Von Sarah Halimi bis Georges Bensoussan
Debatten um Antisemitismus und Islamophobie in Frankreich
1 Ein antisemitischer Mord löst (keine) Diskussionen aus
Am 4. April 2017 wurde im ehemaligen Multikulti-Paradies, dem Einwandererstadtteil Paris-Belleville (11. Arrondissement)1 Sarah Halimi, eine 66-jährige jüdisch-orthodoxe Rentnerin, von ihrem 27-jährigen Nachbarn ermordet. Der aus Mali stammende Täter Kobili Traoré drang über den Balkon einer mit ihm befreundeten Nachbarsfamilie in ihre Wohnung ein, quälte und beschimpfte die verzweifelt schreiende Frau fast eine Stunde lang und warf sie schließlich noch lebend vor den Augen der Nachbarn vom Balkon in den Innenhof. Bewaffnete Polizisten waren zwar schnell vor Ort, warteten aber zu dritt vor der Wohnungstür auf Verstärkung, weil sie einen islamistischen Terroranschlag vermuteten. Denn der Täter schrie immer wieder „Allahu akbar!“ und rezitierte auf Arabisch Koransuren – vom Geschehen existieren minutenlange Handy-Tonaufnahmen eines Nachbarn. Als das Opfer tot im Hof lag und die Polizei schließlich die Wohnung stürmte, fand sie den Mörder betend. Er erklärte: „Ich habe den Sheitan (arab. „Teufel“) getötet.“
So ungewöhnlich grausam die Tat war, so sehr reiht sie sich doch in eine Kette antijüdischer Gewaltakte der letzten Jahrzehnte ein, von denen es inzwischen nicht einmal mehr alle tödlichen in die großen Medien schaffen.2 Bemerkenswerterweise nämlich wurde über den Mord zunächst fast nur in der jüdischen Presse berichtet, während er in den großen nationalen, geschweige denn internationalen Druck- und Funkmedien gar nicht oder in einmaligen Kurzmeldungen unter „Verschiedenes“ stattfand.3 Die Nachrichtenagentur AFP etwa meldete recht allgemein den „tödlichen Sturz einer Frau und Verhaftung eines Mannes“. Drei Tage nach der Tat empfing der ermittelnde Staatsanwalt die Leiter von vier geistlichen und zivilen jüdischen Organisationen – ein Vorgehen, das auch bei andere Minderheiten betreffenden Verbrechen vorkommt, aber gar nicht zum laizistischen Staatsverständnis Frankreichs passt; es beleuchtet die zunehmende kommunitaristische Zersplitterung des Landes. Er erklärte ihnen, es gebe wohl keine Hinweise auf einen antisemitischen Hintergrund.
Am darauffolgenden Sonntag nahmen etwa 1000 Menschen an einem Schweigemarsch im Wohnviertel der Tat teil, viele davon als Juden erkennbar. Arabische Jugendliche brüllten ihnen entgegen: „Geht nach Hause!“, „Tod den Juden!“ und „Wir haben Kalaschnikows!“ Es kam daraufhin zu Rangeleien mit jungen Männern der Jewish Defense League.4 Auch diese Demonstration schaffte es nicht aus den sozialen Netzwerken in die großen Medien, was rückblickend damit erklärt wird, niemand habe die anstehende Präsidentschaftswahl (27.4. und 7.5.2017) zugunsten von Marine Le Pen (Front National) beeinflussen wollen.5 Das dürfte tatsächlich teilweise erklären, warum zunächst auch der jüdische Dachverband Crif (Conseil Représentatif des Institutions Juives de France) stillhielt.
1.1 Die große Stille
Nach sieben Wochen medialer Stille gingen am 21. Mai die Angehörigen des Opfers mit ihren Anwälten an die Öffentlichkeit und lösten eine breite Debatte aus. Sie beklagten das allgemeine Desinteresse und den Eindruck, dass die Behörden sich nach Kräften bemühten, den antisemitischen Hintergrund der Tat zu negieren, indem sie sie als unmotivierte Tat eines Geistesgestörten behandelten. Traoré sitzt bis heute in der Psychiatrie. Das Problem mit dieser Lesart: Er hatte zwar viele Vorstrafen, aber keinerlei psychiatrische Vorgeschichte. Hingegen hatten er und seine Familie schon früher das Opfer und seine Familienangehörigen als „dreckige Juden“ beschimpft. Er hatte den Tag vor der Tat in einer nahegelegenen, als extremistisch bekannten Moschee verbracht. Sarah Halimi hatte panische Angst vor ihm und darum bereits seit Längerem einen Umzug in eine andere Sozialwohnung beantragt. Verbittert stellte der Anwalt der Familie fest: „Wenn der Mörder blondes Haar und blaue Augen gehabt hätte, wäre ganz Frankreich auf die Straßen gegangen. Er war aber eingewanderter Moslem“, und dies erkläre das große Schweigen und die behördliche Zurückhaltung beim Feststellen des antisemitischen Charakters der Tat.6
Größere Aufmerksamkeit gab es dann erstmals, als Anfang Juni siebzehn Intellektuelle aus unterschiedlichen politischen Lagern, darunter die hoch prominenten Elisabeth Badinter, Alain Finkielkraut und Michel Onfray, in der größten Tageszeitung „Le Figaro“ mit einem offenen Brief unter der Überschrift „Die Wahrheit muss gesagt werden“ von den Behörden Aufklärung verlangten: „Alles deutet darauf hin, dass die Leugnung der Realität wieder einmal zugeschlagen hat … Die Regierenden müssen sich endlich bewusst werden, was in unserem Land passiert.“7
1.2 Der „neue“ Antisemitismus
Frankreich hat seit Jahrzehnten mit antisemitischer Gewalt und Mord aus Judenhass zu kämpfen, einem Phänomen, das sich seit etwa 15 Jahren rapide verschlimmert.8 Das große, tabubehaftete Problem: Obwohl im rechtsextremen und im linksextremen AntiFa-Spektrum antisemitische Einstellungen verbreitet sind, geht körperliche Gewalt gegen Juden praktisch ausschließlich auf das Konto muslimischer Araber.9 Praktisch alle Umfragen und Studien, die im Laufe der Jahre zu diesem Themenkomplex gemacht wurden, weisen in dieselbe Richtung wie zuletzt der Bericht „L‘islam de France“ des Institut Montaigne (2016).10 Dieser befand, dass Antisemitismus für ein Viertel der französischen Muslime ein zentraler islamischer Identitätsmarker sei, insbesondere unter Jüngeren. Im Verbund mit der überdurchschnittlichen Kriminalität und Gewaltbereitschaft in diesem Milieu ist also die antijüdische Gewalt nicht überraschend.
