„Vampirismus“ in Deutschland
Bestandsaufnahme einer Subkultur
Rund 3,65 Millionen Treffer erzielt der deutschsprachige Suchbegriff „Vampir“ bei einer namhaften Suchmaschine im Internet. Neben Kostümen, Büchern und Rollenspielen finden sich auch andere, eher düstere, zuweilen höchst unappetitliche Angebote. Dass es den Vampirismus in Deutschland gibt, mag Verwunderung hervorrufen. Nach der über 900 Seiten umfassenden Vampir-Enzyklopädie des US-amerikanischen Religionsforschers J. Gordon Melton (The Vampire Book. The Encyclopedia of the Undead, Farmington Hills 1999) wird die Zahl der aktiven Vereinigungen, die am Vampirismus interessiert sind, für England und die USA auf 25 beziffert. Darunter fallen nicht nur Fan-Clubs von TV-Serien wie etwa „Buffy“, sondern auch solche, die Rollenspiele pflegen oder als Interessensver-einigung die Selbstinszenierung als Vampir als letzten Schrei betrachten. Nach Meinung einer US-amerikanischen Soziologin ist der Vampir-Mythos inzwischen zum festen Bestandteil der amerikanisch-europäischen Populärkultur avanciert. Kein Lexikon zu jugendlichen Subkulturen – ob Gothic oder New Wave – kann inzwischen auf den Eintrag „Vampir“ verzichten. Neben der populärkulturellen Rezeption des Vam-pir-Mythos gibt es aber auch härtere „Spielarten“: Im Jahr 2005 hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) auf Antrag der Hamburger Innenbehörde ein Buch über Vampirismus als gefährlich eingestuft und es auf den Index gesetzt. Das Buch, das den Titel „Noctemeron – Vom Wesen des Vampirismus“ trägt, darf damit Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden. Nach Auffassung der Bundesprüfstelle wirke sein Inhalt „verrohend und zu Verbrechen anreizend“. Das Buch enthalte diverse Textpassagen, in denen Brutalität gegen Menschen in detaillierter Weise geschildert werden. „Buchbesprechungen und die in Internetforen geführten Diskussionen dokumentieren, dass die Inhalte von zahlreichen Angehörigen der schwarz-okkulten Szene nicht nur als fiktional, sondern als real angesehen werden, d.h. die Auseinandersetzung mit dem Buch in der Szene verwischt die Übergänge von Realität und Mythos.“ Der Politologe und Journalist Dr. Rainer Fromm hat für die Bundesprüfstelle ein 46 Seiten umfassendes, bislang unveröffentlichtes Gutachten zu dem Buch „Noctemeron“ erarbeitet. Auf den „Vampirismus“ in Deutschland geht ein gesonderter Abschnitt ein, den wir im Folgenden dokumentieren. Die Red.
In den letzten Jahren hat sich in Deutschland ein facettenreiches subkulturelles Netzwerk von Menschen gebildet, die sich selbst als „Vampire“ oder „Vampyre“ bezeichnen. Unter Vampirismus im historischen Sinn versteht man in mehreren europäischen Sprachen „einen Aberglauben, dessen zentrale Gestalt ein blutsaugendes Wesen, der Vampir ist“.1 Die Entstehungsgeschichte des Wortes führt in die Slawistik, wobei hier Sprachvarianten wie „Vapir“ oder „Vepir“ aus dem Bulgarischen, „Upir“ oder „Upyr“ aus dem Russischen oder „Upior“ aus dem Polnischen unterschieden werden.2 In deutscher Sprache taucht der Begriff erstmals in einem Bericht an die kaiserliche Administration im Jahr 1725 auf.
Heute umfasst die sog. Vampir-Szene in Deutschland einen großen Personenkreis, der sowohl real wie virtuell verknüpft ist, vor allem durch Vereine, Homepages, Stammtische, Rollenspiele, Vampirfilmfestivals, Lesungen aus Vampirromanen und selbst Reisen nach Transsilvanien. Grob lässt sich die Vampirszene Deutschlands in verschiedene Gruppen einteilen:
1. Anhänger der sog. Darkwave- oder Gruftie-Subkultur, die im Vampirismus eine besonders ästhetische Form des Habitus, aber auch des Kleidungsstils sehen. Auch in diesem Spektrum sind die Übergänge zwischen einer Begeisterung für den Vampirismus in der Fantasie-Literatur und echtem Okkultismus fließend. Diese Szene trifft sich in zahlreichen Städten an festen Treffpunkten wie Discotheken und Parks.
2. Fans von Rollenspielen, die sich vor allem im Internet zusammenfinden. Auf den Homepages verwischen nicht selten die Grenzen zwischen Begeisterung für Vampirspiele, Blutfetisch und realem Okkultismus.
3. Fans von Vampirfilmen und Vampirromanen. Die Szene ist sehr gut organisiert und veranstaltet Festivals, Bälle, Lesungen und sogar Reisen zu Orten des vermeintlich echten Vampirismus.
4. Vampirismus als sexueller Fetisch. Hier dokumentieren Homepages die Vorlieben einer ganzen Fangemeinde, deren Interesse von eng geschnittener Latex-Kleidung im Vampir-Stil, bluttriefenden Nacktaufnahmen verletzter Frauen bis hin zu blutigen sexuellen Praktiken wie Blutentnahmen reicht.
5. Pseudowissenschaftlicher Vampirismus und sog. „Vampirforscher“, was mit der Sublimierung des Themas einhergeht.
6. „Vampyre“, die sich als „echte“ Blutsauger begreifen und die man vornehmlich in den Gruppen 1 bis 5 antrifft. Im Gegensatz zur vierten Gruppe steht hier aber nicht nur ein Blutfetischismus im Mittelpunkt des Interesses, sondern eine angebliche geistige und seelische Identifikation mit Vampirfiguren.
Die Szene-Seite www.vampyrbibliothek.de resümiert: „Fast könnte man meinen, der Vampir war im Leben der Menschen nie so präsent wie heute.“ Die vermeintlich authentische Vampir-Subkultur bezeichnet sich selbst gerne „Vampyre“. Die Szenemitglieder empfinden sich dem Vampirismus geistig verbunden und legen Wert auf eine eigene dunkle Haltung. Das Buch Noctemeron definiert „Vampyr“ als „einen menschlichen Vampir, lebend, sterblich, dennoch teilweise latent mächtig und bluttrinkend“.3 Das „y“ im Namen soll den Unterschied zu den Vampiren aus der Legenden- und Fantasiewelt markieren und auch als Abgrenzungsbegriff zu den Rollenspielern (LARP) dienen.4 Frater Mordor bevorzugt in seinem „Buch Noctemeron“ die Bezeichnung „Schatten“ für Vampire. Die Verwendung des Namens Vampir sei „in jeder Sprache gefährlich, da dieser Name die Furcht des Menschen war“. Dazu hätte sich inzwischen „in der westlichen Welt (...) das Synonym ‚Schatten’ etabliert“.5 Trotz der verbalen Abgrenzungsbemühungen der oben aufgeführten Gruppen sind die Szenen zum Teil sehr eng verwoben. Dies dokumentieren zahllose Gästebucheinträge im Internet. Es genügt oftmals eine einzige vampiristische Homepage, um sofort mit dem Gesamtspektrum vernetzt zu sein.
