Alternativmedizin

Verkaufsstopp des kritischen Warentest-Handbuchs

Die Stiftung Warentest hat eine im November 2005 von der Deutschen Homöopathie-Union beantragte einstweilige Verfügung anerkannt und die Neuauflage ihres gerade erschienenen Handbuchs „Die Andere Medizin“ kurzfristig vom Markt genommen. Darin war behauptet worden, für ein homöopathisches Komplexmittel gegen Schnupfen gebe es keinerlei Wirkungsnachweis. Tatsächlich ist das Mittel aber ein zugelassenes Arzneimittel gegen Heuschnupfen, für das sehr wohl die erforderlichen Nachweise vorliegen. Die Stiftung Warentest kündigte an, dass ihre kritische Bestandsaufnahme im Februar ohne den umstrittenen Passus wieder im Buchhandel erhältlich sei.

Das in fünfter Auflage erschienene Handbuch hat seit seinem Erscheinen im September vehemente Kritik hervorgerufen. In dem Buch werden zwei Drittel von 52 komplementärmedizinischen Diagnose- und Behandlungsverfahren als untauglich bewertet. Als entscheidendes Kriterium wurde meistens der Mangel an ausreichenden kontrollierten Studien angeführt, die nach den strengen Regeln der evidenzbasierten Medizin für einen Wirksamkeitsnachweis nötig sind. Gustav Dobos, Schulmediziner und Inhaber des einzigen deutschen Lehrstuhls für Naturheilkunde in Essen, kritisiert jedoch dieses Vorgehen und tritt bei seinen Kollegen und den Medien für einen fairen und sorgfältigeren Dialog mit alternativen Therapien ein. Nach seiner Beobachtung werde „der forschungspolitisch bedingte Mangel an validen Studien in Deutschland häufig dazu benutzt, die Alternativmedizin pauschal zu diskreditieren“. Er weist auf den Widerspruch hin, dass trotz der hohen Akzeptanz für Naturheilkunde und Alternativmedizin bei der Bevölkerung in der Forschung große Wissenslücken in diesem Bereich bestehen. Während die amerikanische Gesundheitsbehörde seit acht Jahren ein eigenes Institut zur Erforschung komplementär- und alternativmedizinischer Wirkungsweisen unterhalte, dass jährliche Forschungsgelder in Höhe von 140 Mio. Dollar vergibt, fördere die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) aktuell kein einziges Projekt im Bereich Naturheilkunde.

Darüber hinaus ist Heilung als ein komplexes Geschehen aufzufassen, zu dem die ganze Person als Körper-Seele-Geist-Einheit beitragen kann. Eine Reduktion auf ihre rein materiellen Aspekte und die Ausgrenzung von allem nicht-schulmedizinischen Wissen und vielfältigen Erfahrungen vernachlässigt das Heilungspotential, das im seelisch-geistigen Bereich liegt. So hat der „Fehlstart“ des Warentest-Handbuchs sowohl auf die Lücken im System hingewiesen – wer kann heute noch alle publizierten Studien zu einer Fragestellung zur Kenntnis nehmen! – als auch unmissverständlich die methodischen Grenzen eines eindimensionalen Prüfverfahrens aufgezeigt.


Michael Utsch