Universeller Hintergrund beim Streit um Internet-Namen: Warum die Domain einer Kirchengemeinde einer Sekte ein Dorn im Auge ist
(Letzter Bericht: 12/2003, 475ff) Auf den ersten Blick erscheint es wie ein bloßer Streit um eine Internetadresse. Die unterfränkische Kirchengemeinde Michelrieth (Landkreis Main-Spessart) soll ihren Domain-Namen www.michelrieth.de aufgeben. Die Stadt Marktheidenfeld reklamiert nun diese elektronische Adresse ihres Stadtteiles für sich selbst.
Brisant wird der Streit, weil die Kirchengemeinde auf der seit fünf Jahren bestehenden Internetseite nicht nur über das Gemeindeleben informiert, sondern auch über Entwicklungen in der umstrittenen Glaubensgemeinschaft Universelles Leben (UL). Zum Umfeld der vor über 25 Jahren entstandenen Sekte gehören im Bereich der Pfarrei Michelrieth unter anderem eine Klinik, eine Schule sowie Handels- und Handwerksbetriebe. "Die Internetseite ist dem UL seit langem ein Dorn im Auge", meint Pfarrer Michael Fragner, der für die Inhalte der Seite verantwortlich ist. Sie biete fundierte Informationen zum Thema UL und habe sich einen großen Bekanntheitsgrad erworben. Monatlich verzeichne www.michelrieth.de bis zu 3000 Zugriffe.
Fragner zufolge gab es früher zahlreiche Bücher über die prozessfreudige Glaubensgemeinschaft. Doch diese Werke seien nicht mehr im Buchhandel erhältlich. Allenfalls antiquarisch könnten sie noch erworben werden. Weil diese wichtigen Informationsquellen weggefallen seien, komme der sektenkritischen Internetadresse besondere Bedeutung zu. "Dem UL ist natürlich daran gelegen, dass diese Seite im Internet nicht mehr zu finden ist", sagt Fragner. Der Geistliche beobachtet seit 1998, erst als Pfarrer in Michelrieth und nun in Uengershausen und Geroldshausen, die Aktivitäten der Glaubensgemeinschaft. Sie ist in letzter Zeit durch Aktionen wie "Gott ja - Kirche nein" an die Öffentlichkeit getreten.
Nach Ansicht Fragners ist der Angriff auf die Internetseite Teil einer Kampagne des UL gegen unliebsame Geister. Zum einen gehe die umstrittene Glaubensgemeinschaft direkt gegen die bayerische Landeskirche vor. So seien noch zwei Verfahren gegen die Landeskirche wegen bestimmter Texte auf der Michelriether Internetseite vor dem Verwaltungsgericht München anhängig. Zum anderen entsteht der Eindruck, das UL versuche über den Marktheidenfelder Bürgermeister Leonhard Scherg gegen die sektenkritische Internetadresse vorzugehen. Dass die Stadt Marktheidenfeld nun die seit fünf Jahren bestehende Seite für sich beansprucht, liegt nach Einschätzung Fragners an einem Schreiben aus dem Umfeld des Universellen Lebens: "Der Streit um den Internet-Namen hat einen universellen Hintergrund."
Teil der Diffamierungskampagne sind auch Flugblätter, die in den Gemeinden Fragners verteilt wurden. Darin wird er als "Briefträger der Lüge" bezeichnet, der seine "Internet-Kumpanen ständig mit Verleumdungen und Lügen bedient". Er vernachlässige seine Dienstpflichten, "weil er lieber Lügen und Verleumdungen über Andersgläubige verbreiten möchte". Verfasst wurde das Flugblatt von Dieter Potzel (Marktheidenfeld), einem früheren evangelischen Pfarrer, der jetzt der umstrittenen Glaubensgemeinschaft angehört. Fragner erwirkte vor Gericht eine einstweilige Verfügung, mit der Potzel untersagt wurde, die Äußerungen weiter zu verbreiten. Potzel legte dagegen Widerspruch ein, unterlag aber erneut vor Gericht.
Trotz der juristischen Siege bleiben Irritationen in den Gemeinden, die der Geistliche betreut. "Vor allem ältere Menschen verstehen die Vorgänge nicht", meint Fragner. Die Flugblätter mit den infamen Behauptungen gingen nicht spurlos an diesem Personenkreis vorüber. Auch wenn die Diffamierungen einen "hohen Nervfaktor" mit sich bringen, will sich der Theologe dadurch nicht einschüchtern lassen: "Wer sich gegen das Universelle Leben stellt, muss damit rechnen, als Lügner und Verleumder bezeichnet zu werden."
Günter Saalfrank, Rothenburg o. T.
Quelle: Evangelisches Sonntagsblatt aus Bayern vom 4. Januar 2004, 120. Jg., Nr. 1.