Hansjörg Hemminger

Von der Ursuppe zum Punkt Omega

Die Evolution des Lebendigen aus kosmischer Perspektive

Evolutionstheorie und Evolutionsphilosophie

Wenn man über Evolution spricht, haben die meisten Menschen eine Milliarden Jahre umgreifende Naturgeschichte vor Augen, die Kosmologie, Geologie, Biologie und vielleicht sogar die Menschheitsgeschichte einschließt. Sie vertrauen darauf, dass es sich dabei um eine Geschichte auf naturwissenschaftlicher Grundlage handelt, auch wenn ihnen vielleicht bewusst ist, dass das große Evolutionsgemälde selbst keine naturwissenschaftliche Theorie ist, sondern allenfalls solche Theorien interpretiert. Aus dieser Interpretation entsteht eine großartige Welterzählung:Das Leben begann mit einer geheimnisvollen chemischen Reaktionsfolge. Durch anorganische Prozesse entstanden zuerst komplexe, aber nicht reproduktionsfähige Moleküle in einer hypothetischen „Ursuppe“. Je nach Modell waren es vielleicht auch molekulare Filme, die einer mineralischen Oberfläche anhafteten. Der Übergang zu reproduktionsfähigen, zur Umwelt hin abgegrenzten Systemen war gleichzeitig der erste Schritt zum lebenden Organismus, der vor rund 4 Milliarden Jahren getan wurde. Die Fossilien simpler Einzeller tauchten aus geologischer Sicht nur wenig später auf, die höheren Zellen (Eukaryoten) entstanden vor 2 Milliarden Jahren. Die ersten Vielzeller existierten damals vermutlich ebenfalls schon, sind aber nur schlecht überliefert. Komplizierte vielzellige Lebewesen (die Ediacara-Fauna) gab es vor 610 Millionen Jahren, die Wirbeltiere vor 500 Millionen, die Säugetiere vor 200 Millionen, die höheren Primaten vor 40 Millionen, die Gattung Homo vor 2,5 Millionen Jahren und schließlich den Menschen als Art Homo sapiens vor höchstens 200 000 Jahren.Von dieser „großen Erzählung“ über Ursprung und Werden der Welt, des Lebens und des Menschen geht eine Faszination aus, die weit über die Biologie hinausreicht. Sie erzeugt eine umfassende Evolutionsidee, ein evolutionäres Weltgemälde, von dem man die biologische Theorie im engeren Sinne unterscheiden muss. Der Freiburger Molekularbiologe Rainer Hertel nennt zwei Bedeutungen des Evolutionsbegriffs: „... eine schlicht-biologische und eine große, umfassend-philosophische. Die Evolutionslehre im engeren Sinne, das innerbiologische Denken über Stammesgeschichte, ist vom Neodarwinismus geformt; sie handelt von Variation (Mutation und Rekombination), Selektion (natürliche Auslese), ökologischen Nischen und Artbildung ... Die andere, mehr philosophische Edition – man darf die Große Evolution auch Weltlauf oder Weltgeist nennen – umfasst Geburt und Entwicklung von Sternen an einem Ende und die Evolution der Kultur und Ökonomie am andern. Die Biologie ist der Mittelteil ... Die große Theorie betont – auch in der Biologie – die Entstehung von Neuem, die Zunahme an Komplexität, das Aufkommen immer höherer Organisation: Atome, Moleküle, Zellen, Organismen, Populationen und intelligente Strukturen, vom Wasserstoff zum Geist.“2Derzeit steht der Begriff „Evolution“ inflationär für alles, was sich irgendwo und irgendwie über längere Zeit entwickelt und bei dem vielleicht (nicht einmal das ist immer der Fall) eine Form von Konkurrenz und Selektion beteiligt ist. Meist handelt es sich allenfalls um Analogien zur Evolutionstheorie im biologischen Sinn. In der Philosophie – man denke an geschichtliche Entwicklung des Geistes bei Hegel – und in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (z. B. bei von Hayek) spielten und spielen solche Analogien eine wichtige Rolle. Eine Reihe von „Brückendisziplinen“ sind entstanden, die beanspruchen, neodarwinistische Evolutionsmodelle auf andere Disziplinen auszuweiten: evolutionäre Erkenntnistheorie, evolutionäre Ethik, evolutionäre, kognitive Religionstheorie usw. Diese Versuche sind einerseits fruchtbar, lassen aber andererseits häufig die methodischen und theoretischen Unterschiede zur Naturwissenschaft verschwimmen oder beanspruchen sogar, selbst reine Naturwissenschaft zu sein. Ein Beispiel, das Konzept der „Meme“, wird noch betrachtet werden. Kann man diese Brückenbauten zwischen Biologie und den Sozialwissenschaften, bis hin zur Philosophie, als den Versuch verstehen, die „Entwicklung des Weltgeistes“ zu erfassen, wie Rainer Hertel vorschlägt?

Was sagt uns die Biologie?

