Interreligiöser Dialog

„Über kleine Gemeinschaften berichten“- interreligiöses Pressegespräch in Münster

Ein interreligiöses Pressegespräch zur Berichterstattung über religiöse Gemeinschaften mit weniger als 50 000 Mitgliedern in Deutschland fand sicherlich nicht zufällig unmittelbar vor dem Katholikentag ebenfalls in Münster statt. Initiiert wurde es vom Pressesprecher der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen), Ralf Grünke, in den Räumen der Münsteraner Mormonen-Gemeinde. Außer ihm stellten sich zwei weitere Pressebeauftragte dem Gespräch: Jens-Oliver Mohr von den Siebtenten-Tags-Adventisten (STA) und Mohammad Dawood Majoka von der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland (AMJ).

Neben religionswissenschaftlichen Vertreterinnen und Vertretern von REMID war ich der einzige kirchliche Weltanschauungsbeauftragte. Auch bei den Pressevertretern war nur die katholisch-konfessionelle Seite vertreten; regionale Journalisten fanden sich keine ein.

Dies entsprach den Erfahrungen, die zur Sprache kommen sollten. Denn – so Mohr im Eingangsstatement – „Kirche“ sei „in Deutschland evangelisch oder katholisch, alles andere ist Sekte“. Zunächst selbstkritisch stellten er und Grünke die eigenen Probleme der Außendarstellung vor: Oftmals seien Pressereferate nur ehrenamtlich besetzt, weshalb ein zügiges und kompetentes Reagieren oft schon personell nicht geleistet werden könne. Darüber hinaus seien die Strukturen ihrer Gemeinschaften von außen oft nur schwer zu erkennen, zugleich aber zeigten ihre Mitglieder ein hohes Mitteilungsbedürfnis. Hieraus resultierten dann die teilweise schlechten Erfahrungen in der Außenwirkung: Aktivitäten kleiner Gruppen würden ignoriert oder vor allem im Zusammenhang mit Straftaten ausdrücklich erwähnt.

An dieser Stelle kam auch die kirchliche Weltanschauungsarbeit ins Spiel. Denn dorthin – und nicht an die betroffenen Religionsgemeinschaften selbst oder wenigstes an „neutrale“ religionswissenschaftliche Stellen – würden sich interessierte Stellen wenden. Diese „kirchlichen Weltanschauungsexperten“ seien aber nicht neutral, sondern würden „Apologetik“ betreiben – ein Vorwurf, der teilweise auch das Buch von Gerald Willms („Die wunderbare Welt der Sekten“, 2012) durchzieht und sich vor allem gegen die EZW richtet.

In die folgende Diskussion konnte ich als Mitbetroffener einbringen, dass eine „neutrale“ Sicht auf die religiöse und weltanschauliche Pluralität, wie sie auch von REMID behauptet wurde, nicht möglich sei. Jede Darstellung und vor allem Einschätzung könne immer nur perspektivisch gebunden geschehen. Das Anliegen und die Arbeitsweise kirchlicher Weltanschauungsarbeit seien daher schon lange nicht mehr mit dem klassischen Begriff der Apologetik zutreffend beschrieben. Vielmehr gehe es darum, sich zunächst in die Binnenperspektive einer fremden Religion oder Weltanschauung so weit hineinzudenken und hineinzufühlen, dass sich ihre Vertreter in der daraus folgenden Darstellung wiedererkennen würden. Erst dann sei eine Fremdperspektive – in meinem Fall eine evangelisch-theologische Sichtweise – und damit eine auch kritische Einschätzung sinnvoll. Dass diese Einschätzung gerade nicht neutral sein könne, skizzierte ich am Beispiel der Mormonen: In ihrem Selbstverständnis sehen sie sich als christliche Kirche, aus der Perspektive der ökumenischen Kirchen – also auch aus der der mitdiskutierenden STA, deren Vertreter sich aber nicht in die Diskussion einbrachte – werden sie aber aufgrund ihrer Lehr- und Praxisunterschiede als synkretistische Neubildung eingeschätzt. Wer könnte sich hier anmaßen, eine „neutrale“ Sicht zu formulieren?

Grünke bestätigte im Blick auf seine Gemeinschaft, dass vonseiten kirchlicher Weltanschauungsarbeit schon lange eine faire und kompetente Darstellung geleistet werde, die auch die eigenen Maßstäbe offenlege. Sicherlich haben die „großen“ Gemeinschaften hier gegenüber der öffentlichen Wahrnehmung eine gewisse Verantwortung und sollten bedenken, was eine Einschätzung, die Mormonen seien „keine Christen“, an negativen Implikationen transportiert. Auch Kritik vonseiten der AMJ hatte hier einen berechtigten Ort: Majoka äußerte Unverständnis darüber, dass ihnen im Gegensatz zu anderen etablierten muslimischen Gruppen kirchliche Räumlichkeiten verwehrt würden, um den christlich-islamischen Dialog nicht zu gefährden. Manche der zur Sprache gekommenen Probleme betreffen also nicht nur die Gemeinschaften aus christlicher Tradition.


Andreas Hahn, Dortmund