Historische Wurzeln des „Vampirismus“
Das Phänomen des Vampirismus ist in Europa seit vielen hundert Jahren in der Literatur präsent. Bereits Ende des 12. Jahrhunderts wurden in England sog. Wiedergänger beschrieben, das heißt Tote, die angeblich unter den Lebenden ihr Unwesen trieben. In Deutschland stößt man bereits um 1337 auf zahlreiche Berichte wiederkehrender Toter, die den Lebenden Schrecken eingejagt haben. Als probates Mittel zur Vampirbekämpfung wurde über all die Jahrhunderte ein Pflock empfohlen, den man in das Herz des Leichnams rammen soll.6 Der Mythos in der heute durch Fernsehfilme und Romane verbreiteten Form des Vampirs geht zurück auf den slawischen Volksglauben. Aus dem Karpatenraum expandierte er über Rumänien, Bulgarien, Griechenland nach Deutschland. Prägend waren für die Entstehungsgeschichte des Vampir als Horrorgestalt die Hysterien des frühen 18. Jahrhunderts. Damals gruben Menschen immer wieder ihre Verstorbenen aus, um sich von deren Tod zu überzeugen – aus Angst vor Wiedergängern. Dabei kam es immer wieder zur verhängnisvollen Übertragung von Krankheitserregern der Toten, vor allem der Pest.7 Rituelle Hinrichtungen angeblicher Vampire sind in Ost- und Mitteleuropa noch bis an die Schwelle des 20. Jahrhunderts in der Literatur nachgewiesen.8
Als weitere „natürliche Ursachen“ für den Vampirmythos werden in der Literatur Epidemien genannt, die in Transsilvanien im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitet waren, zum Beispiel Tollwut und Milzbrand. Die Krankheitsbilder sowie optische Veränderungen der Toten bestärkten die Mär der untoten Blutsauger. So erzeugten die Atemnot und die Beklemmungsgefühle bei einer Milzbrandinfektion bei manchen Patienten möglicherweise den Wahn, jemand würde sie würgen. Und auch bei der Tollwut konnte sich Außenstehenden der Eindruck eines von Vampirismus Befallenen aufdrängen, denn ein damit Infizierter ist extrem lichtempfindlich und wasserscheu. Zudem seien „an Tollwut erkrankte Menschen sehr geruchsempfindlich und weichen daher auch vor Knoblauch zurück“.9
Einen noch viel größeren Bekanntheitsgrad bekommt der Vampirismus durch die romantisierte Literatur, in der den Vampiren plötzlich Herz und Seele eingehaucht wurde. Wichtige Bausteine für den Paradigmenwechsel zu den bluttrinkenden Filmhelden unserer Tage waren die Erzählung „Camilla“ von Joseph Sheridan (1872) oder John Polidoris „The Vampyre“ (1819). Den entgültigen Weltruhm sicherte dem Vampirismus schließlich der Roman „Dracula“ von Bram Stoker 1897. Seine Hauptfigur bezieht Stoker auf ein echtes historisches Vorbild, den rumänischen Sadisten und Massenmörder Fürst Vlad Dracul, der zu Lebzeiten wegen seiner Grausamkeit auch „der Pfähler“ genannt wurde. Der Name Dracul bedeutet im rumänischen soviel wie „Drache“ oder auch „Teufel“, „Dracula“ als Verkleinerungsform lässt sich mit „Sohn des Drachen“ übersetzen. Auffallend ähnlich klingt das Wort „Dragula“, übersetzt „der Geliebte“. In dieser Dualität findet auch der gesamte neue Vampir-Mythos seine Nahrung: „Teufel und Geliebter, beide Gestalten sind in Dracula enthalten und verleihen ihm Schrecken und Faszination.“10
Die Flutwelle der neueren Vampirliteratur speist sich aus der Bricolage von Grausamkeit und Erotik. Aufwendige Filmproduktionen wie Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ oder Friedrich Murnaus Film „Nosferatu“ sorgen dafür, dass der Vampirismus auch heute noch Massen interessiert – und begeistert. Nicht umsonst wurde die Verfilmung von Bram Stokers „Dracula“ ein großer Erfolg. Das Filmwerk von Francis Ford Coppola wird als „grauenerregend, blutig, erotisch, sinnlich, faszinierend“ (vgl. CD-Cover) beschrieben und erhält 1992 drei Oscars. Weitere wichtige Vampirfilme heißen „Dracula“ (1955), „Blut für Dracula“ (1965), „Interview mit einem Vampir“ (1994), „Vampire in Brooklyn“ (1995), „Blade (1998), „Draculas Braut“ (2004), „Van Helsing“ (2004) und „Blade Trinity“ (2005). In einigen Filmwerken, wie etwa „Dracula has risen from the grave“ („Draculas Rückkehr“, 1968), wird die sexuelle Komponente Draculas herausgestrichen, „die orgiastische Hörigkeit des Vampiropfers nach dem ersten Biss“. In einem anderen Film mit dem Titel „Wie schmeckt das Blut von Dracula“ , sinkt der Graf gänzlich „zur furchterregenden Sexbestie“ herab.11 Auch in dem 1970 erschienenen Film „The Scars of Dracula“ mit dem weltbekannten Schauspieler Christopher Lee in der Hauptrolle finden sich derbe Sexszenen mit einer breiten sadistischen Überlagerung.
Eine Webseite spricht von „sehr menschlichen Bedürfnissen und Gelüsten“, die zur Faszination des Vampirismus beitragen:
„Auch wenn der Mythos des Vampirs, der die Menschen seit tausenden von Jahren beschäftigt, bei den meisten Horror hervorruft (...) tragen sehr menschliche Bedürfnisse und Gelüste zu seiner Faszination bei. Geben und Nehmen (der Vampir nimmt seinem Opfer Blut und schenkt ihm dafür [...] eine gewisse masochistische Lust), Sterben und Gebären (das Opfer des Vampirs verliert infolge des Bisses sein sterbliches Leben und steht als Untoter wieder auf), Eros und Thanatos (Liebe und Tod, eine Synthese von großer Tragik und Dramatik, die auch das ewige Dilemma des Untoten beschreibt, der mit einer erotischen Begegnung – als die der Biss oder Kuss des Vampirs durchaus verstanden werden kann – unweigerlich den Tod bringt).“12
Kurzum besteht die Begeisterung für Vampire aus der Mischung zwischen Sex-Appeal und Macht – Angstprojektion und Lustprojektion. In diesem Kontext ist auch die Analyse der weiblichen Vampirrolle zu deuten, in denen weiblichen Blutsaugern eine Erotik zugesprochen wird, die weniger als Symbol einer Bedrohung des Mannes, sondern als Zeichen für die Freiheit und die Emanzipation der Frau gedeutet wird. In der „lesbischen Literatur gehören Vampirinnen zu den gerne beschriebenen Heldinnen im Kampf um die Freiheit der eigenen Sexualität“, was in Büchern wie „Draculas Töchter“ (Fischer-Verlag: moderne Stories von Frauen über Frauen) oder in der Figur der Camilla zum Ausdruck kommt.13
Darüber hinaus wird in der Literatur auch auf eine Theologische Komponente der Dracula-Figur verwiesen, die gewissermaßen als die „Verkörperung des Bösen“ betrachtet werden kann, als „Gegenfigur zu Christus“. In dem Zusammenhang schreibt der Literaturwissenschaftler Gunter E. Grimm: „Christus erlöst durch die Hingabe seines Blutes die Menschheit vom Bösen, der Vampir verführt die Menschen durch die Entnahme ihres Blutes zum Bösen. Aber nicht nur das, sondern er tötet ja seine Opfer zu dem Zweck, aus ihnen Anhänger und Jünger zu machen.“14
In Szene-Aufsätzen werden Vampire in einer Welt, in der „der Glaube an Götter erloschen“ ist, zu einer durchaus „vertretbare(n) Alternative“.15 So erleben wir im Vampirismus zum einen den „Biss des Vampirs“, der zum Bösen führt, zum anderen aber auch „Ausdruck sexueller Wünsche, mit sadistischem Einschlag“.16 Auf jeden Fall macht die Gesamtheit der Komponenten den Vampirismus im Allgemeinen sowie Graf Dracula im Besonderen auch heute noch zum Anziehungspunkt einer ganzen Fangemeinde, denn die Romanfigur hat es geschafft, über die Jahrhunderte „in“ zu bleiben. Stand bei Bram Stoker noch die Romantik im Vordergrund, war es bei Anne Rice17 der sexuelle Akt an sich. Unzweifelhaft hat sich der Vampir „der Gesellschaft dieses Jahrhunderts angepasst“ und in den letzten Jahren „erfreut sich die Vampir-Subkultur einer immer größer werdenden Fangemeinschaft“.18 Der moderne Vampir ist eine Art Patchwork-Blutsauger, der alle Eigenschaften in sich vereint: Monster, Charmeur, Jäger und sehr erotisch.
