Tvind-Humana: widersprüchliche Reformpädagogik plus Tarnfirmen
Der Tvind-Humana-Konzern ist ein undurchsichtiges, weltweit agierendes Unternehmen, dass als ein kommerzieller Kult eingeschätzt werden muss. Er operiert unter dem Deckmantel verschiedener Institute, Firmen und Einrichtungen, die offiziell Wohlfahrts- und Entwicklungshilfe leisten. Am bekanntesten ist die Altkleiderkette "Humana", deren Zentrale sich in Simbabwe befindet und die auch in Deutschland mit zahlreiche Filialen vertreten ist. Staatliche Prüfungen - so etwa in England - haben ergeben, dass "Humana" zwar einige Vorzeigeprojekte in der Dritten Welt unterhält, zugleich aber Gewinne in Millionenhöhe auf eigene Konten lenkt. Zum "Imperium der Kleidersammler" (Nordhausen/Billerbeck, Psycho-Sekten, Frankfurt a. M. 1999, 205 ff) zählen Dutzende Firmen in Steueroasen, Plantagen in Lateinamerika und Afrika sowie Villen und Apartmenthäuser in Miami Beach.
Im Hintergrund der Tarnfirmen steht offenbar der dänische Alternativpädagoge Mogens Amdi Petersen (geb. 1939). Nach seinem Collegeabschluss arbeitete Petersen in den 60er Jahren als Lehrer. Er fiel durch linksgerichtete politische Aktivitäten in der Anti-Apartheid- und Anti-Atomkraft-Bewegung auf. 1969 wurde er in Flensburg bei einer Demonstration festgenommen und zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er Pflastersteine gegen Polizisten geworfen hatte.
Anfang der 70er Jahre gründete Petersen die Reformschule "Tvind". Als Geschöpf der 68er-Bewegung schien sie alternativpädagogischen Idealen verpflichtet, obwohl der Gründer überzeugter Maoist war und jegliches Privateigentum sowie klassische Zweierbeziehungen ablehnte. Petersen glaubte an das revolutionäre Potential der Dritten Welt und gewann viele Anhänger. Bald schon arbeiteten über 600 Lehrer in den 42 dänischen Tvind-Schulen, die in dem Ruf standen, das Summerhill Dänemarks zu sein. Besonderes Merkmal der Schulen war neben der Verbindung von Erwachsenenbildung mit dem Engagement für die Dritte Welt vor allem die Autorität ihres Leiters, den die dänische Presse "unseren kleinen Fidel Castro" nannte.
Die Basis des rasch wachsenden Schulvermögens bildeten staatliche Zuschüsse, die Tvind kassierte, bis 1996 die Schulen von der dänischen Regierung wegen Betrugs geschlossen wurden. Allerdings schon 1979 verließ Petersen alle offiziellen Posten und tauchte unter, behielt aber nach Insider-Berichten weiter die Führung inne. Wie Aussteiger berichten, verfügt Petersen über eine charismatische Ausstrahlung. Loyalitätsbeweise bis zur Unterwerfung seien an der Tagesordnung gewesen, ebenso finanzielle Ausbeutung und sexueller Missbrauch. Zwei Journalisten haben vor einigen Jahren einen Verein gegen das Tvind-Imperium gegründet, der weitere Firmenmachenschaften und dubiose Geschäftsverbindungen aufdeckte (vgl. www. tvindalert.org.uk). Vor allem aber wollen sie gutgläubige junge Menschen davor warnen, sich von dem karitativen Deckmantel täuschen zu lassen und ausgenutzt zu werden. Obwohl von den Verantwortlichen Verbindungen zwischen den Tvind-Schulen und den Humana-Firmen geleugnet werden, sprechen die Fakten eindeutig dafür (vgl. Nordhausen/Billerbeck a.a.O., 238).
Im April 2001 führten die dänische Polizei und Staatsanwaltschaft eine ihrer größten Operationen in der Nachkriegsgeschichte durch und beschlagnahmte Dokumente und Computer aus der Zentrale und weiteren sieben Tvind-Niederlassungen. Führende Konzern-Mitarbeiter wurden vorübergehend festgenommen. Pressemeldungen zufolge wird nun seit Monaten ein Prozess gegen Petersen vorbereitet - zunächst wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.
Michael Utsch