Warum Esoterik? Ergebnisse einer Befragung im Internet
(Letzter Bericht: 1/2006, 30ff und 32f) Magie, Heilungsmethoden und Astrologie sind unter esoterischen Angeboten besonders beliebt. Während magische Praktiken und astrologische Offerten besonders bei Frauen gefragt sind, zeigen sich Männer vorrangig an parapsychologischen Themen interessiert. Zu diesem Ergebnis kam vor kurzem eine im Internet durchgeführte Umfrage. Rund 4000 Menschen hatte www.sozioland.de, das Informations- und Meinungsportal im Internet, im Jahr 2005 über sechs Monate lang zu „Esoterik und Mystery“ befragt.
Bereits die Formulierung des Themas lässt Fragen aufkommen. Um es vorwegzunehmen: In dieser Umfrage werden in undifferenzierter und zum Teil willkürlicher Weise höchst unterschiedliche Phänomene unter Esoterik subsumiert. Gleichwohl lassen sich in den Antworten vorherrschende Trends in der gegenwärtigen Religionskultur ablesen. In der Umfrage wird nach Geschlecht, Alter und der Religionszugehörigkeit unterschieden. Als Gesamtergebnis hat sich herausgestellt: Über die Hälfte der Befragten gab an, „dass Esoteriker keine Spinner sind, sondern ihr Bewusstsein erweitern möchten“. Kein Wunder, denn der überwiegende Teil hat bereits selbst esoterische Techniken „für sich beansprucht“. Am häufigsten genannt wurden: Karten legen, Traumdeutung (!), Handlesen, Magie und Feng Shui. Lediglich 26,5 Prozent gaben an, keinerlei esoterische Techniken zu nutzen.
Die größte Gruppe der Nutzer esoterischer Angebote stellen die über 40-Jährigen, gefolgt von den 30- bis 39-Jährigen. Sie gaben an, sich seit über zehn Jahren mit Esoterik zu beschäftigen. Es handelt sich dabei überwiegend um Personen, die bei der Frage nach ihrer Religionszugehörigkeit „sonstige“ bzw. „keine“ angaben. Aber auch unter Kirchenmitgliedern beider Konfessionen ist die Zahl derer, die esoterische Angebote seit mehreren Jahren nutzen, relativ hoch (20 bis 25 Prozent). Seit drei bis fünf Jahren beschäftigt sich die Gruppe der unter 19-Jährigen (35,9 Prozent) sowie die der 19- bis 24-Jährigen (34,2) mit diversen Esoterika. Die Lektüre von Horoskopen dient vielen der Befragten zur persönlichen Unterhaltung und hat keinerlei praktische Auswirkung auf das eigene Verhalten. Astrologie-Sendungen wie z.B. Astro TV (vgl. MD 4/2006, 146f) stoßen in allen Altersgruppen weitgehend auf Ablehnung (39 Prozent). 43,3 Prozent gaben sogar an, „so eine Sendung noch nie gesehen“ zu haben. Noch drastischer fällt das Ergebnis im Blick auf die Lektüre von esoterischen Periodika aus: Fast 90 Prozent (88,8 Prozent) lesen keine (Online-)Magazine bzw. Zeitschriften aus dem Esoterikbereich. Lediglich 4,6 Prozent lesen „hin und wieder“ die Astro Woche. Deutlich weniger werfen hin und wieder einen Blick in Astrologie heute (3,3 Prozent) oder Esotera (2,3 Prozent).
Mit „Geistern und übernatürlichen Erscheinungen“ rechnen 20 Prozent, 47 Prozent der Befragten sind in dieser Frage unschlüssig, halten „deren Existenz aber nicht für ausgeschlossen“. Kontakt mit einem Geist oder einer anderen übernatürlichen Erscheinung hatten immerhin 10,7 Prozent. 20,2 Prozent gaben zur Antwort: „Kann sein, ich bin mir nicht sicher.“ Für die überwiegende Mehrheit steht mehr oder weniger fest, dass es bei Menschen übersinnliche Fähigkeiten gibt. Nur 14,3 Prozent halten dies für ausgeschlossen.