Bestandsaufnahme der „Vampirszene“ Deutschlands im 21. Jahrhundert
Die Bewertung des Gefährdungspotentials der z. T. sehr bluttriefenden Vampirpublikationen ist untrennbar mit der Fragestellung nach der Quantität und Qualität der möglichen Leserschaft verbunden. Beide Fragen lassen sich im Bezug auf die sog. Vampirszene in Deutschland bisher noch nicht wissenschaftlich abgesichert beantworten. Da die Szene relativ jung ist, lässt sich die Trennlinie zwischen Lebensstil, subkultureller Prägung und religiösen Ansätzen noch nicht sicher ziehen.19 Um dennoch zu einer Argumentationsgrundlage zu gelangen, versucht dieses Gutachten, eine erste systematisierte Bestandsaufnahme der „Vampirsubkultur“ in Deutschland zu erarbeiten. Im Mittelpunkt der Analyse stehen folglich Primärquellen wie Homepages, Internetforen, Chaträume, Gästebücher sowie Artikel in Magazinen der Gothic- oder Gruftie-Subkultur. Um die Szene im Bezug auf eine Empfänglichkeit gewalthaltiger Botschaften auszuwerten, wurde die Primäranalyse von folgenden Fragestellungen geleitet:
(a) Welche Belege gibt es für Anhänger des Vampirismus in Deutschland, welche Interessen haben Organisatoren wie Mitläufer der Szene ?
(b) Welche Quantität haben vampiristische Internetangebote, wie ist das quantitative Interesse, gemessen an Besucherzahlen der Webseiten, Gästebucheinträge etc.
(c) Welche inhaltlichen Präferenzen setzen die subkulturellen vampiristischen Zirkel ?
(d) Gibt es Übergänge zwischen Virtualität und Realität, das heißt Internetgemeinschaften im Internet und realen Aktivitäten?
(e) Gibt es Übergänge zwischen den unterschiedlichen Genres der oben aufgeführten Vampirfans, das heißt Rollenspielern, Dark Wavern und etwa Blutfetischisten oder okkulten Zirkeln ?
(f) Welche Rolle spielen reale Gewalttäter, d.h. „Vampire“ in der medizinisch-pathologischen Deutung für die Subkultur ?
Per Definition versteht man unter Vampirismus „grundsätzlich eine Affinität zum Blutsaugen“20, was sich auch in den Internetangeboten widerspiegelt. Fast allen Vampir-Interessierten gemeinsam ist auch eine Idealisierung der Vampirfigur aus den Romanen von Anne Rice und Bram Stoker. Die Motivlage hierfür ist breit gefächert und reicht von der Ästhetik der Vampirfiguren, einer „inneren Verbundenheit“ mit den Romanvampiren, die mit einer „inneren Dunkelheit“21erklärt wird, bis hin zu einer Idealisierung des Vampirs als „Gender-Dämon“.22 Nicht selten findet sich auch eine Koppelung aller genannten Merkmale.
Auf einer deutschen Webseite heißt es: „Für mich ist Vampirismus das Streben nach Perfektion, nach Schönheit und Vollkommenheit. Obwohl auch diese Geschöpfe der Nacht alles andere als vollkommen sind, kommen sie meinem perfekten Bild doch wohl am nächsten.“23
Elisabeth Salzmann betreibt die Homepage elisabethas-night und beschreibt sich selbst als „eingefleischten Vampir- und Musicalfan“. Vampire nennt sie „dunkle Engel“, denen man „allgegenwärtig“24 begegne. Auf der Webseite findet sich ein gut sortierter Überblick von Vampirromanen und Vampirfilmen. Im Vampir sieht Elisabeth Salzmann „die gelungenste Projektion unserer Urängste, ein Wesen mit gewaltigem philosophischem und psychologischem Tiefgang“. Vampire seien „dämonisch, schön und faszinierend“. Zur Attraktivität des Vampirmythos schreibt Salzmann auf ihrer Homepage weiter: „Der Vampir ist ein gewaltiger Mythos von Tod und Schuld, Sexualität und Macht. Wenn es ein kollektives Unbewusstes des Menschen gibt, das sich aus den Mythen aller Kulturen zusammensetzt, dann findet sich dort der Vampir als Archetypus der Angst vor dem Tod und der Sinnlosigkeit des Seins, auch in unserem modernen Alltag.“25
Bei der Fragestellung, ob es auch „echte Vampire“ gibt, ist die sog. Vampir-Szene zerstritten. Das 1973 gegründete Vampire Research Center aus New York glaubt fest an die reale Existenz der Blutsauger. Ihr jahrelanger Vorsitzender Dr. Stephan Kaplan definiert Vampire als eine „Art der Gattung Mensch“, die bis zu 200 Jahre alt werden könne. Die Zahl der „echten Vampire“ beziffert er mit weltweit etwa 1000 Exemplaren. Für diese kruden Thesen steht die New Yorker Organisation auch innerhalb der Vampir-Fan-Gemeinde in der Kritik. So schreiben deutsche Szeneseiten, das die sog. „Forschungsarbeit“ des Vampire Research Centers „wissenschaftliche Nachweise oder auch nur plausible Indizien für ihre Existenz“ dezidiert „vermissen“ lasse.26 Dokumentiert ist jedoch die Existenz zahlreicher Vampir-Organisationen, in denen sich Menschen zusammenfinden, die sich als Vampire fühlen. Die Zusammenschlüsse variieren zwischen „Verbundschaften/Bruderschaften: House Sabrethooth; religiösen Inhalten: Church of the Vampire; oder gar Familie: Clan of Lilith“.27
Auch im deutschsprachigen Raum existieren heute zahlreiche Organisationen, die sich selbst „Vampirvereinigungen“ nennen. Beispielhaft hierfür steht die Gruppe Aeterni. Sie wurde angeblich „von Vampyren und Vampiristen für Vampyre und Vampiristen“ gegründet und soll ihnen ein „virtuelles Zuhause“ bieten. Dazu versteht sich „Aeterni“ als„Gemeinschaft, die jedem, der die Dunkelheit in sich spürt, offen steht“. Nach ihrem eigenen Bekunden legt die Organisation allergrößten Wert auf eine „stilvolle Umgebung“ und „Respekt/Höflichkeit/Freundlichkeit“ und „Toleranz/Akzeptanz“.28 Als „historische Vampire“ benennt „Aeterni“ die realen Massen- und Serienmörder Vlad III Tapes, alias Vlad Dracula, und Elisabeth Bathory. Auf der Homepage wird fleißig am Mythos des Vlad III Tapes gebastelt:
„Während er in Rumänien und Russischen Überlieferungen als grausamer, aber gerechter Herrscher beschrieben wird, erscheint er in den ab 1462 erscheinenden Deutschen Handschriften als blutrünstiger Schlächter. (...) Im Jahre 1931 wird Vlads Gruft in Snagov geöffnet, von seinen Überresten findet sich keine Spur. Für manche erneut ein Beweis dafür, das Vlad ein Wiedergänger ist. Einige von ihnen meinen weiterhin, er halte sich irgendwo in Rumänien versteckt und werde wieder hervorkommen und sein Land verteidigen, wenn Rumänien ihn braucht.“29
Eine Rubrik der Homepage ist eine sog. „Timeline“ des Vampirismus. Hier finden sich neben literarischen Daten zu Romanen und Filmen des Vampirgenres auch der Geburts- und Todestag der Mörderin Elisabeth Bathory oder die Hinrichtungsdaten der Serienmörder Antoine Léger, Peter Kurten, John Haigh, Ali Reza Kordiyah und Andrei Chilikatilo, der „55 Menschen ihres Blutes beraubt und getötet hat“.30
Eine weitere Homepage „von Vampiren für Vampire, die es werden wollen, Vampirfreunde, Fans und Interessierte“ stammt von Andre Stellmach und heißt Vampirclub.31 Der Seitenbetreiber mit dem Szenenamen „Andréus“ beschreibt sich selbst als „Alternativen Vampir“ mit paranormalen Gaben. So spüre er seine „besonderen Fähigkeiten“, wenn er bei „bösen oder kranken Menschen eine schlechte Aura wahrnehme“.