Auch abgesehen von dieser Frage nach der Entwicklung des „Weltgeistes“ regt die Evolutionsbiologie Überlegungen an, die über sie selbst hinausreichen. Die Lebewesen entwickelten sich nach ihr zwar ungeheuer vielfältig, aber im Hauptstrom doch in eine Richtung, nämlich von weniger komplexen zu komplexeren Formen. Das menschliche Gehirn stellt den uns bekannten Gipfel dieser „Komplexifizierung“ dar. Einfache Organismen verschwanden im Zuge dieser Entfaltung des Komplexen jedoch nicht, sondern blieben als Basis der sich selbst immer höher aufbauenden ökologischen Pyramide erhalten.Weiterhin ist die Vielfalt der Gestalten in Vergangenheit und Gegenwart erstaunlich. Das Leben manifestiert sich nicht in perfekten Meisterstücken der Evolution, sondern in zahlreichen, scheinbar zweckmäßigen ebenso wie unzweckmäßigen und bizarren Bauplänen. Dabei scheint die Wandelbarkeit der Organismen im Detail auf den ersten Blick unendlich zu sein: „Endless forms most beautiful“ machte Charles Darwin in der Natur aus. Bei näherem Hinsehen erweist sich aber gerade diese Vielfalt auf charakteristische Weise als begrenzt. Es gibt vereinheitlichende Gegenspieler, nämlich auf der einen Seite einen Konservativismus der Baupläne. Zum Beispiel haben alle Hundertfüßler aus der Gruppe der Scolopendromorpha, das sind mehrere hundert Arten, 21 oder 23 Beinpaare, niemals 22. Eine gerade Zahl von Beinpaaren gibt es nicht, nicht einmal als Fehlbildung. In der verwandten Gruppe der Geophilomorpha schwankt die Zahl der Körpersegmente, aber niemals treten gerade Zahlen auf. Welche Entwicklungszwänge stehen hinter dieser kuriosen Festlegung?3 Zum anderen gibt es zahllose Konvergenzen unter den Lebewesen: Immer und immer wieder bringt die Interaktion zwischen Lebewesen und Umwelt funktional ähnliche Lösungen für ähnliche Aufgaben hervor.Eines der eindrucksvollsten Beispiele sind die Wälder salztoleranter Mangrovenbäume im Gezeitenbereich tropischer Küsten. Sie bestehen aus Bäumen und Sträuchern verschiedener Pflanzenfamilien mit insgesamt fast 70 Arten, die sich an die Lebensbedingungen der Meeresküsten und brackigen Flussmündungen angepasst haben. Sie lagern Salz in ihre Zellen ein und gleichen somit das Potenzialgefälle zum Brack- und Meerwasser aus. Einige Mangroven können wie Kakteen Wasser speichern, um hohe Salzkonzentrationen zu verdünnen. Über Salzdrüsen können sie überschüssiges Salz ausscheiden. Die mit Salz angereicherten Blätter werfen sie ab. Da die Wurzeln Sauerstoff für die Zellatmung benötigen, dieser aber in den Schlickböden nicht zur Verfügung steht, entwickeln die Bäume der Mangrovenwälder ein Belüftungssystem (Aerenchym), mit korkverkleideten, wasserabstoßenden Poren in der Rinde der Wurzeln. Die Wurzeln sind so geformt, dass sie auch bei Flut aus dem Wasser ragen. Die Samen treiben noch auf der Mutterpflanze aus und bilden schwimmfähige, zigarrenförmige Keimlinge, bevor sie abfallen und sich im Schlick verankern. Die Pflanzen, die diese Anpassungen unabhängig voneinander erwarben, gehören zu systematisch weit entfernten Familien. Die sogenannte schwarze Mangrove ist z. B. ein Akanthusgewächs aus der Verwandtschaft der Lippenblütler, die weiße Mangrove (eine der so bezeichneten Arten) gehört zu den Flügelsamengewächsen und damit in die Nähe der Myrtenartigen. Solche Beispiele gibt es in riesiger Zahl. Für Lichtsinnesorgane, die das Sehen scharfer Bilder ermöglichen, gibt es im gesamten Tierreich zwei und nur zwei immer wieder von der Evolution erzeugte Bauweisen: das Linsen- oder Kameraauge der Wirbeltiere und Kopffüßler auf der einen, das Facettenauge der Arthropoden auf der anderen Seite.Das Wechselspiel von Vielfalt und Beschränkung in der Evolution des Lebens beruht auf einem fundamentalen Sachverhalt: Selbst die komplexesten Organismen bestehen auf der molekularen und zellulären Ebene aus relativ wenigen, aber variablen