Streit um DVU-Pressereferenten
Der Verein für Germanisches Heidentum (VfGH, vormals Odinic Rite Deutschland) sieht sich in der Neuheiden-Szene schweren Vorwürfen ausgesetzt. Die Vereinigung versuchte mit der Änderung ihres Vereinsnamens im April 2006 zum einen die Loslösung von der rechtsextremen britischen Mutterorganisation zu dokumentieren und zum zweiten die Eigenständigkeit des deutschen Vereins hervorzuheben. Für neuen Zündstoff hat die politische Haltung und das berufliche Engagement eines Mitglieds für die rechtsextremistische Partei Deutsche Volksunion (DVU) gesorgt. Dabei ist der Streit zwischen zwei ursprünglich befreundeten Gruppen eskaliert: Im Oktober 2006 hat der VfGH seine Zusammenarbeit mit der neuheidnischen Gemeinschaft Eldaring eingestellt. Zur Begründung heißt es: „Grund und Anlass für diesen Schritt ist die persönliche Diffamierung und Ausgrenzung eines VfGH-Mitglieds durch den Vorstand des Eldaring, die wir als ein den heidnisch-germanischen Werten der Ehre und Treue verpflichteter Verein nicht hinnehmen können und als Bruch des Eldaring-Vorstandes mit dem VfGH als Ganzes betrachten müssen.“ Was war passiert? Der in Trier ansässige Verein Eldaring, der sich um „die Rekonstruktion der vorchristlichen Religion Europas und Skandinaviens“ bemüht, hatte beschlossen, das Mitglied des Vereins für germanisches Heidentum, Thilo Kabus (Jg. 1966), nicht mehr bei Veranstaltungen zuzulassen. Kabus war von 1984 bis 2003 Mitglied der rechtsextremen NPD1 und ist seit 2004 Leiter der Presseabteilung der DVU-Fraktion im brandenburgischen Landtag, ohne der DVU als Mitglied beizutreten. Ende 2002 schloss sich der gelernte Versicherungskaufmann der damaligen neugermanisch-heidnischen Vereinigung Odinic Rite Deutschland, jetzt „Verein für germanisches Heidentum“, an. Um seine Person gab es im Zusammenhang mit dem 1. Berliner Hexen- und Heidentreffen bereits heftige Auseinandersetzungen (vgl. MD 11/2004, 434f). Noch im Oktober 2003 hatte Kabus in einem Schreiben, in dem er seinen Parteiaustritt aus der NPD erklärt, versichert, dass er nicht beabsichtige, „in absehbarer Zeit in einer anderen politischen Organisation aktiv zu werden“. An späterer Stelle dieses Briefes an den NPD-Verband Oberhavel bekannte er: „Zum Anderen bin ich auch weiterhin demokratischer Nationalist, bin ich auch weiterhin Nationaldemokrat, und sehe derzeit für mich keine Alternative zur NPD. Es ist meine geschwundene politische Identifikation mit der Partei, die eine Mitgliedschaft für mich nicht mehr rechtfertigt.“2
In einer offiziellen Erklärung des Vorstands des Eldaring im Internet (www. eldaring.de) heißt es zu Kabus: „Der Eldaring-Vorstand bedauert, daß bei seinem Allthing 2006 in Berlin ein Mitarbeiter der DVU-Fraktion des Brandenburger Landtags anwesend war, von dessen Kommen im Vorfeld weder der Vorstand, noch die Vereins-Öffentlichkeit in Kenntnis gesetzt wurden. Seine Anwesenheit wurde jedoch hingenommen, um das Gastrecht nicht zu verletzen und dadurch einen Eklat während der Mitgliederversammlung zu vermeiden. Es kann aber kein Zweifel daran bestehen, daß der Eldaring diese Person bei zukünftigen Veranstaltungen aufgrund ihrer Arbeit für eine rechtsextreme Partei und ihrer Lebensgeschichte nicht tolerieren will und kann. Aus diesem Grund stellen wir fest, daß die Anwesenheit dieser Person (und Personen ähnlicher Couleur) weder erwünscht war, noch bei zukünftigen Eldaring-Veranstaltungen erwünscht ist. Wir möchten in aller Klarheit feststellen, daß der Eldaring weder politisch noch in religiösem Rahmen mit Personen zusammenarbeitet oder Beziehungen unterhält, die den Zielen unserer Satzung entgegenarbeiten.“3
