammengetan, die sich in Bundesverbänden organisiert haben. Die Mitgliedschaft des einzelnen Gläubigen im Dachverband ist demnach über Zwischeninstanzen vermittelt. Das personale Substrat der islamischen Dachverbandsorganisationen bilden somit die Gläubigen in den ihnen angeschlossenen Moscheevereinen. Von ihnen reicht ein durch die gemeinsame Religion geprägtes organisatorisches Band bis hin zu den Dachverbänden.

2. Minimum an organisatorischer Struktur: Des Weiteren verfügen die islamischen Gemeinschaften über ein Minimum an organisatorischer Struktur, d. h. mehrere Personen haben sich verbunden, um sich für längere Zeit der Religionsausübung zu widmen. Alle islamischen Vereinigungen sind als Vereine organisiert und bestehen schon seit langer Zeit in Deutschland. So besteht beispielsweise der Islamrat, der ausschließlich Moscheevereine bzw. -gemeinden umfasst, seit 1986, also seit über 30 Jahren. Damit ist er unzweifelhaft auf Dauer angelegt.

3. Pflege eines gemeinsamen Bekenntnisses: Gegenstand der Religionsgemeinschaft ist die Pflege eines gemeinsamen Bekenntnisses. Im Mittelpunkt aller vier Dachverbände steht ihrem Selbstverständnis gemäß das islamische Bekenntnis. Dies ist in ihren Satzungen auch so niedergelegt.

An diesem Punkt setzt allerdings die Kritik der Grünen ein. Es gebe gar keinen Unterschied im Bekenntnis zwischen den Religionsgemeinschaften. Die Unterschiede seien vielmehr auf Sprache, Herkunft und Politik zurückzuführen. Dabei verkennt die Partei aber einen wesentlichen religionsverfassungsrechtlichen Grundsatz: Welchen Inhalt das Bekenntnis hat, entscheidet das Selbstverständnis der Gemeinschaft. So entscheidet es darüber, ob sich Angehörige einer oder mehrerer verwandter Konfessionen in einer Religionsgemeinschaft zusammenfinden. Unerheblich ist dabei, dass sie sich untereinander – ebenso wie möglicherweise von anderen islamischen Spitzenorganisationen in Deutschland – in konfessioneller Hinsicht nicht nennenswert unterscheiden. Das Bundesverwaltungsgericht hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: „Die Angehörigen einer Konfession oder mehrerer verwandter Bekenntnisse sind dem Staat gegenüber nicht rechenschaftspflichtig, weshalb sie sich nicht in einer einzigen, sondern in mehreren Religionsgemeinschaften organisieren.“ Dies sei als Ausdruck ihres religiösen Selbstverständnisses zu akzeptieren.6

Des Weiteren ist den Religionsgemeinschaften eine wirtschaftliche, kulturelle oder politische Betätigung nicht verwehrt. Erforderlich ist dabei aber ein Zusammenhang mit der religiösen Zwecksetzung der Vereinigung.7

4. Umfassende Pflege der Religion:Die Religionsgemeinschaft zielt auf die umfassende Erfüllung der durch das religiöse Bekenntnis gestellten Aufgaben ab. Dieses Merkmal dient dazu, die Religionsgemeinschaften von den religiösen Vereinen abzugrenzen. Die religiösen Vereine bezwecken nicht die allseitige, sondern nur die partielle Pflege des religiösen Lebens ihrer Mitglieder. Sie können sich z. B. karitativen Aktivitäten oder auch zahlreichen anderen Tätigkeiten widmen, für die die jeweilige Religion Handlungsgebote oder -maßstäbe vorsieht, etwa im beruflichen, kulturellen oder wissenschaftlichen Bereich.8

Bei den islamischen Dachverbänden erfolgt die Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgaben entsprechend ihres Selbstverständnisses arbeitsteilig auf den verschiedenen Ebenen des Verbandes. So entfaltet sich das religiöse Gemeinschaftsleben in den Moscheevereinen bzw. -gemeinden. Dort finden die gemeinsamen Gebete, insbesondere das Freitagsgebet, statt. Weiterhin ist hier zu verorten: das Feiern von religiösen Festen, die religiöse Unterweisung/Bildung von Kindern und Erwachsenen, die Veranstaltung von religiösen Seminaren, die Seelsorge, die Bestattung Verstorbener etc. Der Dachverband hingegen nimmt eine Leitungsfunktion wahr. Dazu gehört die Vorgabe von Leitlinien (z. B. Festlegung von Gebetszeiten oder Festtagen), die Zuständigkeit für die grundlegenden Fragen des Glaubens und für die Wahrung islamischer Werte, die Vertretung der Interessen der Mitglieder gegenüber staatlichen Gremien, die personellen und inhaltlichen Vorgaben für die Kooperation mit dem Staat, das Eintreten für die Einführung eines islamischen Religionsunterrichtes sowie für die Einführung theologischer Fakultäten an deutschen Hochschulen, der Dialog mit den anderen Religionsgemeinschaften etc.