und vielseitigen Komponenten. Darin liegt ein Unterschied zur menschlichen Technik. Eine Wasseruhr benutzt zur Zeitmessung den Transport von Wasser durch Schwerkraft, eine altmodische Taschenuhr die elastische Energie einer Spiralfeder, eine moderne Quarzuhr Schwingungsfrequenzen eines Kristalls usw. Biologische Uhren (die nahezu alle Lebewesen besitzen) sind dagegen auf molekularer Ebene alle ähnlich. Wahrscheinlich ist in der Stammesgeschichte der Wirbeltiere überhaupt nur eine solche Uhr entstanden. Proteine, Zellen, Stoffwechselprozesse wie diejenigen, die den Zeitablauf messen, sind nicht auf ein einziges Design zugeschnitten, sie sind vielseitig verwendbar und durch kleine Änderungen an andere „Designs“ anpassbar. Deshalb haben die Mechanismen, die ihren Zusammenbau in der individuellen Keimesentwicklung (Ontogenese) steuern, eine zentrale Funktion auch in der Stammesgeschichte (Phylogenese). Hinzu kommt, dass höhere Organismen modular aufgebaut sind. Ein Modul besteht aus mehreren Merkmalen, die eine funktionell integrierte, intern hochgradig vernetzte, autonome Einheit bilden.4 Man könnte (vor allem aus technologischer Sicht) ebenso gut erwarten, dass verwandtschaftlich weit voneinander entfernte Arten von der morphologischen bis zur molekularen Ebene verschieden gebaut sind – so verschieden wie Wasser- und Atomuhren. Heute weiß man, dass der modulare Bau der Organismen eine Grundvoraussetzung für ihre Vielfalt ebenso wie für ihre Anpassungsfähigkeit ist. Auf diese Weise können die vorhandenen Module wie bei einem Lego-Baukasten zu neuen Bauplänen umarrangiert werden. Gleichwohl sind in der Gesamtschau alle Modifikationen konservativ.5 Denn das Recycling elementarer Module erleichtert zwar die Variation, schränkt aber auch aufgrund der funktionellen Abhängigkeiten (Entwicklungszwänge) den evolutionären Gestaltungsspielraum ein.Für den englischen Paläontologen Simon Conway Morris6 gilt: Die Merkmale der Lebewesen, wie wir sie heute vorfinden, wirken trotz ihrer ungeheuren Fülle vorhersehbar. Es ist daher unwahrscheinlich, dass diese Lebewesen eine zufällige, eine von vielen möglichen, weit voneinander abweichenden Lebenswelten bilden. Vielmehr ist unsere Biosphäre nach seiner Auffassung mehr oder weniger diejenige, die sich aus den Eigenschaften von Materie und Leben ergeben musste. Entwicklungszwänge und Konvergenzen sind in der Evolution allgegenwärtig, und sie bringen bei komplexen Organismen funktional ähnliche Nervensysteme und Sinnesorgane hervor. Von daher stellt sich die Evolution des Lebens als ein ständiges kompliziertes Wechselspiel zwischen inhärenten Möglichkeiten und Zwängen auf allen Ebenen dar. Der nahezu unendliche Raum theoretisch denkbarer Formen enthält „No-Go“-Räume ebenso wie Gipfel oder „hubs“, auf die Evolutionsprozesse zulaufen.Die Weltwahrnehmung und das Welterleben ganz unterschiedlicher Lebewesen könnten deshalb ähnlich sein, so Simon Conway Morris. Die physikalische Welt weist Gesetzmäßigkeiten auf, die von Nervensystemen aller Wahrscheinlichkeit nach in valider Form abgebildet werden. Daher ist anzunehmen, dass alle existierenden Formen von intelligentem Bewusstsein nicht nur funktional ähnlich sind, sondern universalen Prinzipien folgen. Gilt das auch für die Evolution des Menschen, war sie vielleicht durch den Drang zur „Komplexifizierung“ und durch die Zwänge von organischen Bauplänen mehr oder weniger unausweichlich? Gibt es also, das wäre die Folge, so etwas wie ein „schwaches anthropisches Prinzip“ auf biologischer Ebene? Diese Frage ist berechtigt und lässt sich diskutieren. Aber man verlässt mit ihr den Boden der Naturwissenschaft und begibt sich auf die ontologische Ebene der Entfaltung des Weltgeistes, auf die Ebene der großen Erzählung von allem, was in der Welt ist und zur Welt gehört. Auf dieser Ebene wird Naturwissenschaft gedeutet, nicht getrieben.