Bemerkenswert ist eher der Widerwille der Behörden bei der Feststellung antisemitischer Motive. Schon 2003 beim Mord am Sébastien Sellam wurde keine antisemitische Tat registriert, obwohl der geistesgestörte Täter, wegen Angriffs auf einen Rabbi vorbestraft, gegenüber der Polizei triumphierte: „Ich habe einen Juden getötet! Allah wollte es! Ich komme ins Paradies.“11 „Kann man nicht geisteskrank und antisemitisch sein?“, fragen damals wie heute Kritiker. Tatsächlich suchen sich ja die durch antisemitische Propaganda in Moscheen und im muslimischen Milieu angestachelten Täter – geistesgestört oder nicht – ihre Opfer nicht immer zufällig aus, sondern auch entsprechend bestimmter Vorprägungen, z. B. Judenhass.
Nach dem Mordanschlag auf einen jüdischen Supermarkt im Januar 2015 sprachen manche Kommentare von Opfern, die „zur falschen Zeit am falschen Ort“ waren, gerade so, als seien diese eben nicht gezielt als Juden ermordet worden. Nachdem 2006 eine arabische Gang den jungen Ilan Halimi (nicht verwandt mit Sarah Halimi) in ihr Viertel entführt hatte, „weil Juden reich sind“, wurde er unter dem schweigenden Mitwissen dutzender Nachbarn wochenlang zu Tode gefoltert. Noch vor Gericht brüstete sich der Haupttäter: „Jetzt hat jeder Jude, der in Frankreich herumläuft, im Hinterkopf, dass man ihn jederzeit entführen kann.“12 Die Tat gilt in der jüdischen Gemeinde als Wendepunkt in der Wahrnehmung des neuen, islamischen Antisemitismus. Auch bei Ilan Halimi hatten Polizei und Justiz lange versucht, den antisemitischen, strafverschärfenden Aspekt des Verbrechens unbeachtet zu lassen, bis der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy öffentlich ein Machtwort sprach.
1.3 Holocaustgedenken und Gegenwart
Ähnlich war einst Frankreichs Mitwirken beim Holocaust erst dann gesellschaftlich anerkannt worden, als es 1995 Präsident Chirac beim jährlichen Holocaustgedenken (Massenverhaftung „Rafle du Vélodrome d’Hiver“, 16.7.1942) erstmals benannte. Seitdem haben alle Präsidenten dies bei öffentlichen Anlässen wiederholt, und heute ist diese unbestreitbare historische Tatsache politischer Konsens (mit Ausnahme von Marine Le Pen, für die „Frankreich“ im Exil, nicht in Vichy war – die Deutung, die von de Gaulle bis Mitterand alle Präsidenten vertraten). Allerdings fällt es leichter, im Rahmen ritualisierter Gedenkveranstaltungen den vergangenen Judenhass in Erinnerung zu rufen, als den aktuellen zu benennen, der nach wie vor ein Tabu bleibt.
Die Anklageerhebung gegen Traoré am 12. Juli erwähnte weder einen antisemitischen Charakter der Tat noch einen möglichen islamistischen Hintergrund. Im Vorfeld hatten Kritiker erwartet, dass sich der jüdische Dachverband Crif bei der anstehenden Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der „Rafle du Vel d’Hiv“ am 16. Juli 2017 weiter staatstragend vorsichtig verhalten und keine Konfrontation mit politischen Würdenträgern in der Affäre Halimi suchen werde. Jüdische Organisationen sind oft eher zurückhaltend mit öffentlichen Äußerungen zum Antisemitismus – „wir Juden wollen nicht als die wahrgenommen werden, die sich ständig beklagen“13 –, was sich in einem Kontext, in dem Opfergruppen lautstark um Aufmerksamkeit buhlen, nicht auszahlt. Unmittelbar nach der Tat hatte der Crif noch explizit die Gerüchte in den sozialen Netzwerken beruhigen wollen: „Wir wissen noch nicht, ob es eine radikalislamische antisemitische Tat war“14 – obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die erwähnten unzweideutigen Tonaufnahmen des Geschehens bekannt waren.
