Islam

"Stiftung Islam in Deutschland" gegründet

In Berlin wurde die „Stiftung Islam in Deutschland“ gegründet. Die Gründungsfeier fand Anfang Juni 2018 in der gut gefüllten Baptistenkirche in Berlin-Wedding statt, die der Stiftung während des Fastenmonats Ramadan ihre Räumlichkeiten für eigene Veranstaltungen zur Verfügung stellte. Mit einem ansprechenden kulturellen Programm wurde die Stiftung als Partnerin für soziale Akteure vorgestellt, die „der Förderung des respektvollen Miteinanders als unabdingbarem Kitt einer starken Zivilgesellschaft verpflichtet“ ist (Einladungsschreiben). Mit innovativen religiösen, sozialen und kulturellen Projekten will sie zum inner- und interkonfessionellen Frieden beitragen.

Hauptinitiatoren sind der marokkanischstämmige Berliner Imam Abdul Adhim (Abdel Hadime) Kamouss und der frühere Bundesligaprofi Änis Ben-Hatira, unterstützt von 55 Gründungspersonen. Kamouss lebt seit 1997 in Deutschland, studierte an der Technischen Universität in Berlin Elektrotechnik und schloss als Diplom-Ingenieur ab. In früheren Jahren war er regelmäßig Prediger in der salafistisch geprägten Berliner Al-Nur-Moschee und galt neben anderen Predigern wie Pierre Vogel als ein Star der Szene. Nach einem unsäglichen Fernsehauftritt bei Günther Jauch im Herbst 2014 wurde er in der Presse als „Quassel-Imam“ tituliert. Seit einiger Zeit distanziert sich Kamouss von früheren radikalen Haltungen. Er habe einen Wandel durchgemacht und sehe inzwischen vieles selbstkritisch, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er möchte junge Menschen darin bestärken, von radikalen Interpretationen des Islam Abstand zu nehmen. Die Islamismusexpertin Claudia Dantschke bestätigt dies und sieht den 41-jährigen damit in einer wichtigen Rolle „als Leitfigur für alle diejenigen, die eine friedliche und integrative Form suchen, den Islam zu leben“. Aufgrund seiner Bekanntheit innerhalb der salafistischen Szene und seiner Kenntnisse der bei der Radikalisierung von jungen Menschen relevanten Themen sei er ein einzigartiger Partner in der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit (Empfehlungsschreiben, 2016). Für seine Positionen hat Kamouss aus radikalen Kreisen auch Morddrohungen erhalten.

Der Fußballer Änis Ben-Hatira hatte Anfang 2017 seinen Job bei Darmstadt 98 verloren, da er für den Düsseldorfer Verein „Ansaar International e. V.“, der als salafistisch eingestuft und vom Verfassungsschutz beobachtet wird, Geld gespendet und geworben hatte und sich nach öffentlicher Kritik davon nicht distanzieren mochte. Der Deutsch-Tunesier wechselte damals zum türkischen Erstligisten Gaziantepspor. Bei der Berliner Feier wurde nun eine flammende Rede über sein großes Engagement für Kinder und Benachteiligte gehalten. Vermutlich griff Ben-Hatira für die Stiftung in die Tasche, um das anfängliche Grundstockvermögen von 25 000 Euro zu ermöglichen.

Die gemeinnützige Stiftung ist in Treuhand der Maecenata Stiftung, die zum Start eine Anschubfinanzierung gewährt. So konnte etwa ein professioneller Imagefilm gemacht werden, der die künftigen Hauptarbeitsbereiche vorstellt: muslimische Familienberatung, Kinder und Jugend, Musikwerkstatt, Kunst und Kultur, Prävention und Deradikalisierung, die (zu gründende) „deutsche Moschee“. Eine Pfadfindergruppe („Der Muslimische Pfadfinderbund Deutschland“) soll mit Unterstützung von christlichen Pfadfindern aufgebaut werden.

Zu den Grundsätzen der Stiftung gehören ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zum Grundgesetz, die „als mit dem Islam vereinbar“ betrachtet werden, zur Gleichberechtigung von Mann und Frau, zur Unantastbarkeit der Menschenwürde, und „das Recht auf freie Meinungsäußerung und ein selbstbestimmtes Leben“ sowie die Distanzierung von Antisemitismus, Homophobie und Rassismus, ebenso von jeder Form von Gewalt und Extremismus. Spiritualität, Aufklärungsarbeit über den Islam und Abbau von Vorurteilen stehen im Vordergrund.

Die neue Stiftung, bei der sich offenbar viele Muslime mit arabischem Hintergrund und viele deutschsprachige Muslime engagieren, tritt unabhängig von den islamischen Verbänden auf. Das wird wichtig sein, wenn die Menschen erreicht werden sollen, die die Stiftung vor allem im Blick hat. Bedeutsam ist ebenso, dass sie nach ihren Angaben die erste Stiftungsneugründung nicht nur nach deutschem Recht, sondern auch nach islamischen Grundsätzen ist. Die Stiftung Islam in Deutschland könnte damit eine Vorbildfunktion bekommen. Das Stiftungswesen spielt in der Geschichte des Islam eine herausragende Rolle. Auch in anderen Zusammenhängen der Finanzierung gesellschaftlicher Partizipation von Muslimen steht das Thema Stiftungen derzeit hoch im Kurs.

Die Neugründung zeigt sich ambitioniert. Es ist hervorzuheben, dass sie sich nicht auf ausländische Sponsoren stützt. Die Vorstellung ihrer Aktivitäten und was bisher davon zu sehen ist, weist in die richtige Richtung und verdient Unterstützung, sicher auch konstruktive kritische Begleitung. Denn die Arbeit bewegt sich in einem Milieu, das höchste Aufmerksamkeit braucht und zugleich Menschen, die auch sehr nah an gefährdeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind. Dass genau in diesem Bereich auch schwierige Gratwanderungen zu bewältigen sind und besondere Herausforderungen der Kommunikation und Transparenz bestehen, ist wenig überraschend. So bleibt zu hoffen, dass die neue Initiative sich letztlich auch als „eine Art Auffangbecken“ für gefährdete junge Menschen erweist und nicht als „Durchlaufstation“, um zwei Begriffe zu gebrauchen, mit denen Claudia Dantschke vor Jahren die divergierenden Einschätzungen zum Ideengeber Abdul Adhim Kamouss auf den Punkt brachte.


Friedmann Eißler