Der virtuelle Club aus Schleden ist eine Art Informationsbörse über „heutige Vampire“ und bietet neben einer Plattform zum Austausch Gleichgesinnter auch einen „großen Vampirshop“ mit über 270 Artikeln wie Bücher, Videos und Musik zum Thema. Das Miteinander im Vampirclub richtet sich nach den sog. „Vampir-Regeln“. Hier heißt es: „Die Menschenrechte gelten für Menschen, Vampire, Vampyre und alle anderen Geschöpfe.“„Gewalt und Gotteslästerung“ wird angeblich „verachtet“ und ein weiteres Gebot lautet, dass „alle weltlichen und staatlichen Gesetze“ beachtet werden müssten.32 Recht bedenklich hingegen klingt es, wenn der Club in der Rubrik „Blut und Rituale“ auf seiner Homepage hervorhebt, „niemand darf gezwungen werden Blut zu trinken oder andere Rituale gegen seinen Willen durchzuführen“. Darüber hinaus müsste alles aus freiem Willen geschehen und „niemand“ dürfe „zu etwas überredet werden“.
Für hoch problematische Praktiken in der realen Praxis der „Vampirfreunde“ spricht auch die Hervorhebung, dass „auf Grund besonderer Situationen, wie zum Beispiel beim Blutaustausch“ es „sehr wichtig“ sei, „nicht zu lügen und stets auf Gefahren hinzuweisen, die für andere bestehen“. Wie sich dieser sog. „Blutaustausch“ konkretisiert, ist der Homepage nicht zu entnehmen. Genauso problematisch ist das proklamierte Schweigegebot für „Vampire“, nach dem „Außenstehenden nicht von Ritualen berichtet werden“ soll. Der Betreiber der Homepage behauptet von sich selbst, kein Blut zu trinken: „Traditionelle Vampire ‚saugen‘ Blut, ich ‚sauge‘ Energie.“ Der Vampirclub sieht sich als zwischen Rollenspielern und real Vampiren angesiedelt: „Wir betrachten alle Wesen (Vampyre, Lifstyler, Rollenspieler) als Sympathisanten.“ Der Verein ist ein Versuch, die breit gefächerte Szene zu vernetzen.
Die Homepage Vampir-World 33 bietet einen in Deutschland breiten Überblick über Literatur, Hörspiele und die Filme im Zusammenhang mit Vampirismus. Betrieben wird die Kölner Homepage von Wolfgang Pistol und Birte Hänsch, die in Kleinstarbeit Buchbesprechungen und Filmkritiken zum Schwerpunkt Vampirismus zusammentragen. Recht eigenwillig liest sich hingegen der Personenüberblick in der Rubrik „Biographien“. Hier werden Literaten wie Edgar Ellen Poe oder Bram Stoker gemeinsam mit den Massenmördern Vlad Tapes, Elisabeth Bathory oder Gilles de Rais aufgeführt. Bei Gilles de Rais handelt es sich angeblich um einen „historischen Prototyp für einen Vampir vom Schlage eines Dracula“, der von den Autoren als der „Welsche Dracula“ bezeichnet wird.34 In den Portraits der Serienmörder werden die Taten ausgiebig beschrieben, was seinerseits die Biographien nicht unbedenklich erscheinen lässt. Zu den Verbrechen des Gille de Rais an Kindern heißt es: „Er trank ihr Blut und ergötzte sich daran, in den Eingeweiden der toten Kinder zu wühlen.“ Und zu Bathorys Morden: „Wie berichtet wird, liebte sie es, die Mädchen zu beißen, ihnen regelrecht das Fleisch zu reißen und das Blut zu trinken.“35 Die Abhandlung der Mörder-Biographien wird auf der Homepage im Zusammenhang ihrer inspirierenden Wirkung auf die modernere Vampirismusliteratur dargestellt.
Seit ihrem Bestehen ab Juli 2001 ist die Seite nach eigenen Angaben knapp 44000 mal besucht worden, was das Interesse vieler User am Vampirismus unterstreicht.
Auf eine noch breitere Resonanz stößt die Homepage Vampyrbibliothek aus Solingen, die sich ebenfalls der Literatur zum Schwerpunkt „Vampirismus“ widmet. Nach eigenen Angaben der „privaten Homepage“ handelt es sich um eine reine „Informationsseite“, die nichts mit einer „organisierte(n) Community, Sekte oder sonstige(n) Organisationen“ oder mit einer „Vampyr-Familie“ zu tun habe. Zur Charakterisierung eines Vampirs heißt es in der Einleitung: „Nicht das Blut-Trinken ist (…) das Entscheidende am Vampir. Vielmehr ist es das parasitäre oder raubtierhafte unnatürliche Wieder- oder Weiter-Existieren mit lebenden Menschen als Opfer.“36
Als „historische ‚Vampire‘“ bezeichnet die Webseite Graf Vlad, Gilles de Rais und Elisabeth Bathory, weil die „historischen Persönlichkeiten“ reichlich „Stoff“ für „Mythen und Legenden lieferten“ und auch „Dichter und Autoren späterer Zeitalter inspirierten“. Dazu habe Vlad „keine Menschen zu seiner persönlichen Freude“ gepfählt, sondern „mit Bravour“ die „Ordnung in seinem Land aufrecht (...) erhalten“. Neben dem unübersehbaren Wohlwollen für einen historischen Massenmörder fällt der Detailreichtum auf, mit der die Grausamkeiten geschildert werden. So heißt es zu Gilles de Rais: „Sein erstes Opfer war ein Knabe. Er erwürgte das Kind und schlug ihm die Hände ab. Dann riss er dem Knaben das Herz und die Augen heraus. (...) Er vergewaltigte seine Opfer, schlitzte sie dann auf und wühlte in den Eingeweiden.“ 37
Als „weitere historisch verbürgte Personen, welche als Vampire in die Geschichte eingingen“, benennt die Homepage unter anderem Victor Ardisson „der Vampir von Muy“, Francois Bertrand „der Vampir von Montparnasse“, Fritz Haarmann „der Vampir von Hannover“oder Vincenzo Verzeni, „der ‚lebende‘ Vampir“. Obwohl die Serientäter als lebende Dokumente für die Authentizität von Vampirismus aufgeführt werden, distanziert sich die Internetseite von den Taten, die man „auf das Äußerte verabscheue und verurteile“. Nach Auffassung des Seitenbetreiber „ist der Genuss von Menschenblut (...) nur dann vertretbar, wenn zwischen dem Gebenden und dem Nehmenden Einverständnis herrscht und der ‚Spender‘ dieses freiwillig und ohne jeglichen Zwang tut und zwar ohne dabei ernstlich verletzt zu werden.“38
Damit dokumentiert die Homepage einmal mehr, dass Blutrituale und Blutfetisch zu einem Axiom der Szene geworden sind und die Aktivität des Vampirismus bei einem Teil der Szenemitglieder weit über das Literatur- und Filmstudium hinausgeht. Darüber hinaus vermittelt die Webseite allgegenwärtig das Flair, Vampire seien Realität – Bausteine einer Scheinwelt zwischen Legenden und geheimen Wünschen: „Und wer vermag schon zu sagen, ob sie nicht wirklich dort draußen sind, jene Geschöpfe der Dunkelheit mit ewigem Durst nach Blut?! Öffnet also Euere Fenster, schaut auf den silbernen Mond und denkt daran, dass ihr nicht alleine seid in der dunklen Nacht.“39
Für die inzwischen sehr große Vampirszene sprechen eindrucksvoll die inzwischen knapp 17.500 Foreneinträge auf der Homepage.40 Dazu wurde die Seite insgesamt mehr als 415.000 mal besucht, was die große Faszination und Anziehungskraft des Vampirismus dokumentiert. Betrieben wird die sog. „Vampyrbibliothek“ von einem Szenemitglied namens Heshthot Sordul. Nach eigenen Angaben ist er Mitglied der deutschsprachigen Vampirorganisation „House Breed“. Die Gruppe stellt sich als „eine Gemeinschaft von realen Vampyren bzw. Sanguinarians“ vor. In Abgrenzung zu Hobby-Vampiren schreiben sie: „Wir sind KEINE Rollenspieler die nur in die Rolle eines Vampyrs schlüpfen, sondern leben diese Passion tagtäglich, beziehungsweise nachtnächtlich.“
Ein weiteres Dokument für die Ernsthaftigkeit der Organisation ist auch, dass Interessenten erst „nach einer gewissen Testphase“ aufgenommen werden.41
Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen einer neugierigen Fangemeinde von Vampir-Literatur mit vermeintlich „echten“ Vampiren. Dieser Mix aus Fantasie-Interessierten und problematischen Vereinen bestätigt sich auf der Verweisliste der „Vampyrbibliothek“. Neben Links zu „realen Vampyren“ wie die Gemeinschaften „House Breed“, „House Lavrans“ oder „Noa Zhasal“ gibt es Verweise zum Fanclub des Musicals „Tanz der Vampire“ oder „Dark Clubs“ wie den Szenetreffs „Exit“ oder „Zwischenfall“. Darüber hinaus vernetzt die Homepage auch zu echten Okkult-Organisationen wie dem „Circle of Lilith“.42
Immer wieder zitiert in der Subkultur war bis 2006 die sehr professionell gestaltete Webseite Jan Beckers aus Ahrensburg, die unter www.sanktuarium.de im Internet aufrufbar war. Die Seite beschäftigte sich ausführlich mit Musik, Film, Malerei, Literatur und Mythos des Vampirismus und wurde mit Britta Radnowsky und Geneviève Klos von einem regelrechten Redaktionsteam betreut. Inhalt war eine nahezu vollzählige deutschsprachige Auflistung und Kommentierung der Veröffentlichungen zum Schwerpunkt Vampirismus sowie zahlreiche Hintergrundinformationen zu Organisationen, Begrifflichkeiten sowie der Geschichte der Szene, wie beispielsweise ein Lebenslauf der historischen Persönlichkeit Graf Vlad. Ein anderer Schwerpunkt setzte sich mit der Beschaffenheit des Blutes auseinander. Blut bedeutet symbolisiert nach Definition der Seite „nicht nur Macht, sondern auch Kraft: Gladiatoren tranken aus den Wunden ihrer sterbenden Gegner, um deren Stärke aufzunehmen“.43
Wie bereits hinlänglich beschrieben, verwischte auch die Linkliste dieser Homepage die Grenzen zwischen allen Facetten der modernen Vampirismus-Szene in Deutschland. Neben Verweisen in die Musik- oder die Gothic-Subkultur (vgl. Gothring.de; Gothic-Erotica; Dunkle Kunst), vernetzte die Webseite auch zu Okkult-Seiten wie „Demonsworld“ und direkt in die Vampirszene (vgl. Menschenblut.de; Visions of Vampires; Vampyre Planet). Dazu kamen Links zu den internationalen Vampirvereinigungen wie der „Transylvanian Society of Dracula“ und zu diversen Rollenspiel-Gruppen.44
Kein Zweifel an der Realität echter Vampire lässt die Homepage World of Vampires von Savah Weber. Die Seitenbetreiberin schildert angeblich reale Begegnungen eines Mönches mit einem echten Vampir, der als recht zugängliches Wesen beschrieben wird: „Der Mönch lernte zu erkennen, dass diese Kreatur, die, wie ihm beigebracht worden war, keine Ausgeburt des Teufels ist, sondern ein etabliertes Lebewesen, welches es in seiner Form zu respektieren galt.“45
Um die These von angeblich lebenden Vampiren aufrecht zu erhalten, sucht die Autorin auch nach pseudowissenschaftlichen Argumentationsansätzen: „Sollten sie zu Tausenden die Erde bevölkern, dann müssten wir täglich eine nicht unerhebliche Zahl an Toten finden, was ja nicht der Fall ist. Zu erklären ist dies damit, das der Mythos, dass der Vampir sein Opfer tötet, falsch ist. Sie nähren sich an uns, aber sie töten uns nicht.“46 Und für das Ausbleiben dokumentierter Verletzungen durch angebliche Vampirbisse präsentiert Savah Weber ein geheimnisvolles Sekret, das Vampire mit ihren Fängen „in die Bisswunde spritzen“. Aufgrund der Wirkung dieses Sekrets würden die Spuren des Bisses „nach einigen Stunden nicht mehr sichtbar sein“.
Neben Hintergründen zum Vampirismus widmet sich die Webseite auch dem erotischen Faktor des Vampirs, der als „unangefochtene(r) Alpha, dem es sich zu unterwerfen gilt“, glorifiziert wird. So heißt es weiter: „Ein Vampir nimmt und du gibst, unterwirfst dich seinen Sexwünschen“.47 Dazu beschreibt die Autorin den Vampir als Erwecker der „eigenen, verdrängten animalischen Gelüste“ und als „Ablassventil“ für die „eigenen sexuellen Vorstellungen“.
Die Erotik des Vampirismus steht auch im Mittelpunkt der Homepage Vampirelord’s Rest, die seit Juli 2002 bereits über 205.000 Mal besucht wurde. Betreiber ist Detlev Franke aus Dortmund, der Blutfetisch, Vampiraccessoires und Nacktaufnahmen mischt. In Rubriken wie „Vampirelords Weekly Nude-Archiv“, „Vampire der Woche“, „Fotomodelle in dunkler Atmosphäre“ werden auch blutüberströmte Modelle präsentiert.48 In einem Vampir-ABC lernt der Besucher alles Wissenswerte um den Vampirismus von der Mythology bis zur Biologie der Vampire. Insgesamt bedient die Webseite aber primär die Fetisch- und Erotik-Interessierten des Genres, was auch aus den Texten hervorgeht:
„Ein Vampir stößt tief in das Innere eines Menschen vor, in das lange verborgene und versteckte Herz, in den Hunger nach Leben! Es ist ein Band zwischen einem Vampir und seinem Partner, ein viel tiefergehendes Band, als andere es fühlen könnten. Tatsache ist die unglaubliche Liebe zwischen einem Vampir und seiner ‚Beute‘.
Ein Vampir zu sein heißt immer geben und nehmen. (...) Es ist tiefe und unglaublich intensive Leidenschaft (...) das ist der Kreis von geben und nehmen, der Austausch (...) das ist wahrer Hunger und wahre Erfüllung (...) das ist Vampyre!“49
Verlinkt ist die Homepage mit der Gothic-Subkultur und verweist zu zahlreichen Toplisten wie „Kinder der Nacht – Top 100“, „Angelic Gothic Forum – Top 150“, „Winterherz gothic Top 100“ oder „Dark Top 100“.
Eine reale Vampirfan-Gemeinschaft ist die Dracula-Society, die in Grünberg ansässig ist. Die Gruppe entwickelte sich aus der 1991 in Rumänien von Volkskundlern, Historikern und Dracula-Experten gegründeten „Transylvanian Society of Dracula“ (TSD). 1993 wurde Micha Hannasky zum Präsidenten der deutschen TSD-Sektion ernannt. Mit der Übernahme des Amtes durch Ulrike Wyche im Juni 2001 erklärte sich die „Dracula-Society“ als deutscher Flügel der TSD für selbständig.50 Ulrike Wyche hatte ihr Amt bis 2006 inne. Unter den knapp 100 Mitgliedern befinden sich Religionswissenschaftler, Historiker und Schriftsteller, die alle eine „Passion für die Blutsauger mit dem ewigen Leben“51 eint. Die Organisation ist sehr aktiv und betreibt unter anderem „Draculas Museum der Vampire und Fledermäuse“.52 Hier finden Lesungen, Musikevents und Ausstellungen zum Thema Vampirismus statt, oft von „Deutschlands berühmtestem Vampirologen“ (ZDF) Friedhelm Schneidewind aus Hemsbach.53 Dazu organisiert die „Dracula-Society“ auch „Grusel-Dinners“ wie Halloween 2004 im Hotel „Lauterbacher Wald“. Immer wieder besuchen auch Journalisten das Dracula-Museum wie zur Sendung „Bilderbogen“, die am 27.10.2004 auf „Hessen 3“ ausgestrahlt wurde.54 Zur Aktivität der „Dracula-Society“ gehört auch die Organisation von Kongressen, die alljährlich stattfinden – selbstverständlich samt Vampirball in barocker Kleidung. Der Titel 2005: „Der Vampir im Film“.55 Von selbsternannten Blutsaugern oder den sog. „realen Vampyren“ grenzt sich die „Dracula-Society“ ab. In einer Erklärung der früheren Präsidentin Ulrike Wyche heißt es: „Wenn wir Blut sagen, meinen wir Ketchup, und unsere Vorsitzende ist nicht die einzige Vegetarierin in unseren Reihen. Als Freunde vampiresker Unterhaltung buddeln wir so wenig Leichen aus wie Krimifans Lebende unter die Erde bringen.“56
Die Homepage der Gruppe erfüllt zum Teil durchaus auch wissenschaftliche Kriterien und setzt sich mit dem Vampir-Mythos, dem Lilith-Mythos oder dem „Vampir in der rumänischen Literatur“ auseinander. Das Resümee der Seitenbetreiber klingt deutlich nüchterner als auf den meisten anderen Internetseiten zum Thema: „Zwar fehlen Umhang, Sarg und spitze Zähne, doch wird man dafür mit der Entdeckung einer zu Unrecht vernachlässigten europäischen Literaturtradition entschädigt.“57
Im Gästebuch58 findet sich ein breiter Mix von Einträgen aus Museumsbesuchern, Literaturfans, aber auch Anhängern von sexuellem Fetisch.