Aber der Crif schwenkte um, und zwar radikal. Am 13. Juli sprach Crif-Präsident Francis Kalifat angesichts der Anklageerhebung von „Sprachlosigkeit, Unverständnis und natürlich Zorn“. Die Organisation übte ungewöhnlich scharfe Kritik: „Der Crif ist überrascht, dass der antisemitische Charakter des Mordes nicht erwähnt wird. Was wird versteckt? Warum diese Leugnung des Antisemitismus?“15 Die Rede war von „omertà“, also Mafia-Schweigekartellen. Bei seiner Ansprache auf der Gedenkfeier drei Tage später wurde Kalifat noch deutlicher: „Von Ilan Halimi bis Sarah Halimi werden heute in Frankreich Juden ermordet, weil sie Juden sind. Diese neue Welle antisemitischer Taten ist die Frucht einer artikulierten, verbreiteten und ausgefeilten Ideologie. Wenn ein irrer Mörder beim Foltern Koranverse rezitiert, wissend, dass Sarah Halimi Jüdin ist, sie dann mit ‚Allahu akbar‘ vom Balkon wirft, dann ist das Ausdruck des verbreiteten Antisemitismus, der in ‚radikalisierten Teilen‘ unserer Gesellschaft wütet.“16
Und wie Chirac und Sarkozy zuvor griff auch diesmal die Politik ein. Nach Kalifat sprechend verlangte der neue Präsident Emmanuel Macron „Klarheit“ von der Justiz, „wir schwiegen, weil wir nicht sehen wollten“, in diesem Kontext unmissverständlich implizierend, die Staatsanwaltschaft habe sich in Sachen Sarah Halimi nicht übermäßig für den islamisch-antisemitischen Aspekt interessiert.
Selbstverständlich hat der Judenhass nicht alle französischen Muslime ergriffen, auch Sarah Halimi hatte in ihrer Nachbarschaft muslimische Freunde. Aber dennoch ist das Problem kein Rand- oder Minderheitenphänomen. Öffentlich trauen sich gemäßigte Muslime kaum gegen Antisemitismus Stellung zu beziehen, das verhindert schon die Gewaltbereitschaft der „Bärtigen“, die in den „Quartiers sensibles“ (Problemvierteln) herrschen.
Offizielle islamische Vertreter haben sich zu Halimis Tod nicht geäußert, und manche scheinbar vernünftige Äußerungen offenbaren beim zweiten Blick eher das Ausmaß des Problems. Als am 31.7.2016 etwa 100 französische Muslime im „Journal du Dimanche“ eine Distanzierungserklärung vom Terrorismus unter dem Titel „Wir, die französischen Muslime, sind bereit unsere Verantwortung zu übernehmen“ veröffentlichten, listeten sie minutiös die Attentate der jüngeren Vergangenheit auf: Charly Hebdo (2015), die Konzerthalle Bataclan, zwei Polizisten, die Strandpromenade in Nizza und den Priester in der Normandie (alle 2016). Das Problem: Fein säuberlich sparte man auf der Liste alle antisemitischen Anschläge, also die drei Kinder und einen Lehrer vor der jüdischen Schule in Toulouse 2012 und den koscheren Supermarkt in Paris 2015, aus.17
Einer der wenigen Lichtblicke ist der Imam Hassen Chalghoumi, der seit Jahren zusammen mit einem Rabbi in Schulklassen über Antisemitismus spricht und im Juli 2017 mit zwei Dutzend Imamen aus ganz Europa einen „Marsch gegen den Terrorismus“ organisierte, der die Stätten des islamischen Terrorismus aufsuchte und dort Opferangehörige traf. Chalghoumi wird allerdings von den offiziellen islamischen Verbandsvertretern abgelehnt und lebt unter Polizeischutz.18
1.4 Eine jüdische Frage?
Oft erwähnen Zeitungsberichte, der Mord habe „die jüdische Gemeinde“ oder „die Juden“ in Unruhe versetzt, so, als hätten vor allem die Juden ein Problem. Dazu passt, dass es nach antisemitischen Anschlägen keine der sonst häufigen Großdemonstrationen mit Politikerauftritten gibt. Das verkennt die grundsätzliche Bedeutung, die der Antisemitismus hat. Dieser stellt das republikanische Staatsgefüge auf die Probe. Der frühere Premierminister Manuel Valls erklärte dies wiederholt und deutlich, indem er historisch darauf rekurrierte, dass die Dreyfus-Affäre um 1900 die Grundlage der laizistischen Republik wurde, was damals nur wenige begriffen hätten.19
Typisch ist heute, dass auf vielen staatlichen Schulen im ganzen Land systematisch jüdische Schüler unter Druck von ihren muslimischen Mitschülern geraten und oft am Ende auf jüdische oder kirchliche Privatschulen wechseln.20 Dorthin geht schon jetzt die Mehrheit jüdischer Schüler – ob es eines Tages heißen wird: „Typisch, die Juden können sich Privatschulen leisten“? Das ist nicht nur symbolisch, sondern substanziell wichtig, weil die laizistische Schule seit der Gesetzgebung von 1905 traditionell als der zentrale Hauptpfeiler der französisch-republikanischen Staatsidee gilt. Wenn dieser bricht, betrifft das mehr als die 500 000 Juden. Mit anderen Worten: Antisemitismus geht alle an.
Als einer von wenigen Politikern weist Valls zudem regelmäßig darauf hin, wie sich heute Antisemitismus oft als „Antizionismus“ tarnt, womit er seine eigene pro-palästinensische sozialistische Parteibasis verärgert. Er bedauerte wiederholt die anhaltende Massenauswanderung französischer Juden und erklärt: Ohne seine Juden ist Frankreich nicht mehr Frankreich.21
Ob sich damit der Exodus stoppen lässt? Die Mehrheit der französischen Juden teilt ironischerweise mit den arabischen Tätern die Herkunft. Sie bzw. ihre Familien sind nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg aus Nordafrika eingewandert, die Juden auf der Flucht vor dem schon damals steigenden Antisemitismus in der arabischen Welt, die Muslime auf der Suche nach besseren Lebensumständen. So war auch die Familie Sarah Halimis erst 1947 aus Marokko vertrieben worden und hatte in Frankreich eine neue Heimat gefunden. Ihr Bruder William wird nun mit seiner fünfköpfigen Familie zum zweiten Mal in seinem Leben auswandern müssen und noch im Herbst nach Israel gehen. Die beiden Töchter Halimis wollen demnächst folgen und werden dort ihren Bruder treffen, der schon seit Längerem in Israel lebt und zuletzt wenige Tage vor ihrer Ermordung seine Mutter zum Nachkommen bewegen wollte. Sie alle können dort nun ihr Grab besuchen. Sie wurde zwei Tage nach ihrem Tod auf dem Jerusalemer Givat-Shaul-Friedhof beerdigt. Dort liegt seit elf Jahren schon ihr Namensvetter Ilan Halimi.