Auf dem Weg zur homogenen Weltsicht?

Eine einheitliche kausale Theorie ist für das evolutionäre Weltgemälde nicht nötig, es hat zuerst einmal beschreibenden Charakter. Immer wieder gibt es dennoch Versuche, dem „großen Evolutionsgemälde“ eine einheitliche kausale Theorie zu unterlegen und damit alle anderen Wissenschaften, vor allem auch die Philosophie, zu einer Provinz der Naturwissenschaft zu machen. Dahinter steht die Sehnsucht, dass sich aus der Naturwissenschaft doch sichere Antworten auf Existenzfragen ergeben mögen, nach dem Woher und Wohin des Lebens, nach Sinn und Ziel der menschlichen Existenz. Diese Versuche sind ebenso unvermeidbar wie vergeblich. Wir wollen ein Beispiel näher betrachten:In einer neueren Publikation7 verwendet Hans Mohr die Idee der „Meme“, die ursprünglich von Richard Dawkins eingeführt wurde, um die menschliche Kulturentwicklung mit der biologischen Evolution zu verbinden und ein der biologischen Evolution analoges „Gesetz der Geschichte“ zu formulieren. Die kulturelle Entwicklung der Menschheit ist aus dieser Sicht eine „memetische Evolution“. Aber wie gut ist diese Analogie begründet? Gibt es zum Beispiel überhaupt vererbbare und selektierbare Einheiten in der menschlichen Kultur, also Meme, die den Genen in Genetik und Evolutionstheorie entsprechen? Das Gen, eine bestimmte Sequenz von Basen-Tripletts in der Erbsubstanz, bildet tatsächlich eine funktionale Einheit im Organismus, ist allerdings (in der Regel) nicht die Einheit der Selektion. Das Erbgut ist nach heutigem Wissen ein selbstregulatives System, das insgesamt (meist über den Phänotyp, zum Teil aber auch direkt) mit der Umwelt interagiert. Selektierbar sind in der Regel Anpassungen, die das System auf höherer Ebene als der des Gens ermöglicht. Das „egoistische Gen“ Dawkins’ hat sich als Simplifizierung herausgestellt; die Kontroverse zwischen Dawkins und Richard Lewontin ist zugunsten Lewontins entschieden.8 In Analogie zum Gen nun auch noch Meme – zum Beispiel moralische Normen – als Einheiten der Kulturentwicklung zu postulieren, ist kaum möglich. Denn anders als beim Gen scheitert bereits der Versuch, funktionale Einheiten im kulturellen Informationsbestand festzumachen, an der Wandelbarkeit von Inhalten und an deren zahllosen Wechselwirkungen. Was der biologischen „Fitness“ als Maß für kulturelle Selektionsprozesse entsprechen soll, ist vollends unklar. Die FAZ urteilt mit Recht, dass „... die Meme von Anfang an eine ziemlich unscharfe Angelegenheit waren und die Gene es immer mehr werden“9.Kulturelle Inhalte weisen zwar eine Entwicklung auf, die in irgendeiner Form mit Konkurrenz und Selektion verbunden ist. Aber die kausalen Mechanismen sind andere als in der Biologie. Betrachten wir das Beispiel der Ausdehnung des Rechts über Sippe, Stammesverband und Volk hinaus. Als Ausgangspunkt kann uns das Gesetz Israels dienen, wie es im Alten Testament überliefert wird, und als (vorläufiger) Schlusspunkt das internationale Recht der modernen Staatengemeinschaft. Allerdings formulieren die fünf Bücher Mose keine Gesetze, die als Stammesrecht gegolten hätten. Ein Vergleich mit ähnlichen Texten aus der Welt der Antike zeigt: Hier wurden Visionen niedergeschrieben, wie eine Welt aussehen könnte, in der Gerechtigkeit herrscht. Sie sprechen zum Beispiel davon, dass Stammesfremde und Sklaven, Abhängige und Schuldner nicht willkürlich behandelt werden dürfen. Solche Rechte waren ein Ideal, aber sie wurden nur selten eingehalten. Das Rechtsideal hatte nach Überzeugung der heutigen Geschichtswissenschaft eine argumentative Funktion, man konnte sich im praktischen Streitfall auf es berufen. Es war aber keine gesetzliche Norm, der man zu folgen hatte. Der Einzelne war in erster Linie seiner Sippe und Gemeinschaft verpflichtet, seiner Stadt oder seinem Volk. Die Idee, dass alle Menschen universale und unveräußerliche Menschenrechte haben, wurde erst viel später gedacht. Ausgangspunkt waren eben Rechtsvisionen, die auf religiöser Grundlage entstanden.Kann man ernsthaft annehmen, dass ein der Biologie analoger Selektionsvorgang der Dynamik dieser Entwicklung gerecht wird?10 Es liegt viel näher, dass menschliches Verhalten – auch ethisch gelenktes Verhalten – von einer hierarchisch aufgebauten Verhaltenssteuerung mit einer zunehmenden Komplexität auf höheren Systemebenen abhängt, in die auf den niederen Systemebenen genetische Dispositionen eingehen und die auf höheren Ebenen ihren eigenen funktionalen Regeln folgt und ihre eigenen Freiräume entfaltet. Die „Brückendisziplinen“ leisten vieles, aber nicht die Aufhebung verschiedener Frage- und Erkenntnisperspektiven durch eine Allzuständigkeit der Naturwissenschaft. Eine gedankliche Homogenisierung dessen, was in Kosmologie, Biologie, Geschichte und Kultur der Fall ist, ist nur weltanschaulich möglich, nur in Form einer Interpretation, fast ist man versucht zu sagen: narrativ.