So schreibt eine Frau aus Graz: „Hei Vampire der Nacht ich (bin) hier ganz neu und liebe Vampire und Van Helsing Videos. Diese Seiten finde ich cool ha: Außerdem trinke ich gern kirschroten Rübensaft (...) Werde hoffentlich zu Euch stoßen ihr Schwestern und Brüder der Nacht.“ (1.2.2005)
Ein anderer Eintrag von einem User mit dem Pseudonym „der knecht“: „suche Herrin, bin bereit euch zu dienen! Erwarte sehnlichst Euere Befehle.“ (29.1.2005)
Ein dritte Eintrag, wo es unzweifelhaft um Blutfetisch geht: „meine Freundin dreht seit dem sie bei Euch war total am Rad. Sie saugt mir ständig das Blut aus. Aber egal, was tut man denn nicht alles aus Liebe! Der Ausgesaugte“ (29.1.2005)
Der „Dracula Society“ steht die deutschsprachige Homepage Vampyr-journal nahe. Verantwortlich für das „Internationale Vampyr-Magazin“ zeichnet Friedhelm Schneidewind.
Eine der wichtigen internationalen Szenepublikationen ist das „Journal of Dracula Studies“, das von der Kanadischen Sektion der Transylvanian Society of Dracula (TSD) herausgegeben wird. Das einmal im Jahr erscheinende Organ widmet sich unter anderem Bram Stoker, der Dracula-Geschichte, Vampirismus in der Folklore, im Film und in der Prosa und Roman-Literatur.59 Die „Transylvanian Society of Dracula“ beschreibt sich als politisch-unabhängige, nicht-kommerzielle weltweit operierende Gruppe, mit einem Hauptquartier in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Das Hauptquartier wurde nach dem Fall des Kommunismus 1991 ins Leben gerufen, um die Kontakte zwischen Forschern aus Ost und West auszubauen und den „Dracula-Tourismus“ zu beleben. 1995 organisierte die Gruppe in Rumänien den ersten „World Dracula Congress“. Die Veranstaltung stand Teilnehmern aus der ganzen Welt offen, die „ein seriöses“ Interesse an seiner „Erfindung und/oder seiner Geschichte“ haben.60 An der Gründungsveranstaltung nahmen neben Referenten der Vampirgesellschaft auch Dan Matei Agaton vom Rumänischen Tourismus-Ministerium teil, das sich von den Vampirfans wohl wachsende Attraktivität für reiselustige Hobby-Vampirforscher verspricht. Folglich definiert sich die Vereinigung auch nicht als „Fan-Club“, sondern als Forum, in dem wissenschaftlich zum Phänomen Vampirismus geforscht wird. Inzwischen fanden die Folgekongresse „Dracula 97“ in Los Angeles und „Dracula 2000“ in Rumänien statt. Insgesamt kamen 200 Vampirfans aus aller Welt nach Transsilvanien, die hier historische Schauplätze bewunderten. Ein Schwerpunkt war das neue Buch der Herausgeberin des „Journal of Dracula Studies“, Elisabeth Miller: „Dracula: Sense & Nonsense“. Ein weiteres „Highlight” für die Kongressbesucher war der Besuch des englischen Film-Stars Ingrid Pitt, die durch ihre Rollen in den Filmen „The Vampire Lovers“ und „Countess Dracula“ bekannt wurde. Präsident des deutschen Chapters der TSD ist der Kölner Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke, der u.a. 2003 auf dem Kongress der „Dracula-Society“ im hessischen Steinbach referierte. Sein Thema war die „New Yorker Jugendsubkultur“, wo es etliche Vampirclans mit „familienähnlichen Strukturen und unglaublicher Vereinsmeierei gibt“.61
Die rasant wachsende Vampir-Szene hat eine regelrechte Industrie entstehen lassen, die den subkulturellen Vampirismus kommerziell begleitet. So findet man im Internet auch etliche Vampir-Shops. Eine Zahntechnikerin beispielsweise offeriert zahlreiche „Vampirzähne-Varianten“, die individuell „per Hand neu angefertigt“ werden.62 Zum Angebot gehören neben der „klassische(n) Dracula-Variante“, ein „einfaches Paar verlängerter, spitzer Eckzähne“ auch exklusivere Varianten, die dem Film „Interview mit einem Vampir“ angelehnt sind: „ein dreifaches Paar spitzer Zähne auf kleinen Schneidezähnen, Eckzähnen und kleinen Backenzähnen“. Im Angebot ist aber auch die „Variante Raubtier“ oder die „Dandy-Variante“. Die Preise liegend zwischen 125 und 325 Euro für das passende Gebiss. Andere spezialisierte Geschäfte verkaufen neben Vampirzähnen auch Kontaktlinsen, Kleidung und Fetisch-Utensilien. Ein Beispiel ist der Wörstadter „Vampirshop“.
Aus Rostock kommt die Vampirvereinigung clessidra ligamentum, deren Homepage von Heiner Goetz ins Netz gestellt wird. In der Selbstdarstellung schreibt die Gruppe, sie strebe einen „unabhängigen Kreis von Vampy/iristen“ an, „die wünschen, sich näher mit dem Thema auseinander zu setzen, Gleichgesinnte zu treffen und die Atmosphäre dieses Mythos Vampir zu genießen“.63 Dazu behauptet die Organisation, es sei ihr Ziel, „die Lehren des Energievampyrismus“ unter ihre Mitglieder zu bringen.