2 Jüdischer Historiker wegen „Anstachelung zum Rassenhass“ angeklagt
Die französische Justiz, bei der Wahrnehmung von Antisemitismus eher dickfellig, ist bei der Aufspürung und Verfolgung von Islamophobie und Rassismus umso sensibler. Das zeigen exemplarisch ein Prozess und eine vehement geführte öffentliche Debatte im Zeitraum 2016 bis 2017.
„Heute Abend, Frau Gerichtspräsidentin, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben die Versuchung gespürt, ins Exil zu gehen.“ Mit diesen Worten schloss der jüdische Historiker Georges Bensoussan sein Plädoyer in eigener Sache nach einem zwölfstündigen Gerichtsprozess am 25. Januar 2017 vor der 17. Kammer des Pariser Strafgerichts. Er war wegen „Anstachelung zum Rassenhass“ angeklagt gewesen. Die Prozessvorbereitung und die begleitende Debatte hatten sich über ein Jahr hingezogen.
Bensoussan ist ein renommierter Publizist und langjähriger Herausgeber der „Revue d’histoire de la Shoah“ der französischen Holocaustgedenkstätte. Er hat u. a. Werke zur Geschichte der Vertreibung der Juden aus der arabischen Welt nach dem Zweiten Weltkrieg und zur Verbreitung von Islamismus und Antisemitismus in Frankreichs Schulen publiziert, zuletzt Anfang 2017 unter dem Titel „Une France Soumise“ („Unterworfenes Frankreich“).22 Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht, obwohl die akademische Solidität seiner Arbeiten außer Frage steht und insbesondere die 2002 erschienene Bestandsaufnahme zum Judenhass in den Schulen zwei Jahre darauf im staatlichen „Rapport Obin“ bestätigt wurde. Bensoussan entstammt selbst einer jüdischen Familie, die nach dem Krieg aus Marokko vertrieben wurde.
Prozessauslöser war eine Äußerung Bensoussans im Oktober 2017 in einer Radiodiskussion: „Es wird keine Integration [der Araber] geben, solange man nicht diesen atavistischen Antisemitismus überwindet, der beschwiegen wird wie ein Geheimnis … Es ist eine Schande, dieses Tabu aufrechtzuerhalten, nämlich dass in den arabischen Familien in Frankreich – und jeder weiß das, aber niemand will es sagen, der Antisemitismus mit der Muttermilch aufgesogen wird.“23 Daraufhin zeigte ihn das „Collectif contre l’Islamphobie en France“ (CCIF) an, eine wegen ihrer islamisch-fundamentalistischen Ausrichtung umstrittene Organisation. Die Aussage „mit der Muttermilch aufgesogen“ essentialisiere arabische Familien und insinuiere eine quasi flächendeckende und genetische Weitergabe des Antisemitismus. (Die französische Metapher hat allerdings ebenso wenig eine genetische Bedeutung wie die wortgleiche deutsche.) Daraufhin erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Bensoussan. Später schlossen sich mehrere andere Organisationen als Nebenkläger an, u. a. „SOS Racisme“, die „Commission Nationale Consultative des Droits de l’Homme“ (CNCDH, eine seriöse Organisation mit staatlichem Mandat) und sogar die 1927 gegründete jüdische „Ligue internationale contre le racisme et l‘antisémitisme“ (Licra).24 Islamische Webseiten hatten weit vehementer reagiert als die Menschenrechtsorganisationen und unverhohlen mit Gewalt und „Bürgerkrieg“ gedroht.25 Juristische Folgen hatten diese Gewaltaufrufe nicht für sie.
Ironischerweise hatte Bensoussan die inkriminierte Passage explizit als Zitat des „mutigen algerischen Soziologen Smaïn Laacher“ aus einem zwei Wochen später ausgestrahlten Dokumentarfilm zum Thema von Bensoussans jüngstem Buch kenntlich gemacht. Laacher hatte sich zunächst von Bensoussan distanziert und Anzeige wegen übler Nachrede erstattet. Er zog diese allerdings zurück, als man ihm seinen eigenen Film vorspielte und fragte, inwiefern sich seine eigene Aussage von Bensoussans Zitat unterscheide. Laachers O-Ton: „Dieser Antisemitismus wird also schon im häuslichen Bereich angelegt. Er findet sich im häuslichen Bereich und wird quasi natürlich auf die Zunge, in die Sprache gelegt. Eine der Beleidigungen der Eltern gegenüber ihren Kindern, wenn sie sie zurechtweisen, ist, sie als ‚Juden‘ zu beschimpfen. Aber das wissen alle arabischen Familien. Es ist eine große Heuchelei, diesen Antisemitismus nicht zu sehen.“26
2.1 Der Prozess und die Debatte um freie Rede und Doppelstandards
Mit dem Herannahen des Prozesses entbrannte dann ein regelrechter Kulturkampf zwischen den Verteidigern der Werte der „laizistischen Republik“ und der freien Rede einerseits und den Streitern gegen Rassismus und Islamophobie andererseits. Die Frontlinien sind dabei nicht mit dem links-rechten politischen Spektrum identisch, sondern es finden sich unter Bensoussans Unterstützern alle politischen Richtungen gleichermaßen. Das liegt daran, dass in Frankreich die Linke und die Rechte darum wetteifern, wer die Werte der Republik treuer vertrete. Zahlreiche öffentliche Personen, darunter prominente islamische Intellektuelle wie Kamel Daoud und der algerische Schriftsteller Boualem Sansal, allen voran aber der Philosoph Alain Finkielkraut, in dessen Sendung die inkriminierte Äußerung gefallen war, engagierten sich für Bensoussan und beschrieben den Prozess als Katastrophe für die freie Meinungsäußerung und das offene Benennen eines skandalösen Sachverhalts, nämlich des weit verbreiteten arabischen Antisemitismus, obwohl manche die Formulierung Bensoussans unglücklich fanden (so schon Finkielkraut in der Sendung).27 Viele sahen doppelte Standards darin, dass Bensoussan wegen einer mündlichen Äußerung in einer lebhaften Live-Sendung vor Gericht gezerrt werde, derweil niemand je erwogen habe, Smaïn Laacher, den Urheber des in seinem eigenen Dokumentarfilm gefallenen Ursprungszitats, anzuzeigen. Es sei offenbar etwas anderes, ob ein muslimischer Soziologe etwas mit ruhiger Überlegung sage oder ob es ein jüdischer Historiker im Gespräch tue.