Die Gegenerklärung des VfGH ließ nicht lange auf sich warten. Wenige Tage später wandte sich dessen Vorstand entschieden gegen die Ausgrenzung eines seiner Mitglieder und stellte daraufhin die Zusammenarbeit mit dem Eldaring ein. In der vom Vorsitzenden Haimo Grebenstein unterzeichneten Erklärung heißt es: „Im gegenständlichen Fall hat der Vorstand des VfGH keinen Widerspruch zwischen den Vorgaben der Satzung und dem persönlichen Verhalten des Mitglieds festgestellt. Es übt mit seiner beruflichen Tätigkeit ein Recht aus, das jedem Bürger zusteht. Dieses Recht kann und will ihm der VfGH nicht nehmen.“4 Damit bleibt der Umgang mit rechtsextremen Personen im neuheidnisch-germanischen Milieu nach wie vor umstritten. Auffällig ist: Formal versucht der Verein für germanisches Heidentum mit der Namensänderung und organisatorischen wie personellen Veränderungen im Vorstand den innerhalb der Neuheiden-Szene gegenüber dem ORD erhobenen Vorwurf des Rechtsextremismus5 zu entkräften. Er hat seit seiner Umbenennung auch einige interne Veränderungen vorgenommen. Bereits 2004 wurden eine neue Struktur „aus Gruppen, Herden und Gilden“ und ein „Wahlpriestertum“ in organisierter Form geschaffen. Beim Vereinstreffen, dem sog. „Bundesthing“ im Frühjahr 2006 wurde die Namensänderung einstimmig beschlossen. Der bisherige Vorsitzende Volker G. Kunze legte nach eigenen Angaben „aus privaten Gründen sein Amt nieder“. Zum neuen Vorsitzenden mit dem Titel „Esago“ wurde Haimo Grebenstein aus Königstein (Bayern) gewählt. Zweiter Vorsitzender („Ewart“) ist der Journalist Fritz Steinbock (Linz/Österreich), der auch für das Ritualwesen zuständig ist. Das Amt des „Gemeinschaftswarts“ hat Torsten Bücker (Hamm) inne. Die Internetseite des Vereins nennt als regionale Treffpunkte in Deutschland Hamburg, Hamm und Bayern.
Über die Ziele des Vereins gibt die Satzung Auskunft: „Der Verein für Germanisches Heidentum e.V. (VfGH) versteht sich als naturreligiöse Gemeinschaft auf Grundlage der überlieferten, vorchristlichen germanischen Religion und Kultur. Er folgt dabei der Leitidee eines freien Heidentums, das verschiedene individuelle Ausprägungen unter einem gemeinsamen Ziel vereinigt. Dies bedeutet, dass der VfGH gemäß dem undogmatischen und für individuelle Erfahrungen offenen, zugleich aber gemeinschaftlichen Charakter der historischen Tradition die persönliche Religiosität seiner Mitglieder nicht beeinträchtigt, seine gemeinschaftliche Tätigkeit aber auf das alle seine Mitglieder verbindende Interesse am germanischen Heidentum konzentriert. Allen Mitgliedern des VfGH steht es frei, auch andere religiöse Inhalte und Praktiken in ihrem privaten Bereich zu integrieren bzw. auszuüben, der VfGH als Gemeinschaft widmet sich in seiner offiziellen Tätigkeit aber ausschließlich der Ausübung des traditionellen germanischen Heidentums in heutiger Zeit.“6 Eigenen Angaben zufolge sieht sich der Verein drei Konzepten verpflichtet: „traditionelles germanisches Heidentum in heutiger Zeit“, „Leitidee freies Heidentum“ sowie dem Selbstverständnis als „ethnischer Naturreligion“. Als „Hausverlag“ des Vereins gilt der Verlag Daniel Junker, der u.a. Bücher von VfGH-Mitgliedern sowie das „Heidnische Jahrbuch“ publiziert.7
Die Auseinandersetzungen um die Person des DVU-Pressereferenten zeigen einmal mehr, wie zerstritten die Kleingruppen und wie unterschiedlich die politischen Einstellungen im neugermanischen Heidentum sind. Besonders wird in Zukunft darauf zu achten sein, inwieweit die neugermanisch-heidnische Orientierung für eine rechtsextreme politische Einstellung der Anhänger förderlich ist. Eine andere Frage ist, ob neugermanisch-heidnische Vereine rechtsextremistisches Denken, und sei es in privater Form, in den eigenen Reihen für tolerabel erachten oder nicht. Mit dem Rückzug auf eine angeblich undogmatische Position ist es freilich nicht getan.
Matthias Pöhlmann
1 Vgl. hierzu das im Internet veröffentlichte Schreiben von Thilo Kabus an den NPD-Verband Oberhavel vom 17.10.2003: www.kabus.net/npd-austritt.pdf (19.12.2006).
2 Ebd.
3 Vgl. www.eldaring.de .
4 Vorstandserklärung vom 19.10.2006; im Internet unter www.odinic-rite.de
5 Vgl. den im Internet veröffentlichten Artikel von Berna Kühne-Spicer (Mitglied des Rabenclan – Arbeitskreis für Heiden), Der Odinic Rite Deutsch -land – Neuheidentum im Spannungsfeld neurechter Religiosität, im Internet unter: www.rabenclan.de/index.php/Magazin/Kuehne-SpicerORDInhalt (20.12.2006).
6 Vereinssatzung; im Internet: www.vfgh.de/docs/Satzung_29_04_2006_V2_PDF_Version.pdf (20.12.2006).
7 Im Internet: www.verlag-junker.de .