Atheismus

Themen des Atheismus

Exemplarisch werden die Themen des Atheismus etwa in der neuesten Ausgabe des Politischen Magazins für Konfessionslose und AtheistINNEN (MIZ 2/12, www.miz-online.de) deutlich. Das Schwerpunktthema „Perspektiven des transnationalen Atheismus“ – gewählt in Anknüpfung an eine internationale Tagung, die im Mai 2012 in Köln stattfand – gibt Anlass, die grundlegenden Forderungen atheistischer Organisationen gleich auf die Titelseite zu schreiben: Trennung von Religion und Staat, Weltanschauungsfreiheit, Eintreten für eine säkulare Welt, für die Gleichberechtigung der Frauen, Kampf gegen religiös motivierte Verfolgung, Eintreten für die Menschenrechte. Keine dieser Forderungen ist freilich allein charakteris­tisch für Konfessionslose und Atheisten. Nur im Zusammenhang ihrer religions- und kirchenkritischen Deutung lassen sie sich als atheistisch identifizieren.

Das Thema „Diskriminierung und Verfolgung“ bestimmt die zentralen Ausführungen. Differenzen zwischen der Situation in Europa und dem globalen Kontext werden thematisiert: „Während die einen – in der westlichen Welt – diese Diskriminierung „nur“ im Alltag oder in der Ausübung ihres Berufes erfahren, erleben andere in Teilen Afrikas und Asiens eine Bedrohung ihres Lebens und den Verlust ihrer Heimat“ (4). Auch in den USA würde die verfassungsmäßig festgelegte Trennung von Staat und Kirche nicht immer respektiert, sondern aufgeweicht. Als problematische „religiöse Fraktion“ trete neben den protestantischen Evangelikalen auch die römisch-katholische Kirche in Erscheinung. Die globale Perspektive zur Situation von Atheistinnen und Atheisten wird auch im Blick auf die Philippinen und auf „Staaten der islamischen Welt“ thematisiert. Ein Ergebnis lautet: „Die Situation von tatsächlich oder vermeintlich Ungläubigen verschlechterte sich im 21. Jahrhundert in vielen Staaten“ (16).

Neben dem Diskriminierungsthema, das eher durch Einzelstimmen als durch präzise Analysen des politischen, sozialen und religiösen Kontextes präsentiert wird, konzentrieren sich viele weitere Beiträge auf die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter anderem geht es um die Anwendung der Scharia in Deutschland, um salafitische Ausprägungen des Islam, um das kirchliche Arbeitsrecht, das als diskriminierend bezeichnet wird, und um die Kirchenfinanzierung in Österreich, zu der im September ein neues Buch von Carsten Frerk erscheinen soll. Von Michael Schmidt-Salomon wird berichtet, dass er pointiert für eine „Schulbildung ohne Religion und Aberglauben“ eintritt und sich wünscht, dass die „Vermittlung wissenschaftlicher Prinzipien gemeinsam mit der Erarbeitung ethischer Werte ... in den Fokus aller atheistischen Organisationen rücken“ (9) sollte.

Die neueste Ausgabe des Magazins für Konfessionslose macht deutlich: Erst in den Anfängen befindet sich der Versuch, die eigenen politischen Interessen in einen internationalen Kontext zu stellen. Bemerkenswert ist auch: Antikirchliche und antireligiöse Affekte sind so ausgeprägt, dass Kirchen und Religionen als mögliche Bündnispartner beim Eintreten für die universale Gültigkeit der Menschenrechte erst gar nicht in den Blick kommen. Der neuzeitliche Atheismus entstand in Ländern und Gesellschaften, die durch das Christentum geprägt wurden. Er ist insofern ein Phänomen mit geografischer Begrenzung, obgleich nichttheistische Überzeugungen auch in anderen Kulturen und im Zusammenhang nichtchristlicher Religionen verbreitet sind. Wenn es um „Perspektiven des transnationalen Atheismus“ gehen soll, reichen Protest und Widerspruch gegen Religion und Kirche als zentrales Identitätsmerkmal atheistischer Verbände einfach nicht aus. Erfahrungen und Begegnungen in der globalisierten Welt tragen dazu bei, die europäischen Konstellationen in einen größeren Kontext einzuordnen. Es bleibt abzuwarten, ob atheistische Verbände bereit sein werden, ihre Anliegen in globaler Perspektive neu zu bedenken und zu bestimmen. Denn Säkularisierung als Distanzierungsprozess von Religion und Kirche ist keineswegs ein weltweites Phänomen. Mit guten Gründen sprechen Religionssoziologen beim Thema „Religion und Moderne“ vom „europäischen Exzeptionalismus“ und von der „Rückkehr der Religionen“.


Reinhard Hempelmann