Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen buddhistischen Lehrer
Vor dem Landgericht Augsburg hat der Prozess gegen den Zenpriester und früheren Ehrenrat der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) Genpo Döring (62) begonnen. Genpo Döring (bürgerlich Hans Rudolf Döring) steht unter dringendem Tatverdacht, sich über Jahre an Kindern sexuell vergangen zu haben. In der Anklage geht es offenbar um über zwei Dutzend Fälle, laut Medienberichten soll er bei Prozessbeginn den Missbrauch von sieben Jungen im Alter zwischen vier und 13 Jahren zugegeben haben. Der Beschuldigte sitzt seit Juli 2016 in Untersuchungshaft. Die Mutter eines zur Tatzeit elfjährigen Jungen hatte ihn angezeigt. Laut Süddeutscher Zeitung hatte sie sich mit ihren beiden Söhnen wegen Trauerbegleitung an den Zen-Lehrer gewandt, der daraufhin eine Beziehung zu ihr hatte und das quasifamiliäre Verhältnis ausnutzte. Weitere Opfer waren Kinder einer Flüchtlingsfamilie, um die sich der Beschuldigte kümmerte. Bei einer Durchsuchung fand die Polizei eine große Zahl von Kinder- und Jugendpornos.
Genpo Döring, der in jungen Jahren Polizist war, wandte sich auf seiner religiösen Suche in den 1970er Jahren dem Buddhismus zu, wurde Anfang der 1980er Jahre buddhistischer Priester und gründete 1992 den Zen-Tempel Bodaisan Shoboji in Dinkelscherben bei Augsburg (Rinzai-Zen), den er bis letztes Jahr leitete. Wegen eines Schlaganfalls 2015 wollte er kürzertreten und sich von einigen Ämtern zurückziehen. Döring war Ehrenmitglied des Rates der DBU und der einzige Europäer unter den mehr als 15 Vizepräsidenten der in Thailand ansässigen World Fellowship of Buddhists (WFB). In buddhistischen Kreisen und im interreligiösen Dialog war er eine hoch angesehene Persönlichkeit. Er hatte aktiven Anteil am Entstehungsprozess der Orientierungshilfe des Rates der DBU „Heilsame und unheilsame Strukturen in Gruppen“ (2012), die auf Probleme des Machtmissbrauchs und der Manipulation aufmerksam macht. Döring ist mit einer Japanerin verheiratet und hat drei erwachsene Kinder.
Die Zeitschrift der DBU, „Buddhismus aktuell“, berichtete in einem Blog-Eintrag im Februar 2017. Es wird jedoch weder auf der Internetseite der DBU noch auf der Seite des Shoboji-Tempels zu dem Fall Stellung genommen. Auf letzterer wurde das Profil Dörings als Lehrer gelöscht.
Viele Buddhisten in Deutschland finden es notwendig und wichtig, dass über die Problematik von Machtmissbrauch und Manipulation in buddhistischen Gemeinschaften aufgeklärt wird und bekannt gewordene Fälle mit aller Konsequenz aufgearbeitet werden. Einige machen es sich zur Aufgabe, Informationen zu bündeln, Öffentlichkeit herzustellen und mit Nachdruck kritische Aufklärung zu fordern. Dabei geht es zunächst darum, eine innerbuddhistische Auseinandersetzung anzustoßen.
Zu den bekannten Namen auf diesem Gebiet gehören Tenzin Peljor /http://blog.buddhistische-sekten.de ; https://info-buddhismus.de , Christopher Hamacher (München, schon 2012 kritisch zu Machtmissbrauch in Zen-buddhistischen Kreisen: https://derunbuddhist.files.wordpress.com/2013/08/zen-hat-keine-moral.pdf ) und andere. Sie verweisen auf einen großen Missbrauchsskandal in der Frankfurter Pagode Phat Hue vor ein paar Jahren, der nach Meinung einiger Beobachter vertuscht wurde, sowie auf die abgründigen Probleme, die auch aus sexuellen Handlungen buddhistischer Lehrer mit erwachsenen Schülerinnen und Schülern entstehen können. Das Vertrauensverhältnis und das Machtgefälle zwischen Lehrern und spirituell Suchenden eröffnet ein höchst sensibles Beziehungsfeld, das auch in strafrechtlich nicht relevanten Fällen ethische Grundfragen aufwirft. In dieser Hinsicht werden Erwartungen gegenüber der DBU formuliert, deren Diskussion allerdings erst noch bevorsteht.
DBU-Sprecher Gunnar Gantzhorn äußerte kürzlich in einem DLF-Beitrag die Ansicht, dass man „von außen“ kein Urteil darüber fällen könne, ob eine sexuelle Beziehung zwischen Lehrern und (erwachsenen) Schülern heilsam sei oder nicht. Im tantrischen Buddhismus, der auch in der DBU praktiziert werde, gebe es solche Formen. Eine generelle Ablehnung legt sich für die DBU daher nicht nahe. Tenzin Peljor sieht die Gefahr, dass mit dem rationalisierenden Argument der Freiwilligkeit einer sexuellen Beziehung zwischen Lehrern und Schülern der Missbrauch gerade unterstützt wird. Zu denken, „beim Sex wäre die Schülerin dann eben keine Schülerin mehr, sondern auf Augenhöhe mit dem ‚Meister‘, ist meines Erachtens eine selbsttäuschende Illusion“.
Friedmann Eißler