Esoterik

Thorwald Detlefsen ist tot

(Letzter Bericht: 8/2009, 310f) Wie erst verspätet bekannt wurde, ist der Münchener Esoterik-Bestsellerautor Thorwald Dethlefsen am 1. Dezember 2010 im Alter von 63 Jahren in Wien verstorben. Mit einer Vielzahl von esoterischen Büchern hatte sich der Diplom-Psychologe in der Vergangenheit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. In den letzten Jahren war es aber still um ihn geworden. Es heißt, der prominente Esoteriker habe die letzten Jahre, abgeschieden von der Öffentlichkeit und nur von engen Getreuen umgeben, in Wien verbracht, nachdem er zwei Schlaganfälle erlitten hatte. 2009 wurde der von ihm in München errichtete „Tempel des Allerhöchsten“ abgerissen.Zuletzt hatte der Magier mit der Gründung von „Kawwana – Kirche des Neuen Aeon“ von sich reden gemacht (vgl. MD 12/1999, 353-362). Nachdem Dethlefsen 2003 das Ende dieser kabbalistisch-magischen „Kirche“, als deren „Vicarius“ er bis dahin firmierte, verkündet hatte, bot er nunmehr private Vortrags- und Seminarveranstaltungen an – zum Teil mit horrenden Teilnahmegebühren.

Dethlefsen wurde am 11. Dezember 1946 in Herrsching bei München geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in München studierte er dort Psychologie. In den folgenden Jahren veröffentlichte er einige Bücher, die zum Teil in mehreren Auflagen erschienen und immer wieder neu aufgelegt werden: „Das Leben nach dem Leben – Gespräche mit Wiedergeborenen“ (1974), „Das Erlebnis der Wiedergeburt“ (1976), „Schicksal als Chance – Das Urwissen zur Vollkommenheit des Menschen“ (1979), „Krankheit als Weg – Deutung und Bedeutung der Krankheitsbilder“ (1983, zusammen mit Ruediger Dahlke), „Ödipus der Rätsellöser“ (1990).Im Jahr 1968, noch während des Psychologiestudiums, begann Dethlefsen in einem hypnotisierten Menschen Erinnerungen an frühere Erdenleben freizusetzen. Dies bestärkte den Psychologiestudenten darin, dass solche Rückerinnerungen psychotherapeutisch wirksam sein können. Dethlefsen entwickelte das Konzept der sogenannten Reinkarnationstherapie, die er in seinem 1973 gegründeten „Privatinstitut für außerordentliche Psychologie“ zu lehren und mit Vorträgen, Kursen und Seminaren zu vermitteln begann. In jenen Jahren fing Dethlefsen an, sich intensiv mit Esoterik zu befassen. Er tauchte ein in die Welt der Astrologie, der Kabbala, des Tarot, der Alchemie und der Magie. Schließlich entwickelte er daraus das Konzept einer „esoterischen Psychologie“.

Wichtige Impulse für sein späteres esoterisches Lehrgebäude wurden ihm von dem Münchener Astrologen Wolfgang Döbereiner (Jahrgang 1928) zuteil sowie von dem Esoteriksammler und Medium Oskar R. Schlag (1907-1990), der auch der Hermetischen Gesellschaft in Zürich angehörte.Dethlefsens Bücher erreichten viele Leser – auch außerhalb des esoterischen Spektrums. Keinen Hehl machte der Reinkarnationstherapeut aus seiner Überzeugung, es gebe ein „hartes“ Karma-Gesetz: „Die Bedingungen und Ereignisse, in die ein Mensch hineingeboren wird, sind die Summe der Konsequenzen aus früherem Tun. Wir tragen die Verantwortung für unser Schicksal, wir können es nicht ändern – aber wir können daraus lernen. Je mehr Zusammenhänge wir kennen, desto bewusster werden wir unsere Entscheidungen treffen“ (T. Dethlefsen, Konsequenzen, in: Kawwana – Kirche des Neuen Aeon, unveröffentlichte Broschüre, ca. 2000/2001, EZW-Archiv).

Gnadenlos rechnete Dethlefsen mit zeitgenössischen populären und kommerzialisierten Formen des Esoterik-Marktes ab, die er als „Kinderei“ betrachtete: „Die Mischung unverdauter Weisheitslehren aus allen Zeiten und Kulturen mit New Age Phantasien und sogenannter Lebenshilfe ist ein unbekömmlicher Brei, der trotz der kräftigen Würze mit zuckersüßen Phrasen niemanden zur Erlösung, sondern allein in den Wahn führt“ (T. Dethlefsen, Esoterik, ebd.). Der wahre Esoteriker strebe eine elitäre Denkform an, wobei ihm Einweihung und Geheimnis zunehmend wichtig würden.Für viele seiner Weggefährten und Anhänger kam Dethlefsens Ankündigung zur Jahrtausendwende überraschend, er sei zum Vicarius, zu einer Art Offenbarungsempfänger – wie einst Mose – auserkoren worden. Ein Teilnehmer stellte anlässlich der ersten magischen Arbeit von Kawwana bei der öffentlichen Diskussionsrunde im Oktober 1999 in München die entscheidende Frage: „Herr Dethlefsen, jahrelang haben Sie uns vor selbsternannten Gurus gewarnt, sind Sie nun selbst einer?“ Davon ließ sich der Esoteriker nicht beirren. Der Autor dieser Zeilen ist ihm knapp zwei Jahre später in der bayerischen Landeshauptstadt anlässlich eines Gemeindevortrags über Kawwana persönlich begegnet. Im anschließenden Gespräch gab sich Dethlefsen konziliant. Doch er ließ keinen Zweifel an seiner Sendung und noch weniger an seinem magischen Anspruch aufkommen. Damit gelang es ihm, andere Menschen in seinen Bann zu ziehen.

Viele sind seinem Charisma erlegen, andere haben sich von ihm abgewandt. Bei aller notwendigen Kritik an Dethlefsens Reinkarnationskonzept und seiner magisch-rituellen Orientierung bleibt festzuhalten: Die westliche Esoterik in Deutschland ist um einen Vordenker ärmer.


Matthias Pöhlmann