Stillstand oder Wandel bei der NAK?
(Letzter Bericht: 4/2011, 150 ff) Mehrere Veranstaltungen im Juni 2011 gaben Apostel Volker Kühnle, dem Leiter der Arbeitsgruppe „Kontakte zu Kirchen und Religionen“ der Neuapostolischen Kirche (NAK), die Gelegenheit, zu Fragen der Ökumene öffentlich Stellung zu nehmen: Auf dem evangelischen Kirchentag in Dresden war Kühnle am 3. Juni der Vertreter der NAK bei einer Podiumsveranstaltung im Zentrum Weltanschauungen, die unter der Frage stand: „Wohin steuert die NAK?“ Am 9. Juni trat er als Referent bei einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) Hameln in Erscheinung, wo sein Thema lautete: „Zum Stand der Ökumene aus Sicht der Neuapostolischen Kirche“. Am 17. Juni schließlich nahm er in Darmstadt an einer Podiumsveranstaltung teil, bei der er mit Walter Fleischmann-Bisten, dem Leiter des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim, über das Thema „Neuapostolische Kirche und Ökumene“ diskutierte. Kurz zuvor, am 18. April 2011, war er mit einer Delegation der NAK von Kardinal Kurt Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, in Rom empfangen worden. Ein erster Besuch im Vatikan hatte schon 2008 stattgefunden. Ein weiteres Treffen nach der Veröffentlichung des neuapostolischen Katechismus wurde verabredet.Auf dem Podium der Kirchentagsveranstaltung wurde Kühnle zuerst mit Anfragen zu den Themen Apostelamt, Exklusivität, Endzeitverständnis und Entschlafenenwesen konfrontiert. In seinen Erwiderungen ließ er manche Frage unbeantwortet, betonte jedoch die deutliche ökumenische Öffnung seiner Kirche. Besonders lebendig wurde der Nachmittag mit den ca. 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, als Rückfragen aus dem Plenum an den Apostel gestellt wurden. Wie auch auf den vergangenen Kirchentagen erwies sich die Veranstaltung als ein Forum für Kritiker, die offensichtlich einen NAK-Hintergrund haben. Empörung rief der schroffe Umgang der NAK-Kirchenleitung mit Mitgliedern hervor, die sich kritisch zum Kirchenverständnis geäußert hatten, das im Februar publiziert worden war. Weiter wurden die Botschaft von Stammapostel Bischoff, der 1951 die Wiederkunft Christi zu seinen Lebzeiten angekündigt hatte, und ihre Folgen thematisiert. Auch das Verhalten der NAK-Leitung in der NS-Zeit kam in kritischen Beiträgen zur Sprache. Kühnle bemühte sich um Offenheit und gab bei theologischen Fragen den Hinweis auf den neuen Katechismus der NAK, der 2012 erscheinen soll. Dieses Gespräch lieferte jedoch für die mit der Materie Vertrauten keine neuen Gesichtspunkte.Das war auch bei der ACK-Veranstaltung in Hameln so. Kühnle bezog sich ausdrücklich auf eigene Vorträge sowie auf Ausführungen Peter Johannings, des Sprechers der NAK, und Reinhard Kiefers, des theologischen Beraters des Stammapostels, die schon vorliegen. Es ging also weniger darum, etwas Neues zu präsentieren, als einem fremden Publikum die NAK vorzustellen und im ökumenischen Kontext zu verorten. Bemerkenswert ist, dass der Referent in Bezug auf die ACK ausdrücklich erklärte: „Sowohl die Gespräche auf Landes- als auch auf Bundesebene haben nicht den Antrag auf Mitgliedschaft der Neuapostolischen Kirche in der ACK zum Inhalt. Sie dienen dazu, weiter auszuloten, wie breit die gemeinsame Basis in Glaubensfragen ist, bzw. zu erörtern, inwieweit spezifische Inhalte neuapostolischer Glaubenslehre Ökumene hemmend sein könnten.“Kühnle nahm die Stichworte Apostelamt, Wiederkunft Christi und Entschlafenenwesen auf und deutete den Bezug zu Kirchen-, Amts- und Sakramentsverständnis an. Die Besonderheiten der NAK wurden herausgestellt. Im anschließenden Gespräch wurden bei manchen dieser Fragen die Parallelen zur römisch-katholischen Kirche betont, die nach Meinung der NAK existieren. Im Blick auf die Kontakte zur Ökumene resümierte Kühnle: „Die bisherigen Gespräche ermutigen uns, diese fortzusetzen. Die nach wie vor bestehenden Diskrepanzen in Lehraussagen bedürfen der weiteren vertieften Erörterung im Sinne der ‚Ökumene der Profile’. Der vor dem Abschluss stehende Katechismus unserer Kirche wird dazu notwendig und hilfreich sein.“Im Vorfeld der Abendveranstaltung fand im Gemeindehaus der NAK in Hameln ein Vorgespräch im Kreis der Delegierten für die örtliche ACK statt, an dem auch Vertreter der NAK-Gemeinde Hannover-Mitte teilnahmen. Reinhard Kiefer sprach einleitend zum Thema „Apostolizität“. In seinem Vortrag stellte er die Begründung der NAK für die Apostolizität einer Kirche durch das Wirken gegenwärtiger, von Gott berufener Apostel in ihr dar, die bekanntlich vom evangelischen wie vom katholischen Modell erheblich abweicht und weiterhin für Diskussionen sorgt.Thematisch ähnlich gelagert war nach der Berichterstattung die genannte Veranstaltung am 17. Juni in Darmstadt. Dabei teilte Kühnle aus dem Gespräch mit Kardinal Koch in Rom mit, dass dieser nach Kühnles Ausführungen zum Apostelamt und zum Petrusdienst des Stammapostels gesagt hätte: „Ich sehe, wir haben wirklich noch viel miteinander zu sprechen.“Alle Auftritte erweckten den Eindruck, dass aus Sicht der Leitung der NAK nach den Veränderungen der letzten Jahre ein Schlusspunkt erreicht ist. Selbstbewusst will man mit dem fertig erarbeiteten Katechismus, der im nächsten Jahr erscheinen soll, in die angekündigten Gespräche mit der ACK gehen: „In unseren Gesprächen erwarten wir nicht mehr und nicht weniger: Verständnis, Geduld und Besonnenheit. Dabei gehen wir davon aus, dass an uns keine anderen Anfragen gerichtet werden als an ACK-Mitgliedskirchen.“ Eine weitere Bewegung in Richtung auf die Ökumene durch Wandel, wie sie von manchen innerhalb wie außerhalb der NAK erhofft wird, scheint gegenwärtig nicht möglich zu sein. Ob nun das originär neuapostolische Profil herausgearbeitet ist und es keinen weiteren Veränderungsbedarf gibt, wie von den Offiziellen der NAK in Dresden und Hannover angedeutet wurde, oder ob die Leitung fürchtet, dass bei weiteren Veränderungen die Spannungen innerhalb der Gemeinschaft zu groß werden könnten, muss dabei offen bleiben.
Jürgen Schnare, Hannover