Von Adam bis Muhammad. Bibel und Koran im Vergleich
Stefan Jakob Wimmer, Stephan Leimgruber, Von Adam bis Muhammad. Bibel und Koran im Vergleich, Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2005, 256 Seiten, 19,90 Euro.
Allgemein verständliche Zugänge zum Koran und vergleichende Werke zu Koran und Bibel mehren sich in den letzten Jahren auf dem Büchermarkt. 2004 waren es die Bücher von Joachim Gnilka und Karl-Wolfgang Tröger, die mit sehr unterschiedlichen Herangehensweisen Bibel und Koran erschlossen haben. Auch Adel Khourys neues Buch zum Koran (2005) bietet Vergleiche mit der Bibel. Der vorliegende Band ist ausdrücklich mit dem Interesse des interreligiösen Lernens und der Religionspädagogik entstanden wie schon das von Leimgruber gemeinsam mit Andreas Renz veröffentlichte Buch „Christen und Muslime – Was sie verbindet, was sie unterscheidet“ (2004). Erfreulich ist auch hier die Verstehenshermeneutik, die Bibel und Koran je als heilige Schriften würdigt und zugleich die Fremdheit des Korans für Christen respektiert. In einem großen Einführungsteil von fast 90 Seiten wird in Probleme der Exegese, des historischen Werdegangs der beiden Kanones, über die Inhaltsstruktur und das grundsätzliche Problem der Vergleichbarkeit nachgedacht. Notwendigerweise geraten bei der Knappheit des Raums und dem eher pädagogischen Interesse auch einige Gegenüberstellungen etwas simpel: Während die Bibelexegese in ihrer ganzen Vielfalt aufgeblättert wird, bleibt es für den Koran bei einigen lapidaren Bemerkungen darüber, dass und warum er nicht mit historisch-kritischen Methoden erforscht werde. Hier wäre ein ähnlich differenzierter Einblick in die, wenn auch oft noch zaghaften, aber nicht wenig lebhaften neueren Auslegungsvorschläge von schiitischer Seite, aber auch aus dem sunnitischen Raum hilfreich gewesen, um Klischees aufzubrechen. Auch hat die Koranforschung inzwischen einen komplizierteren und langwierigeren Entstehungsprozess des Korans freigelegt, als er hier rekapituliert wird (40f).
Im Folgenden werden die beiden heiligen Bücher in biblisch-„chronologischer“ Reihenfolge, d.h. ab der Schöpfungsgeschichte thematisch vergleichend aufgeschlüsselt: in bewundernswerter sprachlicher Kleinarbeit werden die Parallelgeschichten einander gegenübergestellt und profiliert. Einer kurzen Einleitung folgt die zweispaltige Textwiedergabe (Bibel links, Koran rechts), die wiederum kommentiert wird. So erfährt der Leser z.B., dass die Noah-Erzählung im Koran u.a. in Sure 11, 66 und 37 vorkommt, jedoch kein Regenbogenmotiv und eine Rettung der recht Glaubenden kennt, während in Gen 6-8 nur Noahs Familie und die Tierarten gerettet werden. Die Motiv-Folge orientiert sich an klassischen biblischen Gestalten: nach Joseph geht es weiter mit Mose, den Königen, den Propheten bis hin zu Jesus Christus und dem interessanten Thema der muslimischen Interpretation von „Muhammad in der Bibel“, d.h. den entsprechenden Ankündigungen in biblischen Büchern: Die Autoren weisen darauf hin, dass mit dem gleichen Recht, mit dem vom Neuen Testament bzw. von christlichen Interpreten alttestamentliche Ankündigungen auf Jesus bezogen werden, die Muslime biblische Ankündigungen auf Muhammad beziehen.
Etwas eilig mutet der Versuch an, in einem kurzen Exkurs in Anlehnung an B. Stubenrauch das Reizthema Trinität neu anzusprechen, um hier mit neuen Akzenten in den Dialog eintreten zu können – für den Leser bleibt immerhin der Denkanstoß, über Trinität auch jenseits altkirchlicher Formeln nachzudenken. Auch die drei weiteren Exkurse („Heiliger Krieg“, Erbsünde, Psalmen) sind weniger als gedrängte Kurzinformationen denn als Kurzessays zu lesen, der Text zum „Heiligen Krieg“ mit stark appellativ-homiletischem Charakter.
Jedem thematischen Komplex (Urgeschichte, Abraham, Joseph etc) sind „didaktische Impulse“ beigegeben, oft mit konkreten Vorschlägen für einzelne Jahrgangsstufen orientiert am RU-Rahmenplan. In einem Anhang finden sich zu jedem der zwölf Kapitel ausführliche Literatur- und kommentierte Medienhinweise (Filme, Diaserien, Audio-Medien), ein ausführliches Verzeichnis von Koran- und Bibelausgaben und ein Registerteil. Nicht ganz zu überhören ist bei aller ökumenischen Offenheit der katholische Hintergrund, der sich ab und zu z.B. an der Zitation konziliarer Texte bemerkbar macht. Insgesamt liegt hier ein mit den genannten Einschränkungen höchst lesenswerter und hermeneutisch erfreulich aufgeschlossener Band vor. Er ist sowohl für das private neugierige Eigenstudium zwischen Bibel und Koran mit zahlreichen überraschenden Einsichten wie auch für endverbrauchende Religionspädagogen und Erwachsenenbildner zu empfehlen.
Ulrich Dehn