Doppelstandards spielten eine erhebliche Rolle in der öffentlichen Debatte. Nicht wenige verwiesen darauf, dass z. B. ein offen kommunitaristisches, antirepublikanisches, ja rassistisches Werk wie Houria Bouteldjas „Die Weißen, die Juden und wir“ (2016) keine Reaktion antirassistischer Organisationen oder der Staatsanwaltschaft hervorgerufen habe, sondern die Autorin in Fernsehdebatten als Expertin für den Rassismus der französischen Republik eingeladen werde.28
Tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele noch viel eindeutigerer antisemitischer Äußerungen, die kein juristisches Nachspiel haben. So etwa der Fall von Mehdi Meklat und Badroudine Saïd Abdallah, zwei jungen Autoren und gefeierten Medienstars, die sich mit Beschreibungen des Lebens in den Banlieues und mit ihrem markanten Kampf gegen den „allgegenwärtigen Rassismus“ Frankreichs in öffentlichen Kanälen wie France Inter und Arte einen Namen gemacht hatten. Sie galten jahrelang als Vorzeigemuslime erfolgreicher Integration und republikanischer Gesinnung, die dem französischen islamophoben Rassismus den Spiegel vorhielten. Im Februar 2017 kam heraus, dass insbesondere Meklat jahrelang unter dem Namen „Marcelin Deschamps“ Tausende rassistische, antisemitische und terrorismusverherrlichende Nachrichten auf Twitter verbreitet hatte („Holt Hitler rein, um die Juden zu töten“).29 Sie verloren daraufhin zwar ihre Radiosendung und Fernsehauftritte, aber ein juristisches Nachspiel hatte dies nicht. Es gab sogar Journalisten in Medien wie Le Monde und France Inter, die Meklats Hasstiraden relativierten und die „ganze Aufregung“ übertrieben fanden.30
Demaskierungen prominenter Muslime aus der Kulturszene, die sich anonym antisemitisch äußern, kommen immer wieder vor, zuletzt im März 2017.31 Angesichts der bekannten Studien und Umfragen zum Antisemitismus überrascht nicht, dass es sich nicht um ein Randphänomen handelt. Gar nicht demaskieren muss man hingegen die vielen französischen Rap-Musiker, deren antisemitische, gewalt- und terrorismusverherrlichende Texte offen und straffrei im Internet abrufbar sind. Unter anderem wird hier Mohammed Merah gefeiert, der 2012 drei Kinder und einen Lehrer der jüdischen Schule in Toulouse ermordete.32
2.2 Prozesse als Einschüchterungsstrategie
Die verschleiert auftretende Nebenklagevertreterin des CCIF erklärte vor Gericht, Bensoussans „antisemitische Muttermilch“ sei doch ein Fläschchen „made in Israel“, und warf dem Angeklagten vor: „Töten die Juden keine Araber? Und in Palästina?“ Die Soziologin Nacira Guénif-Souilamas bestätigte als Zeugin der Nebenklage unfreiwillig sogar Bensoussans Analyse, indem sie erklärte, die arabische Beleidigung „Du Jude!“ sei in den Familien alltäglich, aber doch eigentlich nur eine normale Redewendung ohne Bedeutung, also gar nicht antisemitisch.33
Aufgrund der Sachlage war es nicht überraschend, dass der Prozess am 7.3.2017 mit einem Freispruch endete. Doch war das angesichts des avisierten Strafmaßes (1500 Euro Geldbuße) ohnehin zweitrangig. Den antirassistischen Organisationen geht es nach Einschätzung der Kritiker v. a. um die Einschüchterung jeglicher Islamkritik. In diesem Sinne erklärte Alain Finkielkraut als Zeuge der Verteidigung vor Gericht: „Die antirassistischen Organisationen kämpfen nicht mehr gegen Rassismus, ihr Ziel ist es, das Denken zu verbieten, die Wirklichkeit der Untersuchung und die Muslime der Kritik zu entziehen … Wenn man die Wirklichkeit nicht sehen will und diejenigen kriminalisiert, die sie durchdenken, gibt es keine Chance mehr, der Gespaltenheit und dem Hass zu entkommen.“ Hierfür drohte ihm ein Zwischenruf der Anwältin des CCIF noch im Gerichtssaal mit einer Klage.