Evolutionsphilosophie auf dem Weg zur Theologie

Ein bedeutender Evolutionsphilosoph war in der Nachfolge Henri Bergsons der Jesuit Teilhard de Chardin. Er war Metaphysiker (s. u.); seine Ideen wurden vom Freiburger Molekulargenetiker Carsten Bresch naturalisiert, der die Essenz der Evolution in der zunehmenden Zahl verwirklichter Wechselwirkungen sieht, im Musterwachstum.11 Dessen beide Aspekte – Bildung höherer Organisationsebenen und Differenzierung der Elemente bzw. Subsysteme – sind oft nicht einfach zu trennen. Wie erwächst aus einer solchen (zuerst einmal wissenschaftlichen) Betrachtung des Weltlaufs eine Einsicht über Sinn und Ziel des Ganzen, des Seienden, und wie erwachsen daraus wiederum Handlungsnormen? Bresch wagt den naturphilosophischen Versuch, aus der Biologie heraus alle Naturerscheinungen von der Astrophysik bis zum Gehirn und der menschlichen Gesellschaft aus dem einheitlichen Grundprinzip des Muster- und Informationswachstums und deren zunehmender Integration abzuleiten. Geht es bei dieser Entfaltung um Zufall und Notwendigkeit, um einen selbstlaufenden Prozess ohne weitere Eigenschaften, oder um ein von vornherein in die Abläufe der Evolution eingestiftetes Ziel? Bresch ist von Letzterem überzeugt, aber er kennzeichnet damit auch den Punkt, an dem er eine naturwissenschaftliche Beschreibung zugunsten der weltanschaulichen Deutung überschreitet.12 Er leitet zum Beispiel aus dem Leitmotiv der fortschreitenden Evolution, dem Informations- und Musterwachstum, eine ethische Konsequenz ab, nämlich dass Informations- und Musterzerstörung, etwa eine Bücherverbrennung, Sünde sei.Mit dieser Tiefensicht hebt er sich von dem doch eher platten Naturalismus Charles Darwins ab, der bereits 1871 darüber sinnierte, dass der Gesundheitszustand der Menschheit durch Medizin und Sozialhilfe verschlechtert werde, weil die Selektion der Starken und Gesunden ausfalle.13 Er war nicht dafür, deshalb die Hilfe einzustellen, aber andere zogen solche Schlüsse. Das Ergebnis war eine ideologische Schreckensgeschichte.14 Es ist nicht nur ein philosophisches Glasperlenspiel, der naturalistischen und ideologischen Deutung der Naturwissenschaft etwas entgegenzusetzen, es ist bittere Notwendigkeit.Eröffnet die Vision des Jesuiten Teilhard de Chardin, in naturalistischer oder in metaphysischer Form, eine tragfähige Alternative zum Szientismus, vielleicht sogar einen Weg, Schöpfungsglauben und Naturwissenschaft zusammenzubringen? Teilhard betrachtete wie Bresch den Menschen als eine Zwischenstufe der Evolution; er werde sich vom Gemeinschaftswesen (das er schon ist) zum Teilhaber an einer Vergeistigung des Kosmos am „Punkt Omega“ entwickeln. Entscheidend war für ihn die Entfaltung der Noosphäre, die er anders als Bresch metaphysisch deutete: zwar ebenfalls als eine ständige Zunahme von Organisiertheit und organischer Einheit; aber die Triebkraft dieser Entwicklung, also der Motor der Evolution, war für ihn die Liebe. Eine Liebe, die das letzte Ziel, die organische Einheit alles Seienden, bereits handelnd und leidend vorwegnimmt, war für Teilhard in Jesus Christus vollkommen verwirklicht. So nennt er Christus mit einem biblischen Hoheitstitel das Omega oder den „Punkt Omega“, das heißt Ziel, Richtung und Motor der Evolution. „Als Prinzip universeller Lebenskraft hat Christus, indem er als Mensch unter Menschen erstanden ist, seine Stellung eingenommen, und er ist seit je dabei, den allgemeinen Aufstieg des Bewusstseins, in den er sich hineingestellt hat, unter sich zu beugen, zu reinigen, zu leiten, und aufs höchste zu beseelen.“15 „Weil Christus der Punkt Omega ist, ist das Universum bis in das materielle Mark hinein durchtränkt von dem Einfluss seiner übermenschlichen Natur.“16Teilhards Metaphysik umfasst also einen panpsychistischen Lösungsvorschlag für das Leib-Seele-Problem. Er geht davon aus, dass allen physischen Dingen geistige Eigenschaften innewohnen, sodass in Natur und Welt eine abgestufte Präsenz des Geistigen anzutreffen ist: Nur dann, wenn eine Entität in physischer Hinsicht ausreichend komplex ist, kann auch die korrespondierende geistige Seite komplexe Züge annehmen. Ein Atom etwa ist nicht komplex genug, um ein Bewusstsein zu haben. Ein Lebewesen wie der Mensch hat jedoch eine ausreichend komplexe Anordnung des Physischen, sodass die korrespondierende Teilhabe an der Noosphäre möglich wird. Mit der Biologie kollidiert diese Vision an sich nicht. Aber wie steht es mit dem biblischen Schöpfungszeugnis? Lässt sich der ewige Gottesfriede, von dem die Schöpfungsgeschichte als Ziel alles Werdens spricht, mit einer solchen evolutionistischen Heilshoffnung, mit einer solchen Christologie verbinden oder gar in eins setzen?