Die Gründe, warum Menschen esoterische Angebote nutzen, sind unterschiedlich. Mehrheitlich wird Esoterik als Suche nach Halt in unbeständigen Zeiten begriffen. Doch nicht alle der Befragten teilen diese Auffassung. Hier zeigt sich bei der Einschätzung ein geschlechtsspezifischer Unterschied. Ein Viertel der Männer vertritt die Meinung, „dass jemand, der sich mit Karten legen und Magie die Zeit vertreibt ‚nicht mehr ganz echt im Kopf’ sein kann“. Das Praktizieren esoterischer Methoden hat für diejenigen, die sie anwenden, offenbar so gut wie keine „gravierenden Einflüsse“ auf ihr Leben. Nur ein Viertel konnte für sich kleinere Veränderungen „im Hinblick auf den Umgang mit der Umwelt und Mitmenschen“ feststellen. Die Mehrheit der Befragten glaubt an Gott als Person, jedoch „unabhängig von der Darstellung im Christentum“. Dabei zeigen sich bei den Befragten sehr unterschiedliche Gottesbilder. So finden sich neben deistischen Auffassungen (es gibt Gott bzw. eine höhere Macht, die aber keinerlei Einflussmöglichkeiten auf das irdische Geschick hat) auch agnostische bzw. atheistische Überzeugungen. Die Hälfte der Befragten vertritt die Auffassung, „dass der Lebensweg zwar an das Schicksal gebunden ist, dass jedoch der Einzelne die Möglichkeit hat, durch individuelle Entscheidungen sein Schicksal zu beeinflussen“. Auf die Frage „Was geschieht Ihrer Meinung nach mit der Seele nach dem Tod?“ antworteten die meisten (34,2 Prozent) mit dem Satz „Sie wird wiedergeboren“; 15,1 Prozent rechnen damit, dass sie zu einem Geist wird. Bei der Auswertung stellt sich die Frage, ob mit „Wiedergeburt der Seele“ explizit eine Reinkarnationsvorstellung oder die Wiedergeburt der Seele zu einem neuen Leben gemeint ist.
An diesem Punkt offenbaren sich die Grenzen von solcherlei Befragungen, weil sie in der Auswahl der Themen und Phänomene sowie in der Formulierung der Fragen unpräzise sind. Insofern zeichnen Erhebungen wie diese kein zuverlässiges Bild der Esoterik-Nutzer. So werden in den jeweiligen Fragen „alternative Heilmethoden“ pauschal mit Esoterik gleichgesetzt. Kaum verwunderlich ist es dann, wenn mehr als zwei Drittel der Befragten, die sich nicht von vornherein als Esoteriker begreifen, von der schnelleren und effektiveren Wirkung dieser alternativen Heilweisen bei seelischen Beschwerden oder psychosomatischen Erkrankungen überzeugt sind. Die Mehrheit der Befragten plädiert daher auch für eine Gleichbehandlung von Schulmedizin und alternativen Heilmethoden.
Hoch im Kurs bei den Befragten stehen Verschwörungstheorien aller Art. So vertritt nahezu ein Viertel der Befragten (21,5 Prozent) die Auffassung, dass die Mondlandung im Jahr 1969 gar nicht stattgefunden habe, sondern von den US-Amerikanern inszeniert worden sei. 11 Prozent meinen, die Welt werde „durch eine geheime Regierung, die Illuminaten, regiert“. Und fast 32 Prozent sind sich sicher: „Lady Di starb nicht durch einen Autounfall, sondern wurde ermordet.“ Erstaunlich viele (21,4 Prozent) vertreten die Auffassung, dass es sich bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 wegen der angeblich unklaren Beweislage um eine Inszenierung der USA gehandelt habe. Das Internetportal www.sozioland.de präsentiert dafür folgende Erklärung: „Die Unklarheiten um den Terroranschlag am 11. September 2001 stehen stellvertretend als Symbol für die unsicheren Zeiten des 21. Jahrhunderts und die Herausforderungen, vor denen die Menschheit im neuen Jahrtausend steht.“
Matthias Pöhlmann