TM-Film „David Wants to Fly“
Im Februar 2010 war Premiere auf der Berlinale, seit Mai ist der Dokumentarfilm (89 Min.) in den Kinos. Der Debütfilm des Berliner Jungregisseurs David Sieveking (geb. 1977) ist nach eigenen Worten eine Reise mit offenem Ende. Auf dieser Reise geht es um Transzendentale Meditation (TM), die Suche nach den Quellen ihrer Inspiration und ebenso bizarre wie ernüchternde Einblicke in die Organisation der „größten New-Age-Sekte der Welt“ (Magazin „Cicero“). Und es geht um die beiden Davids: den jungen, der mit einer interessanten Melange aus „investigativem Roadmovie“ und Enthüllungsfilm seinen persönlichen Selbstfindungstrip inszeniert, und den älteren, David Lynch, US-Kultregisseur, der als überzeugter TM-Botschafter in aller Welt und zeitweise Idol des Nachwuchstalents so etwas wie die Hauptperson des Films ist. Der junge schließt sich auf Anregung des älteren für einige Zeit der TM-Bewegung an, um in der Meditationslehre des 2008 verstorbenen Gurus Maharishi Mahesh Yogi den Schlüssel zur Kreativität zu suchen.
Lynch spricht im Interview von der positiven Macht des Meditierens, von der Schaffung des Himmels auf Erden, von Unbesiegbarkeit (ein zentraler TM-Begriff), die durch die Verbindung von innerer Stille und Aktivität erreicht werden soll, so dass keinerlei Negativität mehr entstehe. Sieveking macht den Selbstversuch – und die Kamera ist immer dabei, vier Jahre lang. Mit einer gehörigen Portion Selbstironie erzählt er als Ich-Erzähler und ohne besondere Effekte, wie er zwar nicht Religion, aber doch Lebenshilfe sucht und dabei immer mehr ins Zweifeln kommt. Er filmt eine delikate Auseinandersetzung um die Autorität in der Bewegung nach dem Tod des Gurus, er dokumentiert den skurrilen Auftritt des Deutschland-Obersten Raja Emanuel Schiffgens im Februar 2008 zur Grundsteinlegung eines Unbesiegbarkeitsturms auf dem Berliner Teufelsberg, er sucht, wohin die hunderte Millionen Dollar fließen, die TM aus Kursen und Spenden erhält – und steht am Ende mitten in Indien vor einer zaungesicherten Geisterstadt, in der von den tausenden Pandits, die hier für die Herbeiführung des Weltfriedens ausgebildet werden sollen, nichts zu sehen ist. „Alles ein ziemlicher Fake“, meint Sieveking im Blick auf die Karriere des Gurus, den schon die Beatles verehrten. Erleuchtung für gutes Geld – Sieveking vermutet hinter TM eher ein erfolgreiches Geschäftsmodell denn eine wissenschaftsbasierte Technik zur Weltverbesserung.
Zum yogischen Fliegen reicht es jedenfalls für ihn letztlich nicht (allerdings sagen auch hochrangige TM-Vertreter im Film, das sei ein „Ziel“ – gesehen hätten sie es selbst noch nicht), und die Transformation der Gesellschaft steht noch aus. Aber der Wunsch, kreativ abzuheben, bleibt – für beide Davids.
Friedmann Eißler