Die Sehnsucht nach Sicherheit durch Homogenität des Denkens

Der Wunsch, alles Weltwissen in einer Schau zu vereinen, ist auf der einen Seite verständlich: Die mythopoetische Wesensart des Menschen verlangt nach einer „großen Erzählung“, die Gott, Mensch und Welt in eine vorstellbare und in diesem narrativen, ästhetischen Sinn homogene Beziehung setzt. Aber dieser Wunsch wird gefährlich, wenn man den mythopoetischen Charakter einer solchen Vorstellung missversteht. Einer Objektivierung im Sinn der Wissenschaft halten die großen Erzählungen nicht stand. Homogenität des Denkens im Sinne eines kompletten Aussagesystems herzustellen, kann zum Versuch werden, eine Sicherheit zu erreichen, die es im rationalen, objektivierenden Denken nicht gibt. Ein in sich homogenes Denkgebäude ist immer unvollständig, meist auch unrealistisch, und umfassende Homogenität ist weder möglich noch wünschenswert.Dabei ist wichtig, Inhomogenität oder Inkonsistenz (kognitive Dissonanz) von echten Widersprüchen zu unterscheiden. Die verallgemeinernde Aussage, dass alle Schwäne weiß sind, steht faktisch im Widerspruch dazu, dass ein schwarzer Schwan beobachtet wurde. Der Widerspruch verlangt nach Auflösung, was in diesem Fall leicht möglich ist, indem man die Verallgemeinerung aufgibt. Die Welterfahrung, dass die von Gott geschaffene Natur gleichzeitig schön und grausam ist, und die Glaubenserfahrung, dass Gott „barmherzig und gnädig ist, geduldig und von großer Güte“, sind nicht widersprüchlich, wohl aber inhomogen. Zumindest können wir nicht wissen, ob ein Widerspruch vorliegt. Sie sind inhomogen, weil wir den tieferen Zusammenhang hinter diesen beiden Erfahrungen nicht verstehen.17 Wir können beide denken, können sie aber nicht ohne Weiteres zusammen denken. Das ist zu erwarten, wenn man berücksichtigt, dass menschliche Erfahrung immer fragmentarisch ist und menschliches Denken perspektivisch sein muss, in Bezug auf das Wesen Gottes noch viel mehr als in Bezug auf Weltwissen.Homogenität ist kein Merkmal realistischen Denkens, sondern eines von geschlossenen Aussagesystemen, im Extrem von Ideologien. Im Alltag – wenn es nicht um das Ganze von Mensch und Welt geht – wird uns das auch ohne Weiteres deutlich. Man selbst erlebt eine Bekannte als warmherzig und hilfsbereit. Jemand anders berichtet, dass er eben diese Frau als hart und durchsetzungswillig erlebt habe. Das ist nicht logisch widersprüchlich, denn Persönlichkeitsstruktur und Lebensgeschichte im Hintergrund des Geschehens können prinzipiell beide Erfahrungen erklären, auch wenn das im Moment nicht gelingt. Wer dennoch auf einem homogenen Bild von dieser Frau besteht, um für sich selbst Handlungssicherheit zu erzeugen, wird mit einem Zerrbild enden. Menschen sind zu komplizierte Geschöpfe, schon auf natürlicher Ebene, um alle Erfahrungen mit ihnen homogenisieren zu können. Jedes homogene Abbild ist ein Konstrukt, was die Persönlichkeitspsychologie sehr gut weiß. Auch der Kreationismus und die Bewegung für ein „intelligentes Design“ verdanken sich – wo sie nicht lediglich zum politischen Kampfinstrument verkommen – dem Wunsch nach der Sicherheit, die ein homogenes Welt- und Gottesbild scheinbar bietet. Sie verzerren die wissenschaftlich erhobene Naturerfahrung, um sie an ihr Gottesbild anzupassen.Um auf die Frage der Theodizee zurückzukommen: Wer sie vor allem als ein Problem gedanklicher Homogenisierung von Welt- und Gotteserfahrungen begreift, hat sie gar nicht begriffen. Das Gewicht der Theodizee ist existenziell: Wie kann ich gefährdeter und leidender Mensch es glauben und im Vertrauen fassen, dass der Schöpfer der Galaxien, der Erdbeben und der Vergänglichkeit des Lebens mir dennoch ein in Liebe zugewandter Vater sein will? Die Antwort auf diese Frage kann ebenfalls nur existenziell gegeben werden.