Das Gemeinschaftsleben in der Gesamtorganisation der Dachverbände wird dadurch verwirklicht, dass alle von ihr erfassten Menschen vom einfachen Gemeindemitglied bis zum Vorsitzenden sich der gemeinsamen religiösen Sache verpflichtet fühlen und auf dieser Grundlage ihre Aufgaben erfüllen.9

Die vorstehenden Ausführungen belegen, dass gerade die umfassende Pflege des religiösen Bekenntnisses das Kernelement aller vier islamischen Gemeinschaften darstellt. Angesichts dieses Befunds ist der Versuch von Bündnis 90/Die Grünen, die Dachverbände lediglich als religiöse Vereine einzuordnen zu wollen, geradezu absurd. Entweder kennt die Partei die religiösen Aktivitäten der Gemeinschaften nicht, oder sie unterschlägt sie schlichtweg. Die Partei will den Eindruck erwecken, dass die vier Gemeinschaften und ihre Moscheegemeinden lediglich der Kultur- und Brauchtumspflege dienen und die religiösen Aktivitäten nur Nebenprodukte sind. Dies würde bedeuten: „unter ihren Dächern sammeln sich nicht die Anhänger muslimischer Konfessionen mit eigenen Bekenntnisschriften …, sondern Landsleute, gelegentlich auch politische Gesinnungsgenossen, hauptsächlich Deutschtürken einerseits und Muslime arabischer Herkunft andererseits.“10 Dass dies fern der Realität ist, haben die obigen Ausführungen belegt.

Einfluss auf eine Religionsgemeinschaft durch ausländischen Staat

Hinsichtlich der DİTİB wird in dem Beschluss der Grünen die strukturelle Abhängigkeit vom türkischen Staat bemängelt. Diese widerspreche der grundgesetzlich geforderten Trennung von Religion und Staat. Dieser Einwand ist jedoch nicht überzeugend. Der Grundsatz der Trennung von Staat und Religion (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV) betrifft nur das Verhältnis zwischen dem deutschen Staat und den Religionsgemeinschaften. Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 1 WRV beansprucht keine Geltung für das Verhältnis zu ausländischen Staaten und den in Deutschland tätigen Religionsgemeinschaften. Auch das Neutralitätsgebot richtet sich nicht an ausländische Staaten.11

Auch die oben dargestellte Definition der Religionsgemeinschaft verlangt nicht, dass die Organisation einer Religion frei von jeglichem ausländischen Einfluss sein muss. Auch die in der Bundesrepublik ansässigen und tätigen Organisationen von Staatsreligionen bzw. Staatskirchen können Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes sein.12

Es ist im Übrigen Ausfluss der Religionsfreiheit bzw. der religiösen Vereinigungsfreiheit, wenn sich Einzelne oder eine Gruppe dafür entscheiden, einer religiösen Autorität zu folgen, die von einem ausländischen Staat beeinflusst oder sogar maßgeblich gesteuert wird.

Eine Besonderheit ergibt sich jedoch in Hinblick auf den Religionsunterricht im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 GG werden die Inhalte des Religionsunterrichts von der Religionsgemeinschaft festgelegt. Dies ist Ausdruck der religiösen Selbstbestimmung. Ein fremdbestimmter Religionsunterricht ist von der Verfassung nicht vorgesehen. Daher können die Grundsätze des Religionsunterrichts weder vom deutschen noch von einem ausländischen Staat festgelegt werden.

Ein unzulässiger ausländischer Einfluss liegt aber nicht schon dann vor, wenn ausländische Würdenträger Einfluss in einer Religionsgemeinschaft haben, auch wenn sie gleichzeitig staatliche Ämter bekleiden, wie dies in Staatskirchensystemen nicht unüblich ist. Entscheidend ist in einem solchen Fall aber, dass dieser Einfluss als Ausdruck des Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaft auf deren Selbstbestimmung beruht, nicht aber auf einseitig obrigkeitlicher Bestimmung durch den Staat.13

Zudem ist in Hinblick auf die Ausübung von religionsbezogenen Hoheitsrechten in Deutschland durch ausländische Staaten zu beachten, dass sowohl die Anglikanische Kirche in Hamburg den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt als auch die Dänische Seemannskirche. Beide sind Staatskirchen, zumindest staatsabhängig. In Bezug auf diese wird auch nicht vertreten, dass der Status dieser Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts die religionsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes verletzen. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht verlangt werden, dass von ausländischen Staaten beeinflusste oder gelenkte Gemeinschaften vom Begriff der Religionsgemeinschaft nach Art 7 Abs. 3 prinzipiell auszuschließen sind.14

Im Übrigen wird bei einem greifbaren ausländischen staatlichen Einfluss die hiesige staatliche Aufsicht aktiviert, der auch der Religionsunterricht unterliegt. In mehreren Bundesländern ist die DİTİB am Religionsunterricht beteiligt. An keinem der Standorte konnte ein unzulässiger Einfluss des türkischen Staates festgestellt werden.

