Was du suchst, das hast du schon. Eine Anleitung zu heilsamer Spiritualität
Detlef Wendler, Was du suchst, das hast du schon. Eine Anleitung zu heilsamer Spiritualität, Kreuz-Verlag, Stuttgart 2007, 189 Seiten, 14,95 Euro.
Spiritualität – das Wort ist populär, fast inflationär geworden. Es scheint einen neuen Zugang zu religiösen Impulsen anzudeuten – frei, pluralistisch und individuell statt gehorsam, einheitlich und dogmatisch. Jenseits solcher unausgesprochener Wertungen meint Spiritualität zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als die Innenseite der Religion. Man kann sie abgrenzen von der dogmatischen Seite, der Glaubenslehre, ebenso von den ethischen Geboten und Verboten. Spiritualität bezeichnet die Art und Weise der persönlichen Erfahrung Gottes oder des Göttlichen; die Alten hätten vielleicht vom „Zwiegespräch der Seele mit Gott“ gesprochen, als dessen – auch wortlose – Sprache man die Spiritualität begreifen kann.
Aber genug der Definitionen. „Dieses Buch will Sie nicht in eine intellektuelle Diskussion verwickeln, sondern Ihnen einen Zugang zu Spiritualität und Religion über die Erfahrung eröffnen.“ So beschreibt der Autor, evangelischer Pfarrer und Psychiatrie-Seelsorger in Krefeld, das Anliegen seines Buches. Konsequent nennt er deshalb einzelne Schritte auf dem „inneren Weg“, erläutert und begründet sie kurz und illustriert sie mit einer kleinen Geschichte oder Legende. Behutsam in der Sache und locker in der Sprache entwickelt Wendler eine Abfolge von 40 kleinen Übungsschritten (er spricht von „Modulen“), die ohne große theologische Vorgaben dennoch so etwas wie geistliche Erfahrung erschließen. Er beginnt mit Übungen der absichtslosen Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit auf Körper und Atem. Über persönliche Rituale des Loslassens von Wünschen, sich selbst oder die eigene Umgebung zu kontrollieren, sucht er hinzuführen in eine vertrauensvolle Haltung zum Leben und – einige Schritte weiter – zu einer höheren Macht, die trägt und nicht drückt oder unterdrückt.
Gerade dieser Schritt ist typisch für Wendlers Vorgehen. So empfiehlt er, sich selbst Vorstellungen und Bilder von Gott zu suchen, die guttun, z B. Wärme, Licht, Geborgenheit. Dem Vorwurf der Willkür und Beliebigkeit begegnet er gelassen mit biblischen Argumenten: „Alle die oben genannten Vorstellungen von Gott sind nicht beliebig, sondern lehnen sich an biblische Sprachbilder an. Sie bringen auch nicht die höhere Macht in menschliche Verfügungsgewalt. Es kann gut sein, dass die höhere Macht oder Gott sich zeigen kann, wie sie es will.“ Eines freilich betont Wendler sehr deutlich: Die Liebe dieses Gottes, von dem die Bilder handeln, ist voraussetzungslos; sie verlangt weder vorausgehende Leistung noch erkennbaren Erfolg bei dem Versuch eines richtigen Lebens. „Die christliche Theologie ist ein einziger Protest dagegen, das Leben einfach, geradlinig und beengend zu sehen, auch wenn es manchmal so vereinfachend verkündet und verstanden wird. Das Christentum ist vielmehr eine einzige Einladung, das Leben zu wagen, auch wenn man daran scheitern und sogar schuldig werden kann.“ An diesen wie an einigen anderen Stellen blitzt die Erfahrung des Umgangs mit psychisch Kranken ebenso auf wie die gut reformatorische Grundierung dieses sehr offenen spirituellen Weges. Er ist offen für eine christliche Konturierung, aber er erzwingt sie nicht.
Vielmehr bilden die 40 Module einen methodisch überzeugenden Zugang zu einer freundlichen, eben heilsamen Wahrnehmung seiner selbst, der Welt und letztlich einer höheren Macht, die das Selbst und die Welt trägt. Dabei relativiert der Autor auch seine eigenen Ideen, wenn er schreibt: „Das Heilsame in Ihnen selbst soll entdeckt und geweckt werden. Was Ihnen an Gedanken und Übungen in diesem Buch nicht gut tut, lassen Sie getrost weg.“ Gerade der völlige Verzicht auf ein elitäres Guru-Gehabe macht neben der methodischen Sorgfalt und der sprachlichen Lockerheit dieses Buch so sympathisch. Es ist eine Einladung an alle, mindestens den Vorhof des Heiligen getrost zu betreten. Wie nah man dem Allerheiligsten dabei kommt, wird sich zeigen.
Lutz Lemhöfer, Frankfurt a. M.