Zusammenhang und Scheidung

Auch wenn wir den mythopoetischen Charakter aller „großen Erzählungen“ festhalten – sie sind unverzichtbar. Wie soll aber dann die Schöpfungstheologie die Geschichte des Lebens auf der Grundlage dessen, was wir heute wissen, so erzählen, dass Gott als Grund alles Seienden weder ausgespart noch der menschlichen Erkenntnis verfügbar gemacht wird? Vielleicht ist die große Evolutionsidee von der Entwicklung des Weltgeistes dafür nicht der einzige Ausgangspunkt. Sie ist sicherlich nicht die einzige Interpretation dessen, was uns die Naturwissenschaft sagt.In 1. Kor 15 hat es Paulus mit Leuten in Korinth zu tun, die nicht an die Auferstehung der Toten glauben wollen. Eine ihrer Fragen ist, wie man sich einen auferstandenen Körper vorzustellen habe. Bei seiner Antwort greift Paulus auf die antike Naturkunde zurück; er betont, dass Gott, der Schöpfer, allen Wesen bereits jetzt verschiedene Körper gegeben habe: „Nicht ist alles Fleisch einerlei Fleisch; sondern ein anderes Fleisch ist der Menschen, ein anderes des Viehs, ein anderes der Fische, ein anderes der Vögel. Und es sind himmlische Körper und irdische Körper; aber eine andere Herrlichkeit haben die himmlischen Körper und eine andere die irdischen. Eine andere Klarheit hat die Sonne, eine andere Klarheit hat der Mond, eine andere Klarheit haben die Sterne; denn ein Stern übertrifft den andern an Klarheit. Also auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Unehre und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft“ (1. Kor 15,39-43). Paulus betont also gerade nicht den Zusammenhang aller „Körper“, ihre Ähnlichkeiten oder gar eine gemeinsame Abstammung. Er betont ihre wesenhaften Unterschiede, und dies bereits auf der Ebene des Natürlichen. Von biologischen Entwicklungszusammenhängen zwischen Mensch und Tier konnte er nichts wissen. Uns ist heute auch klar, dass die Himmelskörper materiell aus den gleichen Elementen bestehen wie die irdischen Körper. Eine perfekte „fünfte Essenz“ jenseits der Mondbahn, neben den vier vermischten Essenzen der Erde (Feuer, Erde, Wasser, Luft) gibt es physikalisch nicht. Alles besteht aus den gleichen Bausteinen, vom interstellaren Gas bis zum Menschen. Dennoch: Ist die Perspektive des Paulus, die er dem weisheitlichen Naturbild entnimmt, nicht ebenfalls eine zulässige und vielleicht sogar nötige Deutung des biologisch festgestellten Sachverhalts? Die Evolution beruht zwar auf universalen Zusammenhängen aller Materie, aber sie hat auch wesenhafte Unterschiede hervorgebracht. Dass der Mensch fast die Hälfte seiner (aktiven) genetischen Information mit einer Tulpe teilt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mensch und Tulpe andere Wirklichkeiten bewohnen und sich anders zu Gott und Welt verhalten.Vielleicht kann der Begriff der Emergenz als Vermittlung der beiden konträren Perspektiven dienen, der einen, die Zusammenhänge sieht, und der anderen, die Wesensunterscheidung betreibt. Für die theologische Interpretation der Naturwissenschaft brauchen wir jedenfalls beide. Wir sprechen dabei immer auch, oft in erster Linie, nicht von Galaxien und Mangroven, sondern vom Menschen. Denn wir als Menschen sind es ja, deren Körper aus Modulen besteht, die sich auch in Seesternen und Stubenfliegen finden. Wir wachsen im Mutterleib auf Wegen heran, die immer noch den Spuren der ersten Wirbeltiere folgen, und unser aufgeklärtes Gehirn unterscheidet sich von dem unserer Primatenvorfahren dadurch, dass einige wenige Zeit- und Raumschalter verstellt wurden. Auf der anderen Seite haben sich die Wege der Organismen weit voneinander entfernt, ein Abgrund tut sich zwischen Seesternen und Menschen auf.Dennoch steht der Mensch im biblisch bezeugten Schöpfungsglauben nicht in der Mitte des Kosmos. In der Mitte des Kosmos steht der schaffende Gott, der allein ewig ist, während die Welt vergeht wie ein zerschlissenes Gewand. Die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie können ein solches Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer, und zum Geschöpf Mensch nicht in Verlegenheit bringen. Im Gegenteil, sie können die jüdische Weisheit bekräftigen, die feststellt: „Denn es geht dem Menschen wie dem Tier: Wie es stirbt, so stirbt er auch, und sie haben alle einerlei Atem, und der Mensch hat nichts mehr als das Tier, denn es ist alles nichtig. Es kommt alles an einen Ort, und es ist alles aus Staub gemacht und wird wieder zu Staub“ (Pred 3,19f).Staunen über Gottes Werk, das können wir umso mehr, je mehr Einblicke uns die Naturwissenschaft in das Wesen der Welt gewährt. Ich glaube persönlich nicht, dass noch so imposante Gemälde von der Entfaltung des Weltgeistes das Schöpfungs- und Heilshandeln Gottes so erfassen, dass wir Verlauf und Ziel wirklich im Blick hätten. Selbst die Weltgemälde von Teilhard de Chardin und Carsten Bresch, so faszinierend sie als Produkt menschlichen Denkens sein mögen, bleiben doch eben dies: menschengemacht, eher Kunstwerk als Welterkenntnis, beschränkt und einseitig. Zum Beispiel haben beide Visionen keine existenzielle Antwort auf das Leiden an der Grausamkeit und Gleichgültigkeit der Evolution dem individuellen Leben gegenüber. Das Schöpfungshandeln Gottes hat eine verborgene, dunkle Seite, hinter ihm verbirgt sich ein Geheimnis, das im Buch Hiob formuliert, aber nicht aufgelöst wird. Die Realität des Weltenlaufs, so wie er aus Gottes Schöpferwillen hervorgeht, ist anders als alles, was wir an Interpretationen aus unserem Naturwissen hervorbringen können. Wege und Ziele verbergen sich in einem undurchdringlichen Geheimnis. Das alte, das vergängliche Wesen dieser Welt wird auf eine Weise neu werden, die wir nicht vorhersehen und jetzt nicht verstehen können. Vielleicht bleibt angesichts des Geheimnisses eine negative Schöpfungstheologie die einzig mögliche, wie der Prediger meint: „... denn der Mensch kann doch nicht treffen das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende!“ (Pred 3,11).


