Über Religionen lachen und spotten?
Gibt es bald eine neue Weltreligion? Das jedenfalls streben die „Homeristen“ an, die in der Comicfigur Homer Simpson ihren Gott sehen und den drei Grundsätzen „Faulheit, Unwissenheit und Minimalismus“ folgen. Generell wird von den Simpson-Verehrern alles abgelehnt, was mit Fleiß oder Lernfähigkeit zu tun hat. Binnen weniger Monate konnten laut eigenen Angaben schon über 2600 Anhänger rekrutiert werden. Vermutlich primär Jugendliche lassen sich von einem Lebensgefühl faszinieren, das mit der erfolgreichen amerikanischen Zeichentrickserie „Die Simpsons“ in Verbindung gebracht wird. In einem medial überfrachteten Alltag raten die Protagonisten der Simpson-Familie, alle traditionellen Werte hinter sich zu lassen.
Die sechs Gebote der „Homeristen“ lauten: Du sollst mit deinen Mitmenschen tun, was du willst. Gehet hin und betrinket euch! Widersetzt euch dem Lehrer, macht ihm das Leben so schwer wie möglich. Spielt anderen Streiche und erfreut euch an ihrem Leiden. Gehet hin und paaret euch, möglichst in betrunkenem Zustand, aber sonst ist es auch gut. Behandle Antihomeristen so, wie du selbst nicht behandelt werden möchtest.
Seit kurzem ist es auch möglich, nach den Grundsätzen Homers zu heiraten. Zur Ehe sind dabei neben gleichgeschlechtlichen Partnern sogar Gegenstände zugelassen. Der Bund fürs Leben kann entweder durch einen Homeristen-Priester oder durch einen einfachen Ausdruck der Heiratsurkunde auf der Homepage der „Religionsgemeinschaft“ vollzogen werden. Dort sind auch ein Online-Beichtstuhl und ein Segensspruch zu finden. Die Aufnahme in die Online-Kirche der Homeristen erfolgt per E-Mail. Die Mitgliedschaft ist kostenlos, denn „wir benehmen uns ja nicht wie Christen“.1
Religiöse Gefühle sind leicht zu verletzen. Der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen oder die satirischen Jesus-Darstellungen in der MTV-Serie „Popetown“ belegen, dass Religion für viele Menschen kein Thema für Satire ist.2 Bei satirischer Religionskritik wird dann die künstlerische Freiheit überschritten, wenn das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung missachtet wird. Auch wenn die Ethik der Homeristen als pubertäres Wunschdenken entlarvt wird – die Grenzen von Wirklichkeit, Illusion und Virtualität verschwimmen durch das Internet.3 Die Unterschiede von unterhaltsamen Phantasiefiguren und alltagsprägenden religiösen Überzeugungen müssen hier deutlicher gemacht werden, gibt es doch schon mehrere religionsartige Gruppen mit fragwürdigen Inhalten wie die „Pastafarier“ und ihrem Spagetthi-Gott oder die „Jedi-Anhänger“. In Sydney mussten die Behörden den Star-Wars-Kult offiziell als Religion anerkennen, weil bei einer Befragung über 10000 Einwohner „Jedi“ als Religionszugehörigkeit angaben.
Die Homeristen haben nicht verstanden, dass die Simpsons-Serie zur Gattung der Satire zählt. Oder sie haben bewusst die Gelegenheit ergriffen, satirisch gemeinte Elemente für bare Münze zu nehmen und daraus eine Religion zu machen. Damit widersprechen sie jedoch der Intention dieser hintergründigen, aber immer unterhaltsamen Parodie auf die westliche Lebenskultur. Die sechs Gebote der Homeristen sind weit entfernt von den Grundaussagen von Homer und den Simpsons. Oder ist die Homeristen-Religion selbst auch nur ein Witz, den wir noch nicht verstanden haben?
In den meisten Folgen der Simpson-Serie wird menschliches Verhalten in der Fassung der schwachen, gescheiterten und unglücklichen Version so überzeichnet erzählt, dass man darüber lachen kann. Immer wieder gibt es aber auch Hoffnung für die Protagonisten, und zwar dann, wenn sie sich nicht von Gier, Neid oder anderen negativen Gefühlen oder Verführungen lenken lassen, sondern auf ihr Herz hören. Im Übrigen werden die christlichen Werte in den Simpsons nicht in Frage gestellt. Bart und Homer haben in Notlagen so manches Gebet gesprochen, um aus der Klemme zu kommen, und es hat auch immer geholfen.
Michael Utsch
1 Vgl. www.die-homeristen.ch.vu.
2 Vgl. Ulrich Schnabel, Darf über Religion gelacht werden? In: ders., Die Vermessung des Glaubens, München 2008, 517-532.
3 Vgl. Andreas Mertin, Seelenverkäufer. Mit Bart Simpson einem religiösen Phänomen auf der Spur, in: Magazin für Theologie und Ästhetik 22/2003, Text abrufbar unter www.theomag.de/22/am83.htm.