Tatsächlich ist die Liste der Islamkritiker, die in den letzten zwei Jahren vor Gericht gebracht wurden (manche mehrfach), lang und prominent besetzt: der Schriftsteller Michel Houëllebecq, der Journalist Éric Zemmour, der Philosoph Pascal Bruckner, die Familienministerin Laurence Rossignol, die Schuldirektorin Véronique Corazza, der Philosophieprofessor Soufiane Zitouni und viele andere. Es geht dabei fast immer um das Schlagwort „Islamophobie“.
Fast alle diese Prozesse enden mit Freisprüchen, aber das ist für ihren Zweck zweitrangig. Der Prozess als solcher ist ein Erfolg – eine Strategie, die jeder kennt, der mit konfliktträchtigen Weltanschauungsgemeinschaften zu tun hat. Ein Prozess gegen eine Organisation, auch wenn man ihn gewinnt, kostet den Angeklagten Zeit, Nerven und Geld. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang manchmal von „Dschihad durch Gerichtsverfahren“. Manchmal ist dieser nur die Vorstufe: Die Wendung vom Dschihad per Gericht wurde 2009 von der Römerin Valentina Colombo (European Foundation for Democracy) geprägt. Anlass war eine Anzeige gegen das Magazin „Charlie Hebdo“, weil es die dänischen Mohammed-Cartoons nachgedruckt hatte.
Die Angegriffenen gehen teilweise in die Gegenoffensive. Die als moralische Instanz des Landes hoch angesehene feministische jüdische Philosophin Elisabeth Badinter trat im Januar 2016 beim Gedenken für die Attentate auf „Charlie Hebdo“ öffentlich gegen die allfällige Instrumentalisierung des Islamophobievorwurfs auf: „Man darf keine Angst haben, sich als ‚islamophob‘ beschimpfen zu lassen“, da dies seit Jahren eine Strategie sei, um das „Eintreten für die Laïcité zum Schweigen und in Misskredit zu bringen“. Insofern wäre der erfahrene Islamophobievorwurf eher ein Ausweis kritischen Denkens und mutigen Eintretens jener, welche die republikanischen Ideale gegen ihre kommunitaristischen Gefährder verteidigen.34 Pascal Bruckner veröffentlichte vor wenigen Wochen gar ein Buch „Un racisme imaginaire. Islamophobie et culpabilité“ (Der eingebildete Rassismus: Islamphobie und Schuld).
Kurioserweise teilte sogar eine von Bensoussans Nebenklägerinnen, die jüdische Organisation Licra, die Einschätzung, dass bestimmte Organisationen den „Kampf gegen Rassismus“ und „Islamophobie“ nur benutzen, um Islamkritik zu unterbinden, Antisemitismus zu verharmlosen und die Republik zu untergraben. 2016 sagte ihr Präsident über den Verband, der den Prozess gegen Bensoussan ins Rollen gebracht hatte: „CCIF ist heute die führende antirassistische Organisation. Das ist erschreckend. CCIF und Indigènes de la République sind … nicht gegen Antisemitismus, denn der ist ihnen völlig gleichgültig.“
Finkielkraut resümierte die Bedeutung des Gerichtsverfahrens als eine Infragestellung des Ideals der multiethnisch integrierten, religiös freien, laizistisch-republikanischen Staatsidee: „Die Episode wirft ein Schlaglicht auf die Entwicklung eines militanten Antirassismus, der zunehmend identitär, kommunitaristisch und freiheitsgefährdend ist.“35
Kai Funkschmidt
Anmerkungen
- Die amerikanische Journalistin Geraldine Smith, die 1995 mit ihrer Familie in diesen trendig-bunten Vorzeige-Stadtteil gezogen war, beschrieb 2016 in einem Buch den Niedergang des multikulturellen Traums. Seit ca. 2000 übernehmen dort zunehmend die „Bärtigen“, also strenggläubige Muslime, die Macht und den öffentlichen Raum (Geraldine Smith: Rue Jean-Pierre Timbaud. Une vie de famille entre barbus et bobos, Paris 2016). Rassismus richtet sich dabei nicht allein gegen Juden. Eine Berberin, die mit Sarah Halimi befreundet war und ebenso wie diese seit Jahrzehnten in Belleville lebt, berichtet, dass ihre Kinder wegen ihrer hellen Hautfarbe und blauen Augen seit einigen Jahren von afrikanischen Einwanderern regelmäßig beschimpft wurden. In Belleville gehen religiöse, soziale und rassische Motivationen für den Hass zusammen und durcheinander. Noémie Halioua: Sarah Halimi: une histoire française, 15.6.2017, www.causeur.fr/sarah-halimi-antisemitisme-islam-144823 (die in diesem Beitrag angegebenen Internetseiten wurden zuletzt am 11.9.2017 abgerufen).
- Von vielen kleineren Vorfällen erfährt man, zumal in Deutschland, nur bei aktiver Suche zum Thema. „Kleinere“ Vorfälle schließt dabei verprügelte Rabbis und Messerangriffe von Schülern auf jüdische Lehrer ein.
- In Deutschland brachte die Druckausgabe der FAZ eine Meldung: Michaela Wiegel: Die Jüdin des Blocks, in: FAZ 18.7.2017, 2.
- Die „Ligue pour la défense juive“ stößt gelegentlich mit muslimischen Jugendlichen zusammen, ist aber zahlenmäßig unbedeutend. Anders als Pro-Palästina-Demonstrationen, die gezielt jüdische Einrichtungen aufsuchen und gelegentlich angreifen, gehen die seltenen Demonstrationen gegen Antisemitismus nie zu den Botschaften jener arabischen Länder oder zu den Moscheen, die den neuen Antisemitismus verbreiten und predigen. Man kann dem französischen Judentum in keiner Weise vorwerfen, den Konflikt irgendwie zu befeuern.