Hansjörg Hemminger


Anmerkungen

1 Überarbeitetes Manuskript eines Vortrags, der am 22.10.2010 bei der Jahrestagung der Karl-Heim-Gesellschaft in Bad Urach gehalten wurde.

2 Rainer Hertel, Evolutionsbiologie, Ethik und die Furcht vor der Ungleichheit, in: Johannes Fehrle / Rüdiger Heinze / Kerstin Müller (Hg.), Herausforderung Biologie. Fragen aus der / an die Biologie, Berlin 2010,4.

3 Vgl. Alessandro Minelli, Forms of Becoming. The Evolutionary Biology of Development, Princeton / Oxford 2009, 18ff.

4 Vgl. G. P. Wagner u. a., The Road to Modularity, in: Nature Review Genetics 8/2007, 921-931.

5 Vgl. Alessandro Minelli / Giuseppe Fusco, Conserved versus Innovative Features in Animal Body Organization, in: Journal of Experimental Zoology, Part B, 304B, 2005, 520-525; Werner A. Müller / Monika Hassel, Entwicklungsbiologie und Reproduktionsbiologie von Mensch und Tieren, Berlin 2005.

6 Vgl. Simon Conway Morris, Jenseits des Zufalls, Berlin 2008.

7 Hans Mohr, Evolution der Moral und Entstehung des Rechts, in: Ernst Peter Fischer / Klaus Wiegand (Hg.), Evolution und Kultur des Menschen, Frankfurt a. M. 2010, 292-303.

8 S. dazu die Skizze der Ideengeschichte zwischen 1970 und 1990 von Williams über Dawkins, Lewontin und Wilson bis zur heutigen Genetik: James W. Haag, Nature and Nurture, in: Gaymont Bennet u. a. (Hg.), The Evolution of Evil, Göttingen 2008, 101.

9 FAZ vom 12.7.2010, 28, Rezension zu Ernst P. Fischer / Klaus Wiegandt (Hg.), Evolution und Kultur des Menschen, Frankfurt a. M. 2010.

10 „... wahrscheinlich lagen zehntausende von Jahren reflektierter Moral zwischen den ersten Schamanen und der Gesetzgebung des Solon von Athen. Diese Stufe der teleologischen, ziel-diskutierenden Vernunft geht über das Schema ,Variation und darauffolgende Selektion’ hinaus“ (Rainer Hertel, Evolutionsbiologie, a.a.O. 15f).

11 Vgl. Carsten Bresch, Zwischenstufe Leben – Evolution ohne Ziel?, München 1977.

12 Carsten Bresch engagierte sich intensiv in interdisziplinären naturwissenschaftlich-theologischen Gesprächen und Diskussionen zum Thema Evolution. In diesem Umfeld gründete er 1981 zusammen mit dem Freiburger Theologen Helmut Riedlinger aus einem theologisch-biologischen Seminarkreis an der Universität Freiburg heraus die interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft AGEMUS und gab den Freiburger AGEMUS-Rundbrief heraus.

13 Charles Darwin, The Descent of Man, 1871, Kap. 5: „With savages, the weak in body or mind are soon eliminated; and those that survive commonly exhibit a vigorous state of health. We civilised men, on the other hand, do our utmost to check the process of elimination; we build asylums for the imbecile, the maimed, and the sick; we institute poor-laws; and our medical men exert their utmost skill to save the life of every one to the last moment.“

14 Vgl. Günter Altner, Der Darwinismus. Die Geschichte einer Theorie, Darmstadt 1981.

15 Pierre Teilhard de Chardin, Der Mensch im Kosmos, München 1959, 305.

16 Pierre Teilhard de Chardin, Sciences et Christ, Paris 1965, 88.

17 Formallogisch könnte man sagen, dass die enthaltenen Annahmen keine von ihnen abhängige Konklusion ermöglichen, auch nicht auf Falschheit einer Annahme, weil Hilfsannahmen denkbar oder möglich sind, die sowohl zur Richtigkeit der Annahmen als auch zu ihrer Falschheit (Widersprüchlichkeit) führen könnten. Ein Widerspruch ist demgegenüber (wie im Fall der Schwäne) dann gegeben, wenn eine Hilfsannahme sich als falsch herausstellt, sodass sich eine falsche Konklusion ergibt und andere Hilfsannahmen gemacht werden müssen, um zu einer richtigen Konklusion zu kommen.