Christopher M. Moreman (Hg.)

The Routledge Companion to Death and Dying

Christopher M. Moreman (Hg.), The Routledge Companion to Death and Dying, Routledge Religion Companions, London 2017, 594 Seiten, 141,46 Euro.

Die Veröffentlichung sog. Handbooks, Companions und Reader erfreut sich in der englischsprachigen Welt derzeit besonderer Beliebtheit. Fast alle großen Wissenschaftsverlage, wie Wiley-Blackwell, Cambridge University Press oder Routledge, haben solche Reihen im Programm. Während Handbooks einen Themenbereich systematisch erschließen sollen, stellen Companions oftmals Sammlungen von Essays zu einem Thema dar, die jedoch das Themenfeld nicht vollständig abzudecken suchen. Reader wiederum präsentieren zumeist klassische Forschungsliteratur, oftmals in gekürzter Fassung und mit erklärender Einführung. Die Grenzen der Gattungen sind jedoch fließend, insbesondere zwischen Handbook und Companion.

Der vorliegende Band erschließt das Themenfeld Sterben und Tod im Stil eines Handbuchs. 52 Aufsätze werden präsentiert, die sechs Teilen zugeordnet sind. Jeder Beitrag umfasst recht genau zehn Seiten, inklusive Literaturangaben sehr unterschiedlichen Umfangs.

Im ersten Teil geht es um Todes- und Jenseitsvorstellungen in unterschiedlichen religiösen Traditionen. Den Bestattungspraktiken sind teilweise, so etwa für das Judentum und den Islam, eigene Aufsätze gewidmet. Das ausgewählte Spektrum der besprochenen Religionen ist breit angelegt. So finden sich Beiträge zu den Mormonen und der Raël-Bewegung, aber auch ein allgemein ausgerichteter Überblicksartikel zum Umgang mit Tod und Sterben in neuen religiösen Bewegungen.

Der zweite Teil befasst sich in systematisch vergleichender Perspektive mit Himmels- und Höllenvorstellungen, Reinkarnation, Mystik, amerikanischer Friedhofskultur, Kremation, Mumifizierung und digitalem Totengedächtnis.

Der dritte Teil fasst Aufsätze zusammen, die Schwellenzustände, wie Nahtoderfahrungen und sog. Erinnerungen an frühere Leben, und Schwellenwesen, gemeinhin als Dämonen, Engel oder Geister bezeichnete Wesenheiten, thematisieren.

Der vierte Teil präsentiert Beiträge, die sich des Sterbeprozesses annehmen. Hierbei finden sich sowohl naturwissenschaftlich ausgerichtete Texte, etwa zur Frage der Definition des Todes oder des Sterbeprozesses, als auch kulturwissenschaftlich ausgerichtete Aufsätze, etwa ein kulturvergleichender Beitrag zu Trauerpraktiken oder ein Essay über das Verständnis eines „Guten Todes“ im Kontext der Palliativmedizin.

Der fünfte Teil enthält heterogene Aufsätze, die der Herausgeber unter dem Stichwort „ethische Überlegungen“ zusammenfast. Hierbei handelt es sich um Beiträge zu Abtreibung, Suizid, Martyrium und der Psychologie des Massen- und Serienmordes.

Die Beiträge des sechsten Teils befassen sich mit methodischen Zugängen zu Tod, Sterben und Begräbnis. Die Autorinnen und Autoren stellen Forschungszugänge aus Philosophie, Ethnologie, Archäologie und im abschließenden Aufsatz aus Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte vor.

