Siegfried Großmann

Und es war sehr gut. Die Schöpfungsbotschaft der Bibel als Herausforderung für heute

Siegfried Großmann, Und es war sehr gut. Die Schöpfungsbotschaft der Bibel als Herausforderung für heute, Brunnen Verlag, Gießen 2014, 160 Seiten 14,99 Euro.

Siegfried Großmann, Baptist und ehemaliger Vorsitzender der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), gilt seit Langem als reflektierter Vertreter der charismatischen Bewegung innerhalb der protestantischen Freikirchen. Mit diesem Buch bewegt er sich, wenn man so will, vom dritten zum ersten Glaubensartikel. Sein Ziel ist, solide Schöpfungstheologie an theologische Laien zu vermitteln. Sein Leitthema ist die Frage „Wie kann die Schöpfungsbotschaft der Bibel wieder neu zum Maßstab unseres Lebens werden?“ (8). Gleich vorab sei gesagt, dass der Autor sein Ziel erreicht. Es gelingt ihm, die Aktualität und Tiefe des biblischen Schöpfungsglaubens deutlich werden zu lassen. Das ist umso bemerkenswerter, als die Freikirchen aus ihrer Geschichte (nämlich aus der puritanischen und erwecklichen Tradition) ein Defizit bezüglich der Schöpfungstheologie mitbringen. In einer Zeit, in der sich aus den USA kommend ein mehr oder weniger unreflektierter, teilweise sogar unterschwelliger, Kreationismus in der evangelikalen Bewegung einschließlich der Freikirchen ausbreitet, ist es kein geringes Verdienst, dieses Defizit zu bearbeiten.

Das erste Kapitel enthält eine eigene Übersetzung der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1-3). Das zweite Kapitel erläutert in sehr kurzer Form das Bibelverständnis des Autors, der sich sowohl vom protestantischen Fundamentalismus als auch bis zu einem gewissen Grad von einer historisch-kritischen Auslegung abgrenzt. Dann orientiert er sich im dritten, exegetischen Kapitel aber doch an den Ergebnissen der alttestamentlichen Wissenschaft und erläutert, wie er diese für das Verstehen der Texte nutzbar zu machen gedenkt. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema „Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft“ und verfolgt die Absicht, den Leserinnen und Lesern die Vereinbarkeit genuiner Naturwissenschaft mit dem biblischen Schöpfungsglauben zu erläutern. Dabei unterlaufen dem Autor, der weder Wissenschaftstheoretiker noch Naturwissenschaftler ist, einige Ungenauigkeiten im Detail. Sie gibt es auch später noch, z. B. in Bezug auf die Evolution des Menschen (68). Aber sie spielen inhaltlich kaum eine Rolle.

Die Kapitel 5 bis 10 bilden den Kern des Buchs, sie beschäftigen sich mit den aufeinander folgenden Abschnitten der Schöpfungserzählungen. Dabei erweist sich der Autor als theologisch belesen, was die klassischen Positionen der Exegese angeht, und er vermittelt sein Wissen den Leserinnen und Lesern in verständlicher und spannender Weise. Die Fülle der Informationen, die er in kurzer Form anbietet, kann in einer Rezension nicht dargestellt werden, man muss sie nachlesen. Aber man darf festhalten, dass der Autor sich besonders bemüht, eine Reihe von in der evangelikalen Bewegung (und nicht nur dort) verbreiteten Missverständnissen auszuräumen. Zum Beispiel betont er, dass die Schlange in der Versuchungsgeschichte kein Symbol Satans ist, sondern für das Wesen von Verführung und Sünde steht. Das ist nur eines von vielen kleinen Korrektiven, die er der Leserschaft zumutet. Was das Verständnis von Mannsein, Frausein und Familie angeht, argumentiert Großmann exegetisch quer zu dem, was derzeit an der Spitze der EKD und in vielen theologischen Fakultäten vertreten wird. Dabei redet er keineswegs traditionalistisch, aber eben auch nicht modernistisch. Falls seine Ausführungen irgendwo ideologisch motivierte Kritik auf sich ziehen sollten, dann an diesem Punkt.

Es ist offensichtlich, dass Großmann sich in der literarischen Form, die zwischen Exegese und Predigt changiert, besonders zu Hause fühlt. In den abschließenden Kapiteln 11 und 12 wird die Exegese dann ganz zur Predigt. Der Autor entwickelt darin weniger eine Dogmatik und Ethik als eine Spiritualität des Schöpfungsglaubens. Die ist als Antwort auf die ökologische Krise und die Technisierung unserer Lebenswelt dringend notwendig. Sie fehlt aber im Protestantismus fast vollständig, nicht nur in den Freikirchen, sondern auch in den Landeskirchen. Das protestantische Funktionärsmilieu ist zwar in voller Fahrt, wenn es um eine ökologische Politik und Ethik geht. Aber das Lob Gottes aus der Schöpfung, die ästhetische Begegnung mit den Mitgeschöpfen, die Naturmystik sind nicht ihre Sache. Vor 20 Jahren schrieb Oswald Bayer das Buch „Schöpfung als Anrede“ und bezog sich darin auf Johann Georg Hamann, der die Schöpfung als „Predigt der Kreatur an die Kreatur“ verstand. Diese Predigt versucht Großmann zu Gehör zu bringen. Man kann ihm nur offene Ohren wünschen.


Hansjörg Hemminger, Baiersbronn