Claudia Dichter, Hans Günter Golinski, Michael Krajewski, Susanne Zander (Hg.)

The Message. Kunst und Okkultismus, Art and Occultism

Claudia Dichter, Hans Günter Golinski, Michael Krajewski, Susanne Zander (Hg.), The Message. Kunst und Okkultismus, Art and Occultism. Mit einem Essay von André Breton, Kunstmuseum Bochum, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2007, 192 Seiten, 28,00 Euro.


Der moderne Okkultismus hat in letzter Zeit durch eine Vielzahl von kulturwissenschaftlichen Untersuchungen, durch Audio-Books und Bildbände neue Aufmerksamkeit gefunden. Gleich mehrere Ausstellungen waren in den letzten Jahrzehnten dem Übersinnlichen gewidmet: The Spiritual in Art im Los Angeles County Museum (1986), Okkultismus und Avantgarde in der Kunsthalle Frankfurt/Main (1995) und The Perfect Medium: Photography and the Occult im New Yorker Metropolitan Museum of Art (2005).

Der vorliegende Band erschien anlässlich der gleichnamigen Ausstellung, die vom 16. Februar bis zum 13. April 2008 im Kunstmuseum Bochum stattfand. Der Katalog ist zweisprachig (Deutsch/Englisch) gehalten und anschaulich gestaltet. Die einzelnen Abschnitte gehen den Einflüssen des Übersinnlichen und Okkulten in der Kunst des späten 19. und des 20. Jahrhunderts nach. Gezeigt werden Bilder, Geisterbilder und Geisterfotos als Ausdrucksformen einer „mediumistischen Kunst“, die eine eigene Ästhetik entfaltete. Die Bochumer Ausstellung unternimmt nach eigenen Angaben „erstmals den Versuch, Dokumente aus allen medialen Bereichen – Malerei, Zeichnung, Fotografie, Ton- und Filmaufnahme – vorzustellen“ (12). Dokumentiert wird „das offenkundige Fantasiepotenzial medialer Beeinflussung“. In seinem Beitrag „Der Eintritt des Mediumismus in die Kunstgeschichte“ stellt der Kunsthistoriker Peter Gorsen auffällige Übereinstimmungen zwischen Surrealismus und Okkultismus fest: „Surrealisten und Okkultisten haben im Unbewussten des seelischen Lebens ein gemeinsames Forschungsgebiet mit ähnlichen Erwartungen und Enttäuschungen. Sie glauben an die Macht menschlicher Wunschregungen, die sich in Träumen und Fantasien mehr oder weniger verhüllt ausdrückt“ (18).

Der Band zeigt Bildwerke von zu ihrer Zeit hoch berühmten Medien wie Hélène Smith (1861-1929), Georgiana Houghton (1814-1884), Victorien Sardou (1831-1908) oder Augustin Lesage (1876-1954). Zu sehen sind auch Werke der Schwedin Hilma af Klint (1862-1944), die nahezu in Isolation frühe abstrakte Kompositionen parallel zu Wassily Kandinsky entwickelte. Bereits als Kind zeigte sie eine spiritistische Begabung und nahm später regelmäßig an Séancen teil. Klint gründete einen Frauenzirkel für spiritistische Zusammenkünfte, in denen sich verschiedene Geister sowie deren Stellvertreter und Assistenten zu Wort meldeten. Später wurde ihr mitgeteilt, sie werde eine neue Botschaft übermitteln. Jahre später wandte sich die überzeugte Spiritistin von ihren Geistführern ab und kam mit der Anthroposophie Rudolf Steiners in Kontakt. Ihre Malerei stand nunmehr im Zeichen eines bewussten kreativen Prozesses. Das Gesamtwerk der 1944 Verstorbenen umfasst rund 1000 Arbeiten und wird von der Hilma-af-Klint-Stiftung in Stockholm verwaltet.

Auch heute noch sehen sich Künstler unter höherem Einfluss. Die Berlinerin Vanda Vieira-Schmidt (Jahrgang 1949) sieht sich etwa als „Über-Medium“, als „Gott“. Nach mehreren Aufenthalten in der Psychiatrie fertigt sie seit Mitte der 1990er Jahre täglich Zeichnungen mit magischen Mustern und Zeichen an, die sie in einer bestimmten Anordnung auf einem Podest zu meterhohen Türmen stapelt. Seither soll die Installation mit dem Titel „Weltrettungsprojekt“ über eine halbe Million Din-A4-Blätter umfassen. Nach Mitteilung der Künstlerin soll ihr Werk erst dann beendet sein, wenn Friede auf Erden herrsche (120).

Zwei weiterführende Aufsätze der beiden Herausgeber des Audio-Books „Okkulte Stimmen“ (vgl. die Rezension in MD 2/2008, 77f) runden den Kunstband ab. So konzentriert sich der Mitarbeiter am Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP), Andreas Fischer, auf die „Geister“-Forschung des Münchener Arztes und Hypnotherapeuten Albert von Schrenck-Notzing (1862-1929). Zum Stichwort „Okkulte Stimmen“ erläutert Thomas Knoefel die verschiedenen übersinnlichen Phänomene wie Trance-Reden, Raps, Glossolalie, Electronic Voice Phenomena (EVP).

Insgesamt ist der vorliegende Band sehr zu empfehlen. Er bietet neben vielfältigem Anschauungsmaterial und biografischen Kurzportraits zu einzelnen Künstlern weiterführende Analysen für das bislang nur wenig untersuchte Beziehungsgeflecht von moderner Kunst und Okkultismus.


Matthias Pöhlmann