Die Skizze des Inhaltes zeigt, dass der Band ein breiteres Themenspektrum bietet, als man in einem Handbuch, das in einer Reihe mit dem Titel „Religion Companions“ erscheint, vielleicht erwarten würde. Das Werk umfasst auch ein ausführliches Schlagwortregister. Die Autorinnen und Autoren stammen fast alle aus dem englischsprachigen Raum. Dies spiegelt sich in der ausgewählten Literatur und der Aufarbeitung der Themen deutlich wider. So finden sich fast nur englischsprachige Publikationen – und diese erscheinen zumeist recht selektiv ausgewählt – in den Literaturverzeichnissen. Ausnahmen im Blick auf die internationale Ausrichtung bilden die Beiträge der französischen Sinologin Adeline Herrou, die in ihrem Aufsatz zu zeitgenössischen daostischen Jenseitsvorstellungen und Bestattungspraktiken auch auf französische Literatur verweist, und des Indologen Peter Flügel über das entsprechende Thema im Kontext der Jain.

Die konsequent durchgeführte Begrenzung auf zehn Seiten hat in einzelnen Beiträgen dazu geführt, dass diese geradezu „abgehackt“ erscheinen. Dies ist beispielsweise bei dem Aufsatz Diana Walsh Pasulkas der Fall, der sich mit katholischer Eschatologie befasst. Es stellt sich die Frage, warum nicht auf die durch Karl Rahner und Ladislaus Boros in der Mitte des 20. Jahrhunderts angestoßene neuere Theologie des Todes und deren internationale Rezeption und Weiterführung in zeitgenössischer katholischer Theologie eingegangen wird. Der Beitrag hat infolge dieser Auslassung einen stark historisierenden Charakter. Aber auch andere Aufsätze thematisieren aufgrund ihres knappen Umfangs nicht einmal Grundlegendes. So erscheint es erstaunlich, dass der Beitrag von John Edgar Browning über Untote, der bereits ausdrücklich einengend einen Fokus auf literarische und filmische Darstellungen legt, weder Friedrich Wilhelm Murnaus stilbildenden Film „Nosferatu – Symphonie des Grauens“ noch – im Zusammenhang mit den im Beitrag thematisierten weiblichen Vampiren – Mircea Eliades Vampirnovelle „Fräulein Christine“ nennt. Mit diesen Hinweisen auf etwas zu wenig ausbalancierte Beiträge soll aber nicht gesagt werden, dass sich das Problem durch alle Aufsätze hindurchziehe. Die Hinweise machen aber deutlich, dass manche Beiträge etwas auf Abwege führen können, wenn sie allzu leichtfertig als Erstinformation genutzt werden.

Das Buch umfasst auch hoch interessante Beiträge, und dem Herausgeber ist es mithilfe der feinen thematischen Abgrenzungen und inhaltlichen Vorgaben gelungen, Artikel zu vereinen, deren Inhalt sich gut vergleichen lässt. Dies trifft insbesondere auf die deskriptiven Beiträge des ersten Teils zu. Außerdem werden Themen herausgearbeitet, die in ähnlichen Handbüchern wenig Beachtung finden und neue Impulse setzen. Hoch interessant ist etwa Lesley A. Sharps Aufsatz, in dem sie der Frage nachgeht, wie Menschen, die durch eine Transplantation Organe von Verstorbenen erhalten haben, mit dieser Situation umgehen und in welche Formen von Beziehungen sie mit dem toten Spender treten. Auch die Analyse digitaler Formen des Totengedenkens, wie sie Candi K. Cann vornimmt, eröffnet ein Forschungsfeld, das sicherlich in Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Beide Aufsätze werfen Anfragen an die seelsorgerliche Praxis auf: Wie ist der Umgang von Seelsorgern mit Menschen, die Transplantationserfahrungen verarbeiten müssen, und wie können Formen digitalen Totengedenkens kirchlicherseits begleitet oder ermöglicht werden?

Das Buch ist somit nicht nur ein weiteres Nachschlagewerk auf dem Buchmarkt, sondern einige Artikel zeigen neue Forschungsfelder und Fragen für die Zukunft auf. In diesen Beiträgen, von denen nur zwei exemplarisch genannt wurden, liegt die Stärke des vorliegenden Bandes.


Harald Grauer, Sankt Augustin