Schlussbetrachtung

Die vier islamischen Dachverbände sind Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes. Die hiergegen vorgebrachten Vorwände von Bündnis 90/die Grünen sind nicht einmal im Ansatz geeignet, dieser Realität etwas entgegenzusetzen. Nicht beachtet wird bei der Kontroverse um die islamischen Religionsgemeinschaften zudem, dass es letztendlich um die Belange und Rechte der ihnen angehörenden Gläubigen geht. Der Zusammenschluss zu den Religionsgemeinschaften ist nämlich der Ausdruck ihrer Religionsfreiheit. Die grundrechtlich garantierte Möglichkeit der Bildung einer Religionsgemeinschaft soll den Weg eröffnen, sich als Vereinigung von Menschen zur Verwirklichung des allgemeinen religiösen Zwecks zu organisieren, dieser Organisation eine rechtliche Gestalt zu geben und am allgemeinen Rechtsverkehr teilzunehmen.15 Wird also den islamischen Gemeinschaften der Status als Religionsgemeinschaft abgesprochen, so negiert dies zugleich die Religionsfreiheit ihrer Mitglieder.


Anmerkungen
 

  1. BVerwG, Urt. v. 23.02.2005 – Az.: 6 C 2.04.
  2. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.02.1991 – 2 BvR 263/86. S. dazu auch Engin Karahan, Rechtlich zweifelhaft, politisch 10 Jahre in der Vergangenheit, www.religion-recht.de/2015/11/rechtlich-zweifelhaft-politisch-10-jahre-in-der-vergangenheit  (Abruf: 12.2.2017).
  3. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Begriffe „Religionsgemeinschaft“ in Art. 7 Abs. 3 und „Religionsgesellschaft“ in Art. 137 Abs. 2 GG deckungsgleich sind. In Hinblick auf die Definition der Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7 Abs. 3 werden noch zusätzlich das Bestehen einer klaren Mitgliedschaftsregelung und die Rechtstreue der Vereinigung verlangt.
  4. Gerhard Anschütz, Die Verfassung des deutschen Reiches vom 11.08.1919, 14. Aufl. 1933, Art. 137 Anm. 2 (S. 633).
  5. BVerwG, Urt. v. 23.02.2005 – Az.: 6 C 2.04.
  6. Ebd.
  7. Nina Coumont, Islam und Schule, in: Stefan Muckel (Hg.), Der Islam im öffentlichen Recht des säkularen Verfassungsstaates, Berlin 2008.
  8. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.10.1968 – 1 BvR 241/66; Beschl. v. 4.06.1985 – 2 BvR 1703/83.
  9. BVerwG, Urt. v. 23.02.2005 – Az.: 6 C 2.04.
  10. Patrick Bahners, Integrationsdebatte bei den Grünen, Mir gäbet nix, www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/bundesparteitag-der-gruenen-cem-oezdemir-fuer-mehr-integration-13930056.html  (Abruf: 12.2.2017).
  11. Stefan Muckel, Sind der DITIB-Landesverband Rheinland-Pfalz, die Schura Rheinland-Pfalz, der Verband der Islamischen Kulturzentren e. V. und die Ahmadiyya Muslim Jamaat Religionsgemeinschaften, die zur Durchführung eines islamischen Religionsunterrichts geeignet sind?, Rechtsgutachten erstattet dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, Stand 22.9.2014, 43.
  12. Heinrich de Wall, Rechtsgutachten über die Eigenschaft von „DITIB Landesverband Hamburg e. V.“, „SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V.“ und „Verband der Islamischen Kulturzentren“ e. V. Köln als Religionsgemeinschaften und weitere Aspekte ihrer Eignung als Kooperationspartner der Freien und Hansestadt Hamburg in religionsrechtlichen Angelegenheiten, erstellt im Auftrag der Freien und Hansestadt Hamburg, Stand 9.3.2011, 40.
  13. Heinrich de Wall, Zwischen-Resümee der Arbeitsgruppen und des Gesprächskreises der Deutschen Islam Konferenz (DIK), Vorlage für die 3. Plenarsitzung der DIK, 13. März 2008, Berlin. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen eines islamischen Religionsunterrichts / UAG der AG 2 (DIK), Anlage, Stand: 20.2.2008.
  14. Gerhard Robbers, Neuere Entwicklungen des Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen, in: Festschrift für Friedhelm Hufen zum 70. Geburtstag, hg. von Max-Emanuel Geis u. a., München 2015, 393f.
  15. BVerwG Urt. v. 23.02.2005 – Az. 6 C 2.04.