Die Internetseite zeigt, dass eine Grenzziehung zwischen subkulturellem Flair, okkulter Mystik und Blutfetisch kaum möglich ist. Vielsagend ist der auf der Webseite hervorgehobene sog. „ethische Grundcodex“ mit dem Titel „Der Schwarze Schleier“ (Black Veil), dem sich zahlreiche Vampir-Organisationen angeblich unterordnen. Hier heißt es: „Seid nicht gewissenlos. Handle immer mit Bedacht auf Sicherheit. Trinke niemals, weil du glaubst, es würde dich mächtiger machen; trinke, weil dies ist, was du tun musst.“
Auch ein weiterer abgedruckter Grundsatz legt den Verdacht nahe, dass es um das Trinken von Menschenblut geht: „Das Trinken sollte zwischen einverstandenen Erwachsenen stattfinden. Erlaube jedem Donneur, eine informierte Entscheidung zu treffen, bevor sie von sich an dich geben. Nimm nicht bedenkenlos oder übermäßig, versuche einen allgemein nützlichen und angenehmen Austausch zu fördern.“64
In einer Rubrik „Vampiric Translations“, die der Homepage beigefügt ist, werden die Besucher mit dem szeneinternen Wortschatz vertraut gemacht. Unter „Donor“ (= Donneur) beispielsweise versteht die Szene Personen, die ihr „Blut oder ihre Lebensenergie geben“, ohne dass für den Empfänger „Verpflichtungen“ daraus entstehen. Andere Begriffe sind „Blutjunkie“, „Bluttrinker“ oder „Haven“, was einen Vampirclub oder einen Treffpunkt für Vampire bezeichnet. Als „Coven“ werden „Gruppen von Individuen und Organisationen“ bezeichnet, die den „Vampy/irlebensstil etablieren“. Unter „Blutspiel“ definiert die Seite „das Verwenden von Blut in sexuellen oder in Fetischsituationen“. Im Gegensatz zum Blutfetischismus differenziert die Szene den sog. „sexuellen Vampirismus“, der eine „psychische Form des Vampirismus“ beschreibt, die das Aussaugen in Form „sexueller Energie“ und nicht von Blut bedeutet. Unter „Erwachen“ schließlich versteht die Vampirszene den „Moment des Erkennens der eigenen Vampirnatur“.65
Deutlich stellt die Organisation lediglich heraus, dass sie den Vampirismus sehr ernst nimmt. Dazu gehört auch die unzweideutige Abgrenzung, „KEIN Rollenspielverein“ zu sein. Darüber hinaus ist die Mitgliedschaft nur Personen ab dem 18. Lebensjahr gestattet. In dem gut besuchten Forum, in dem knapp 100 Themen diskutiert werden, geht es insbesondere auch um „Blutvampirismus und Psivampirismus“. Nicht wenige Besucher in der Foren-Diskussion outen sich als Fans von realem Blutfetischismus.
Das dokumentiert beispielsweise das Posting von Gabriel am 25.6.2003:
„Ich persönlich empfinde auch am Blutvampirismus ein sehr großes Interesse und im Privaten gestaltet sich dies auch zumindest für mich sehr angenehm.“
Das in der Szene neben dem Blutfetischismus auch der wissenschaftliche Fachwortschatz präsent ist, bestätigt ein weiteres Posting. Die Diskutantin verwischt in einer sehr brisanten Stellungnahme die Trennlinie zwischen Aggressor und Opfer. Eine Diskussionsteilnehmerin namens Yve schreibt am 26.6.2003:
„Sicher gibt es den sogenannten Blutfetischismus (Hämatophilie) und auch die in der Sexualpathologie beschriebene Häm(at)odipsie, die kriminalistisch nicht unbedenklich ist, wenn sie gegen den Willen des Opfers stattfindet. Beides wird als sexuell abartig beschrieben. Aber wer bestimmt das ? (...) Wie oft hört man Menschen sagen, dass sie kein Blut sehen können. Genau diese Menschen sind es aber, die bei einem schweren Unfall ganz fasziniert hinsehen, vor allem, wenn viel Blut geflossen ist. Die Faszination des Blutes steckt in uns allen! Ein Vampir ist ein Blutsauger und nichts anderes! Das war immer so und das wird immer so bleiben!“
Darüber hinaus sorgt sich die Diskutantin um den Ruf des Vampirismus und bedauert, dass „die sogenannten lebenden Vampire, wie z.B. die Blutgräfin Elisabeth Bathory häufig in Verbindung mit schrecklichen Bluttaten“ genannt werden. Dennoch fühlt sie sich zum realen Vampirismus hingezogen:
„Vampirismus ist Blut! Der sanguine Vampirismus bedeutet für mich eine unendliche Sehnsucht, Liebe, Vertrauen, sicher auch in Form von Macht, jedoch kein Ausnutzen dieser. (...) Ich für meinen Teil bin immer in Erwartung und voller Sehnsucht und ich hab immer irgendwo ein Skalpell versteckt.“66
Inzwischen kann man im Anbetracht der rund um die Uhr diskutierten Inhalte von einem Faszinosum sprechen. In zahlreichen Internet-Foren der Vampir- und Gothic-Szene diskutieren vornehmlich junge Leute ernsthaft und kontrovers über die Existenz von angeblich realen Vampiren und schenken Mitdiskutanten Glauben, die sich als reale Vampire ausgeben. Beispielhaft für ganz viele Foren seien hier Auszüge aus der in der Szene sehr beliebten Webseite „Das Schwarze Netz“ aufgeführt.67 In der Rubrik „Vampirismus“ fand sich folgende Diskussion:
„Hi, ich kenn mich da nicht so aus, aber ich glaube an Vampire! Ich meine, warum sollte es sonst so viele Geschichten über die Fürsten der Nacht geben, wenn es sie dann doch nicht gibt.“ (Miya, 11.1.2004, 02.10 Uhr)
„Vampire sind eine Erfindung der Filmindustrie und von Schriftstellern.“ (Lichtengel R., 11.1.2004, 02.15)
„Wie erklärst Du dir dann die ‚Verbindung‘ zwischen Vlad ‚dem Pfähler‘ Dracul und der Gestalt des Dracula. Denn es ist unbestritten, dass es den Transylvanier Dracul tatsächlich gegeben hat! Also warum sollte es denn lediglich eine Fiktion der Film- und Romanindustrie sein. Und da frage ich mich noch, weshalb selbst in unserer, von Realismus geprägten Generation, Vampyre immer noch ‚aktuell‘ sind?“ (setra, 11.1.2004, 02.35)
„Zieh Dir mal die Berichte rein oder besuche die Burg – keiner wird Dir dort sagen, dass der Graf D. ein Vampir war (...).“ (Lichtengel R., 11.1.2004, 02.45)
„Vampyre oder besser gesagt Blutsauger gibt es weit länger als die Geschichte von Dracula oder den Grafen Vlad Dracul. Nahezu in allen Mythologien der alten Völker kommen sie vor. Egal ob Europa, Asien, Südamerika oder Afrika.“ (setra, 14.1.2004. 20.17)
„Ich bin ein Vampyr, damit dürfte die Hälfte der Fragen um unsere Existenz geklärt sein. Natürlich gibt es Zweifler, aber das ist auch nur natürlich in anbetracht der vielen Klischees über uns. Wenn ihr mehr rausfinden wollt, mailt mir.“ (Valech, 25.5.2004, 21.33)
„Von was ernährst Du dich ? Von Blut ? Erläutere das mal näher. Auch um welche Art von Blut es sich handelt, falls es so ist.“ (Uncle Tincake, 25.5.2004, 22.09)
„Ich muss zwar gestehen, dass die Existenz von Vampyren eigentlich nicht in mein Weltbild passt, doch bringen mich die jüngsten Geschehnisse zum zweifeln.“ (Menschenfeind, 26.5.2004, 15.47)
„Ja, von Blut. Unser Körper ist natürlich au(ch) im Stande anderes aufzunehmen, wir verschmähen keinen guten Wein, aber das eher aus Genuss, Blut ist unsere Quelle. Wir nehmen (es) venös auf, durch Kanäle in unseren ausgeprägten Zähnen. Schließlich ist in Blut alles was wir brauchen. Aber da wir nur zum Teil physischer Natur sind und das was unseren Geist darstellt auch genährt werden will zehren wir sozusagen von der Seele unseres Opfers.“ (Valech, 26.5.2004, 15.50)
„Ich bin kein Vampyr, hatte aber schon Begegnungen und interessante Gespräche mit ihnen.“ (Horus, 12.07.2004, 22.59)
„pfff ... Valech ? Da begegne ich eher einer zwei Meter hohen Gummiente mit Strapsen, als dass Valech ein echter Blutsauger/Seelensauger ist. (...) Ich habe nicht gesagt, dass ich NICHT an Vampire glaube, lediglich das was diese Pseudovampire hier vom Stapel fallen lassen, treibt einem das Wutzittern in die Finger.“ (Samael, 13.7.2004, 18.26)
„okay, Samael. Die Faker sind auch Scheiße (...) Da gebe ich Dir ja recht (...) aber woher willst Du wissen, ob es stimmt oder nicht ??“ (Mystische Fee, 13.07.2004, 18.27)
Die Auszüge aus den Foren dokumentieren die gesamte Problematik der Subkultur: Natürlich sind viele medienerfahrene User in der Lage, zwischen ernstgemeinten Beiträgen und Aufschneidern zu unterscheiden. Auch ist davon auszugehen, dass die meisten Menschen wissen, dass Vampire Romanfiguren ohne jeglichen Realitätsbezug sind. Mit dem Auftreten einer Subkultur der „real Vampire“, „Vampyre“ oder „modernen Vampire“ sind die Blutsauger aus den Romanen plötzlich zum Leben erwacht. Und wie bei den original Vorlagen aus der Romanwelt von Stoker und Rice gehören das Trinken von Blut und andere okkulte Rituale zum Repertoire. Besonders die ausgeprägte Internetpräsenz macht die Gesamt-Szene zu einem Melting-Pott, in dem die literarischen Schwärmereien von Fantasie- und Romanfans mit der Welt der vermeintlich „echten Vampire“ verschwimmen. Ob Webseiten nur von Romantikern oder Blutfetisch-Fans, Rollenspielern oder Angehörigen echter und zum Teil hochproblematischer Vampirfamilien und Okkultorden stammen, ist für Außenstehende und Szeneneulinge kaum durchschaubar.
