Stellungnahme der Neuapostolischen Kirche zu Materialdienst-Beiträgen
Die Januarausgabe dieser Zeitschrift widmete sich mit zwei Beiträgen dem Schwerpunktthema „Neuapostolische Kirche – Kommentare und Einschätzungen“. Der Leiter der EZW, Reinhard Hempelmann, fragte in seinem Aufsatz nach der Ökumenefähigkeit (MD 1/2010, 5-10). Der Historiker Christian Ruch formulierte „kritische Anmerkungen zur Geschichtsaufarbeitung in der Neuapostolischen Kirche“ (11-17). Die Neuapostolische Kirche International übermittelte der EZW Anfang Februar zu beiden Beiträgen eine kommentierende Stellungnahme, die wir im Folgenden dokumentieren.
Stellungnahme der Neuapostolischen Kirche zu Materialdienst-Beiträgen
Der Materialdienst 1/2010 der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin widmet sich ausführlich der Neuapostolischen Kirche. Unter dem Titel „Schwerpunkt: Neuapostolische Kirche – Kommentare und Einschätzungen“ schreiben zwei Autoren zu unterschiedlichen Themen. Die Neuapostolische Kirche möchte einige Aspekte kommentieren. Es geht dabei nur um sachliche Schärfung bzw. Ergänzung zum besseren Verständnis, nicht um eine detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung mit den Positionen der Autoren.
Thema 1: „Wie ökumenefähig ist die Neuapostolische Kirche?“
Dr. Reinhard Hempelmann, Leiter der EZW, schreibt in seinem Beitrag als evangelischer Christ. Wie er in der Rubrik „Wo ist Kirche?“ selbst betont, liegen Unterschiede in der Beantwortung dieser Frage zwischen Ämter-orientierten und reformatorischen Kirchen vor: „Zwischen protestantischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche ist die Ämterfrage ein zentrales Thema ökumenischer Diskussion und ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu einer vollen Kirchengemeinschaft“ (6).
Dieser Satz gilt auch im Hinblick auf die Beziehung zwischen den protestantischen Kirchen und der Neuapostolischen Kirche. Da das neuapostolische Verständnis vom Apostelamt von anderen Christen zum Teil kritisch gesehen wird, will die Neuapostolische Kirche an dieser Stelle ihre Position noch einmal deutlich machen: Die Apostel erbauen nach Aussage des Epheserbriefes durch ihren Dienst die Kirche Christi. Sie arbeiten daran, dass sich der Leib Christi entwickeln kann. Das Ziel dieser Tätigkeit ist, dass alle Glaubenden zur Einheit in Jesus Christus geführt werden. Allein daraus – wie auch aus dem Sendungsauftrag in Matthäus 28,18-20 – wird deutlich, dass das Apostelamt zeitlich nicht begrenzt ist, sondern bis zur Wiederkunft des Herrn wirken soll.
Im Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (381 n. Chr.) wird die Kirche Christi als „eine, heilige, allgemeine und apostolische“ bezeichnet. Unter Apostolizität verstand man, dass die Verkündigung des Evangeliums auf die ersten Apostel zurückgehen muss und dass das kirchliche Amt seinen Ausgangspunkt im urchristlichen Apostelamt hat. Während die apostolische Verkündigung des Evangeliums Maßstab der gegenwärtigen Verkündigung sein soll, wird die Person des Apostels damals und bis auf den heutigen Tag von den meisten Christen rein historisch verstanden. Diese rein historische Sicht auf das Apostelamt ist nach neuapostolischer Auffassung zu eng. Nach neuapostolischem Verständnis hat Apostolizität zwei Aspekte: die Verpflichtung kirchlicher Lehre auf die apostolische Verkündigung des Evangeliums, wie sie im Neuen Testament bezeugt ist, und zugleich die personale Vergegenwärtigung des Apostelamtes im lebenden Apostel.
In der Berufung der ersten Apostel der Neuzeit in England, die zwischen 1832 und 1835 geschah, sehen neuapostolische Christen einen wesentlichen Einschnitt innerhalb der Kirchengeschichte. Das verstehen sie als göttliche Tat für alle Christen. Von diesem Zeitpunkt an ist das Apostelamt wieder als Angebot und Anfrage an alle Christen gegenwärtig. Drei Dienste des Apostolats zu allen Zeiten lassen sich aus den neutestamentlichen Zeugnissen ableiten:
• Verkündigung des Evangeliums, Jesus als den gekommenen und wiederkommenden Christus deutlich zu machen;
• Sakramentsverwaltung und Sündenvergebung;
• Verantwortung für die Gemeinde.
Die Apostel haben gegenwärtig darüber hinaus die Aufgabe, die Brautgemeinde zu sammeln und auf den Tag der Wiederkunft Christi vorzubereiten.
Thema 2: „Kritische Anmerkungen zur Geschichtsaufarbeitung in der Neuapostolischen Kirche“
Die Ausarbeitung von Dr. Christian Ruch, Historiker und Mitglied der katholischen Arbeitsgruppe „Neue religiöse Bewegungen“ in der Schweiz, behandelt vor allem den Informationsabend Zürich vom 4. Dezember 2007, der das Thema Geschichte, hier die Jahre zwischen 1938 bis 1955, zum Mittelpunkt hatte. Dr. Ruch zieht in diesem Artikel folgendes Resümee: „Wenn die NAK im ökumenischen Dialog jedoch eine ernst zu nehmende Gesprächspartnerin sein möchte, wird sie um eine ebenso transparente wie wissenschaftlich saubere Aufarbeitung ihrer Geschichte nicht herumkommen“ (16).
Hierzu einige Anmerkungen: Stammapostel Leber hat in der Zeitschrift „Unsere Familie“ Nr. 10/2008 vom 20. Mai 2008, 34f, ausdrücklich externe Historiker zur Mitarbeit an der Erforschung der neuapostolischen Geschichte eingeladen. Er schreibt unter anderem: „Wir bieten ausgewiesenen Historikern an, die uns zur Verfügung stehenden Quellen für eigene Auswertungen zugänglich zu machen.“ Gleichzeitig wurden (am 19. Mai 2008) unter dem Titel „Quellenzugang für Historiker möglich“ entsprechende Hinweise auf der kircheneigenen Internetseite publiziert. Bis heute hat kein Historiker von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Daraus wird deutlich, dass die NAK durchaus um eine transparente Aufarbeitung ihrer Geschichte bemüht ist. Wissenschaft lebt von der Diskussion. Auf der Grundlage der Erfahrung, dass bisher kein Historiker von dem oben genannten Angebot Gebrauch gemacht hat, erwägt die Kirche ihrerseits, externe Historiker zu beauftragen, gemeinsam mit der AG „Geschichte der Neuapostolischen Kirche“ das am Informationsabend vorgestellte Thema weiter zu bearbeiten.
Dr. Ruch erhebt den Vorwurf, die AG „Geschichte der NAK“ sei eine „Black Box“, ihre Besetzung also nicht transparent. Dazu ist zu sagen: Die Besetzung kirchlicher Gremien wurde bisher meistens nicht offiziell bekannt gemacht. Aber dahinter steht keine Geheimniskrämerei. Die Kirchenleitung gibt jederzeit auf Befragen die Namen der Mitglieder bekannt.
Zürich, 4. Februar 2010