Streitgespräch zwischen einer religiösen und einer säkularen Weltsicht
So etwas gibt es selten zu lesen: Ein populäres deutsches Wissenschaftsmagazin hat zwei renommierte Naturwissenschaftler zu einem Gespräch über Glauben und Vernunft eingeladen (www.spektrum.de/news/was-haben-glaube-und-vernunft-gemein/1587770 ). Streit war zu erwarten, weil eine Gesprächspartnerin ehrenamtlich in einer evangelikal orientierten Freikirche engagiert ist, ihr Gegenüber im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung sitzt: Barbara Drossel ist als Professorin für Theoretische Physik an der Technischen Universität Darmstadt tätig, der Biologe Volker Sommer arbeitet als Primatenforscher an einer Londoner Universität.
Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die erste Frage nach der Existenz Gottes sehr unterschiedlich beantwortet wird. Das Streitgespräch kreist weiter um Fragen von Möglichkeiten und Grenzen des wissenschaftlichen Verstehens der Welt. Auch unterschiedliche Bewältigungsformen der Endlichkeit, die Ursache menschlichen Leids und die Wurzeln für moralisches Verhalten kommen zur Sprache. Während der Agnostiker Sommer bestreitet, dass sein Leben einen Sinn benötige, war die religiöse Beantwortung der Sinnfrage für die Christin Drossel der entscheidende Anlass, zum Glauben zu finden.
Auch wenn manche Fragen in dem Gespräch nur kurz angesprochen werden, sind der sachliche Ton, die persönlichen Antworten und der spürbare gegenseitige Respekt der beiden Wissenschaftler bemerkenswert. In unserer Gesellschaft werden mehr derartige Begegnungsmöglichkeiten benötigt, bei denen sich Menschen mit gegensätzlichen Sinnorientierungen und Weltanschauungen neugierig, offen und fair austauschen und voneinander lernen können. Dadurch könnten Vorurteile abgebaut, das Verständnis für fremden Glauben verbessert und die eigene Überzeugung modifiziert oder aber bestärkt werden.
Michael Utsch