- Vgl. Pierre Lurçat: L’étrange silence autour de la mort de Sarah Halimi, 14.4.2017, www.causeur.fr/lucie-halimi-medias-silence-143782.
- Gilles-William Goldnadel: „Le meurtrier aurait été blond aux yeux bleus toute la France serait descendue dans la rue“, 24.5.2017, www.bvoltaire.fr/meurtrier-aurait-ete-blond-aux-yeux-bleus-toute-france-serait-descendue-rue.
- „Que la vérité soit dite sur le meurtre de Sarah Halimi“, 6.6.2017, www.lefigaro.fr/vox/societe/2017/06/01/31003-20170601ARTFIG00316-l-appel-de-16-intellectuels-que-la-verite-soit-dite-sur-le-meurtre-de-sarah-halimi.php ; vgl. Hervé Gardette: Y a-t-il un déni d‘antisémitisme en France?, 8.6.2017, www.franceculture.fr/emissions/du-grain-moudre/y-t-il-un-deni-dantisemitisme-en-france.
- Vgl. Kai Funkschmidt: Weiß er nicht, dass sie ihn töten werden? Frankreichs islamischer Antisemitismus, in: MD 2/2016, 43-53.
- Vgl. Caroline Valentine: L’affaire Sarah Halimi et le tabou du „nouvel“ antisémitisme, 14.7.2017, www.lefigaro.fr/vox/societe/2017/07/14/31003-20170714ARTFIG00092-l-affaire-sarah-halimi-et-le-tabou-du-nouvel-antisemitisme.php . Vgl. auch die große Umfrage vom Februar 2016: Chantal Bordes et al. – Fondation du Judaïsme français / Ipsos: Perceptions et attentes de la population juive. Le rapport à l’autre et aux minorités, www.ipsos.com/fr-fr/complement-perceptions-et-attentes-de-la-population-juive-le-rapport-lautre-et-aux-minorites .
- Institut Montaigne: Un islam français est possible, Paris 2016, www.institutmontaigne.org/res/files/publications/a-french-islam-is-possible-report.pdf ; vgl. auch Dominique Reynié: L’antisémitisme dans l’opinion publique française. Nouveaux éclairages, Fondapol 2014, www.fondapol.org/wp-content/uploads/2014/11/NOTE-A4-Antisemitisme-d%C3%A9f.pdf.
- Vgl. Daniel Ben Simon: Le meurtre de Sébastien Sellam, Haaretz 4.7.2004, www.cbl-grenoble.org/6-cbl-grenoble-7-action-24-page-0.html.
- Halioua: Sarah Halimi (s. Fußnote 1). Nicht feststellbar war, ob die Ermordung des jüdischen Gemeindevertreters und Kommunalabgeordneten Alain Ghozland durch zwei junge Araber im Januar 2016 in seiner Wohnung in Créteil auch ein antisemitisches Moment enthielt.
- Simone Rodan-Benzaquen: Sarah Halimi, Sisyphus and the Denial of Antisemitic Violence, 28.7.2017, www.algemeiner.com/2017/07/28/sarah-halimi-sisyphus-and-the-denial-of-antisemitic-violence .
- www.facebook.com/LeCrif/posts/1409399612431668.
- Raoul Wootliff: Seeking justice, brother of Sarah Halimi sees „warning“ for French Jews in grisly slaying, 18.7.2017, www.timesofisrael.com/seeking-justice-brother-of-sarah-halimi-sees-warning-for-french-jews-in-grisly-slaying.
- Nidra Poller: Sarah Halimi case: Will truth lead to justice?, Times of Israel 26.7.2017, http://drrichswier.com/2017/07/26/sarah-halimi-case-will-truth-lead-to-justice.
- Vgl. lejdd.fr/Societe/Religion/TRIBUNE-Nous-Francais-et-musulmans-sommes-prets-a-assumer-nos-responsabilites-800095. Erst als diese Auslassung auffiel und sich abzeichnete, dass der Schuss des „ehrlichen Bekenntnisses“ nach hinten losgehen würde, wurde die Erklärung nachgebessert.
- Vgl. A Paris, des imams lancent une „marche des musulmans contre le terrorisme“, 8.7.2017, www.leparisien.fr/paris-75008/a-paris-des-imams-lancent-une-marche-des-musulmans-contre-le-terrorisme-08-07-2017-7120155.php; „Marsch der Imame“ macht Station in Berlin, Deutsche Welle 9.7.2017, www.dw.com/de/marsch-der-imame-macht-station-in-berlin/a-39618247.
- Vgl. Anna Cabana: Valls contre les „gauchos“, in: Le Point 4.2.2016, 2265, 24-27, 25.
- Im August 2017 erschien der Erfahrungsbericht eines 2015 pensionierten Marseiller Schuldirektors, der schildert, wie schnell sich seine drei staatlichen Schulen seit ca. 2000 islamisiert haben und wie allgegenwärtig Gewalt und Aggression im Schulalltag sind. Bernard Ravet: Principal de collège ou Imam de la République?, Paris 2017. Ähnlich Gravierendes stellte 2004 ein landesweiter Untersuchungsbericht des Bildungsministeriums, der „Rapport Obin“, fest: http://cache.media.education.gouv.fr/file/02/6/6026.pdf.
- Viele Juden gehen nicht gleich nach Israel, sondern fliehen in andere Städte und Viertel. Vgl. die nach Stadtteilen aufgeschlüsselte Darstellung der Abwanderung jüdischer Einwohner im Département Seine-Saint Denis 2000 – 2015: Clotilde Cadu/Anne Rosencher: Antisémitisme: cinq ans après Merah, les vérités qui dérangent, 2.3.2017, lexpress.fr/actualite/societe/antisemitisme-les-verites-qui-derangent_1884471.html.
