The Cambridge Companion to Atheism
Michael Martin (Hg.), The Cambridge Companion to Atheism, Cambridge University Press, Cambridge 2007, 331 Seiten, 25,05 Euro.
Wer eine grundlegende Einführung in die Welt des Atheismus sucht, dem sei dieser von Michael Martin, Boston, herausgegebene Sammelband empfohlen. Auf dem deutschsprachigen Markt fehlt ein entsprechendes Werk. Das Buch bezieht Position. Eine Kapitelüberschrift bringt es auf den Punkt: „The Case against Theism“. Unter Gott wird ein persönlicher Gott verstanden, der ein aktives Interesse an dieser Welt hat und sich den Menschen offenbart. Die Verhandlung gegen Gott wird in drei Kapiteln und 18 Aufsätzen ausgetragen. Dabei ist die Entwicklung der Argumente eine besondere Stärke des Buches.
Eingangs erfährt man vom Schicksal des Atheismus in der Antike, der als Religionskritik begann, aber seit dem Hellenismus zu einem Diffamierungsbegriff religiöser Parteien mutierte (Jan N. Bremmer). Gavin Hyman versteht den modernen Atheismus als Folge spezifisch neuzeitlicher Gotteskonzeptionen. Gott wurde theologisch zu einem Teil der sich selbst erklärenden Welt (Descartes, Newton) und ergo innerhalb der Grenzen der Vernunft überflüssig. Phil Zuckerman betont in seinem Überblick über die Verbreitung atheistischer Überzeugungen, dass sich westliche Gesellschaften durch Wohlstand, hohe Bildung und nachlassende theistische Überzeugungen auszeichnen. Die niedrige Atheismusquote der US-Amerikaner erklärt er mit der mangelnden sozialen Sicherheit.
Das zentrale Kapitel „The Case against Theism“ behandelt kosmologische und ethische Fragestellungen. Es wird mit Ausführungen des christlichen Philosophen William L. Craig eröffnet, der mit Mitteln der analytischen Philosophie kosmologische, teleologische und moralische Gottesbeweise aktualisiert. Richard M. Galeversucht hingegen, die logische Unstimmigkeit dieser Beweise aufzuzeigen. Von kausalen und plausiblen Möglichkeiten könne nicht auf eine Notwendigkeit Gottes geschlossen werden. Keith Parsons schließt die Auseinandersetzung mit dem aktuellen philosophischen Theismus ab. Er bestreitet die These, dass Unglaube eine kognitive Fehlfunktion sei (Plantinga), und bezweifelt die Stringenz eines kosmologischen Wahrscheinlichkeitsbeweises für die Existenz Gottes (Swinburne). Die folgenden Aufsätze argumentieren aufgrund einer naturalistischen Welterklärung. Es gebe kein Bewusstsein ohne körperliche Prozesse. Existiere aber ein Gott jenseits dieser Welt, bleibe es fraglich, wie er in eine nachprüfbare Beziehung zu einer ursächlich begründbaren Welt treten könne. Aber selbst wenn das der Fall wäre, wüsste niemand, welcher Gott es sei. Unspektakulär ist der Hinweis, dass Gott zur Begründung der Ethik unnötig sei: Dinge sind gut, weil sie gut sind, und nicht erst, weil Gott sie will. Schlüssig sind die Darlegungen, in denen aufgezeigt wird, dass der Widerspruch zwischen der Allmacht und Güte Gottes und dem tatsächlichen menschlichen, aber auch tierischen Leid durch keine Theodizee zu schließen sei. Präzise analysiert Quentin Smith die aktuellen kosmologischen Debatten. Wenn es gelte, dass Zeit und Raum die Kausalität bedingen, dann sei es physikalisch unmöglich, eine erste Ursache, Gott, vor dem Universum zu formulieren.
Das dritte Kapitel verbindet den Atheismus mit verschiedenen Kontexten: Die Flexibilität des Religionsbegriffs ermöglicht es, atheistische Religionen zu entdecken. Genannt werden Jainismus, Buddhismus und Konfuzianismus. Ein Staatsrechtler erhellt die Gemengelage von säkularen Verfassungen und staatlicher Förderung von Religion. Die Demontage atheistischer Metaphysik hält ein Aufsatz über den Dekonstruktionalismus bereit. Ein Anthropologe zerlegt die klassischen Theorien zur Entstehung von Religion, um dann recht naiv Glauben als unintendierten Effekt evolutionärer Prozesse zu beschreiben.
Den stimmungsvollen Ausklang markiert das psychologische Profil des Atheisten an sich: Er ist von hoher Intelligenz, Toleranz und hat ein großes wissenschaftliches Interesse. Da Benjamin Beith-Hallahmi sich auf Umfragen stützt, sind ihm leider die geschichtlichen Gegenbeispiele entgangen.
Robert Giesecke, Schöningen