Eine Trennung zwischen „harmlosen Rollenspielern“ und „gefährlichen Blutfetischisten“ ist nicht möglich. So bestätigen relevante Gruppen aus dem sog. realen Vampyr-Spektrum, dass „viele Mitglieder“ durch früheres Rollenspiel „ihren Weg in die Reihen des gelebten Vampirismus fanden“. Das Rollenspiel habe genauso wie die Vampirchroniken der Anne Rice zum „Wachstum der Szene“ beigetragen, da „viele Vampire durch das Darstellen derartiger Charaktere ihre innere Bestimmung“ entdeckt hätten.68 Hier bekommt die Rollenspielgemeinde eine Art Brückenkopffunktion in den jugendsubkulturellen Mainstream.
Darüber hinaus fällt die Quantität des Vampirismus im Internet auf. Inzwischen sind Toplisten entstanden, auf denen sich Hunderte von Vampirseiten präsentieren, wie etwa „Die Blutschwerter-Toplist“.69 In einer Szene, die die Existenz echter Vampire – auch im eigenen Forum (sic !) – als real erachtet, fällt die Werbung für begleitende Gewalt-Literatur wie das „Buch Noctemeron“ auf fruchtbaren Boden. Verkürzt: In einer jungen Szene, in der die Existenz von Vampiren in Teilen zur gesellschaftlichen Normalität gehört, wird auch den Gewaltbotschaften eines selbsternannten Vampirs wie Frater Mordor nicht mit der genügenden Ernsthaftigkeit entgegengetreten. Im Gegenteil: In diesem Umfeld besteht die Gefahr, dass sog. „Real Vampire“ in derlei Werken Gebrauchsanweisungen und Findungshilfen sehen, wie sie ihrer virtuellen Charaktermaske/Rolle, einen realen Überbau schaffen können.
Rainer Fromm
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Anmerkungen
(Die meisten der nachfolgenden Quellen-Links sind Stand 2024 nicht mehr zielführend)
1 Albert Schroeder, Vampirismus, Frankfurt a. M. 1973, 1.
2 Ebd., 12f.
3 Frater Mordor, Das Buch Noctemeron, Leipzig 2003, 176.
4 Vgl.www.noctemeron.com / www.vampirismus.html.
5 Frater Mordor, Das Buch Noctemeron, 24.
6 Norbert Borrmann, Vampirismus, München 1999, 50ff.
7 Vgl. http://lexikon.evantax.de/vampir/.
8 Norbert Borrmann, Vampirismus, 58.
9 Ebd., 112.
10 Ebd., 73.
11 Vgl. Gunter E. Grimm, Dracula und seine Erben, Duisburg o.J., 9.
12 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Vampirimus.
13 Vgl. www.dragon-heard.de/html/vampire.htm.
14 Gunter E. Grimm, Dracula und seine Erben, 14.
15 Vgl. www.vampyrbibliothek.de.
16 Vgl. Gunter E. Grimm, Dracula und seine Erben, 14.
17 Bekannt wurde Rice vor allem mit ihrer Romanreihe um den Vampir Lestat, den „Vampire Chronicles“ (dt. „Chronik der Vampire“). Weltruhm errang sie mit ihrem 1976 veröffentlichten Debüt-Roman „Interview with the Vampire“, der 1994 mit Tom Cruise verfilmt wurde.
18 Vgl. www.vampyrbibliothek.de.
19 Vgl. http://toonorama.com/encylopedia/V/Vampirismus/.
20 Vgl. http://infos.ausgermanien.de/Moderner_vampir.
21 Vgl. http://toonorama.com/encylopedia/V/Vampirismus/.
22 Clemens Ruthner, Sexualität macht tod/t; www.kakanien.ac.at/beitr/fallstudie/CRuthner1.phf, 13 (13.4.2002).
23 Vgl. www.elisabethas-night.de.
24 Ebd.
25 Vgl. www.elisabethas-night.de/Mythos.html.
26 Vgl. www.dragon-heard.de bzw. www.villa-fledermaus.de.
27 Vgl. www.clessidra.de.
28 Vgl. www.vampires.at/About/Vereinigung/Vereinigung.html.
29 Vgl. www.vampires.at/Vampires/History/Vlad/Vlad.html.
30 Vgl. www.vampires.at/Vampires/History/timeline/Timeline.html.
31 Vgl. www.vampirclub.de.
32 Vgl. www.vampir-club.de/vampirregeln.htm.
33 Vgl. www.vampire-world.com.
34 Ebd.
35 Ebd.
36 Vgl. www.vampyrbibliothek.de.
37 Vgl. www.vampyrbibliothek.de/gilles_de_rais.htm.
38 Vgl. www.vampyrbibliothek.de/weitere_vampire.htm.
39 Vgl. www.vampyrbibliothek.de.
40 Vgl. www.vampyrbibliothek.de/die_bibliothek.htm (17.4.2005).
41 Vgl. http://people.freenet.de/vampyre-amizaras/breed/member-amizaras.htm.
42 Vgl. vampyrbibliothek.de/linkliste_3.htm.
43 Vgl. www.sanktuarium.de/blut/vampirblut3.htm.
44 Vgl. www.sanktuarium.de/links/vampirlinks1.htm; www.sanktuarium.de/szene/vampirszene3.htm.
45 Vgl. www.worldofvampires.com/fakt_oder_fiction.htm.
46 Vgl. www.worldofvampires.com/mythos.htm.
47 Vgl. www.worldofvampires.com/sexueller_wunsch.htm.
48 Vgl. www.darkvampires.de/Vampirelord/art2.htm.
49 Vgl. www.darkvampires.de/Vampirelord/art3.htm.
50 Vgl. www.dracula-society.de/tsinhalt.htm (seit kurzem sind die Internetseiten der Dracula-Society nicht mehr zugänglich – die Red.).
51 Frankfurter Rundschau v. 17.1.2003.
52 Vgl. www.dracula-society.de/Museum/besucherfotos.htm.
53 Vgl. www.friedhelm-schneidewind.de/.
54 Vgl. www.dracula-society.de/Museum/past-events.htm.
55 Vgl. www.dracula-kongress.de/presse.htm.
56 Vgl. www.benecke.com/vampirsubkultur.html (12.5.2005).
57 Vgl. www.dracula-society.de.
57 Vgl. http://421124.guestbook.onetwomax.de/.
59 Vgl. www.ucs.mun.ca/~emiller/jds.htm.
60 Vgl. www.ucs.mun.ca/~emiller/tsdchap.htm.
61 Vgl. www.benecke.com/kuriervamp.html.
62 Vgl. www.vampirshop.de/store/commerce.cgi?page=zaehne.htm.
63 Vgl. www.clessidra.de.
64 Ebd.
65 Ebd.
66 Vgl. www.clessidra.de/wbboard/main.php.
67 Vgl. www.dasschwarzenetz.de/x.php3?X=Su&SZ=92 .
68 Vgl. www.clessidra.de/v/critique.html.
69 Vgl. www.blutschwerter.de/toplist.php; vgl. auch www3.topsites24.de/pro/Vampiera/index.html.