- Georges Bensoussan: Juifs en pays arabes: Le grand déracinement 1850 – 1975, Paris 2012; ders.: Les territoires perdus de la République: Antisémitisme, racisme et sexisme au milieu scolaire, Paris 32004.
- Übersetzung aller Zitate durch den Autor.
- Die Licra hat dazu ausführlich Stellung genommen und sich dabei auch von ihrer Mitnebenklägerin CCIF distanziert: Alain Jakubowicz: Affaire Bensoussan: la Licra répond, 3.2.2017, www.causeur.fr/jakubowicz-licra-bensoussan-antisemitisme-finkielkraut-42505.html.
- Auf oumma.com schrieb ein Jacques-Marie Bourget: „Die französischen Muslime saugen nicht v. a. Antisemitismus, sondern die Milch der Bitterkeit der historischen Ungerechtigkeit gegen das palästinensische Volk. Wenn niemand ‚Halt dem Hass‘ rufen will, lasst uns uns bewaffnen und den Bürgerkrieg vorbereiten!“, https://oumma.com/221787/france-culture-laffirme-francais-musulmans-antisemite .
- „[D]onc cet antisémitisme il est déjà déposé dans l’espace domestique. Il est dans l’espace domestique et il est quasi naturellement déposé sur la langue, déposé dans la langue. Une des insultes des parents à leurs enfants quand ils veulent les réprimander, il suffit de les traiter de juif. Mais ça toutes les familles arabes le savent. C’est une hypocrisie monumentale que de ne pas voir que cet antisémitisme”, Jacques Tarnero: Affaire Bensoussan: au bal des faux-culs antiracistes, 4.2.2017, www.causeur.fr/antisemitisme-bensoussan-bruckner-licra-142458.
- Boualem Sansal schrieb dem Gericht aus Algerien: „Die vorgeworfenen Äußerungen sind keinesfalls Islamophobie … Ich selbst habe diese Kultur des Hasses angeklagt, die in arabischen Familien an die Kinder weitergegeben wird, des Hasses gegen Juden, Christen, Homosexuelle … Sagen, dass der Antisemitismus aus der Kultur kommt, bedeutet einfach zu wiederholen, was im Koran geschrieben steht und in der Moschee gelehrt wird.“ Tarnero: Affaire Bensoussan (s. vorherige Fußnote).
- Les Blancs, les Juifs et nous. Vers une politique de l‘amour révolutionnaire, Paris 2016; Stéphane Durand-Souffland: L‘historien Georges Bensoussan relaxé, 7.3.2017, www.lefigaro.fr/actualite-france/2017/03/07/01016-20170307ARTFIG00235-l-historien-georges-bensoussan-relaxe.php .
- Lena Müller: Twitter kann kein fiktionaler Raum sein, 28.4.2017, www.zeit.de/kultur/2017-04/mehdi-meklat-badroudine-said-abdallah-minute-frankreich-wahl-twitter-10nach8 ; Michel Guerrin: Le double alibi de Mehdi Meklat, 24.2.2017, www.lemonde.fr/idees/article/2017/02/24/le-double-alibi-de-mehdi-meklat_5084926_3232.html?xtmc=le_double_alibi&xtcr=3.
- Sonia Devillers: L’affaire Mehdi Meklat: une affaire de média, 22.2.2017, www.franceinter.fr/culture/l-affaire-mehdi-meklat-une-affaire-de-media.
- In jüngerer Zeit z. B. die Schauspielerin Oulaya Amamra und die Regisseurin Houda Benyamina, beide preisgekrönt und in beiden Fällen ohne juristisches Nachspiel und ohne Entschuldigung. Vgl. Caroline Valentin: Bensoussan relaxé : la victoire du véritable antiracisme face au communautarisme, 13.3.2017, www.lefigaro.fr/vox/societe/2017/03/13/31003-20170313ARTFIG00233-bensoussan-relaxe-la-victoire-du-veritable-antiracisme-face-au-communautarisme.php .
- Ein Beispiel: Der erfolgreichste Rapper Frankreichs, der senegalesisch-französische Muslim Booba Feat, in seinem Song S.D.H.S. Family Porshe Panamera: „Car seul le crime paie. Pang, pang dans vos têtes, on vous rafale, on a l’seum merah, on canarde tout et pour une cause: Mohammed Merah“ (Nur Verbrechen zahlt sich aus. Peng, peng in eure Köpfe, wir treiben euch zusammen, wir sind sauer wie Merah, wir knallen alles ab und mit Grund: Mohamed Merah). SDHS steht für „Soldaten des [Départements] Hauts-de-Seine“, www.youtube.com/watch?v=saXEPIXZajw.
- In seiner Aussage erwähnte Bensoussan, dass der marokkanische Autor Saïd Ghallab dieses Phänomen schon 1965 in seinem Aufsatz „Die Juden fahren zur Hölle“ beschrieben habe (Les juifs vont en enfer, in: Les Temps Modernes 229, Juin 1965).
- Vgl. Elisabeth Badinter: „Il ne faut pas avoir peur de se faire traiter d‘islamophobe“, 6.1.2016, www.franceinter.fr/emission-linvite-elisabeth-badinter-il-ne-faut-pas-avoir-peur-de-se-faire-traiter-dislamophobe.
- L’affaire Bensoussan ou la dérive inquiétante de l’anti-racisme, 11.3.2017, www.lefigaro.fr/vox/societe/2017/03/10/31003-20170310ARTFIG00244-l-affaire-bensoussan-ou-la-derive-inquietante-de-l-antiracisme.php.