Was jeder vom Islam wissen muss
Martin Affolderbach / Inken Wöhlbrand (Hg.), Was jeder vom Islam wissen muss, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 82011, 368 Seiten, 14,99 Euro.
Der Islam in Deutschland gehört auch zu Deutschland und trägt damit neue Fragen und Herausforderungen an die Gesellschaft heran. Vielseitige soziale, politische, kulturelle und religiöse Prinzipien prallen aufeinander, und es gilt nun, durch Zusammenarbeit, Begegnung und Aufklärung das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen zu gestalten.Der in der VELKD und der EKD beheimatete und bereits in der 8. Auflage erschienene Klassiker liefert Grundinformationen zum muslimischen Glauben aus der Feder einer Reihe von Fachleuten aus verschiedenen kirchlichen und universitären Arbeitsbereichen. Das Buch will Hilfen für christlich-muslimische Begegnungen bieten und nicht zuletzt auch den eigenen christlichen Glauben stützen. Doch gelingt es dem Buch, genug Wissen zu vermitteln, sodass sich Christen den Herausforderungen eines Dialogs mutig, klug und kritisch stellen können?Der informative Teil ist gerade für Islam-Einsteiger leicht verständlich und übersichtlich gestaltet. Themen wie Glaube, Lehre, Ethik werden so dargestellt, dass der Leser handbuchartig nachschlagen kann. Nach jedem Artikel werden Dokumentationsseiten angefügt, die Hinweise auf Primärquellen liefern. Der Themenblock „Islam und Christentum“ grenzt auf der einen Seite das Christentum vom Islam ab, macht am Ende aber auch Parallelen und Gemeinsamkeiten deutlich (z. B. Abraham in der Bibel und im Koran). Weiterhin wird eine Auswahl an Themen, Kriterien und Regeln für einen Dialog an die Hand gegeben. Es gelte, die eigene christliche Identität zu bezeugen, Differenzen und Parallelen aufzuspüren und gemeinsam Gutes zu tun (288). Im Anhang befinden sich ein islamischer Festkalender, eine Zeittafel, zahlreiche Landkarten sowie Adressen von muslimischen Dachverbänden und Zusammenschlüssen.Leider lassen einige Kapitel kritische Sichtweisen der Thematik vermissen. So fehlt eine ausdrückliche Distanzierung in Bezug auf die Ungleichbehandlung der Frau oder die patriarchale Rechtsprechung. Für problematisch halte ich auch die Ausblendung des islamischen Fundamentalismus und des islamistischen Terrorismus. Gerade hier werden immer wieder ängstliche Anfragen gestellt, die es zu beantworten gilt. Fundamentalistische Gruppierungen wachsen und agieren vor unseren Augen, sie gehören ebenso zu den „religiösen und kulturellen Ausdrucksformen des Islam“ in Deutschland (9). Gerade weil diese Gruppen in den Medien präsent sind, werden hier fundierte Informationen erwartet.Das Buch bietet – leider nicht nach jedem Abschnitt – „Hinweise und Anfragen aus christlicher Sicht“. Tatsächlich werden hier Parallelen und Differenzen aufgezeigt und der Leser dadurch zum Nachdenken über seinen eigenen Glauben angeregt. Die Tiefe dieser Reflexion wird dabei sicher vom Vorwissen und Interesse des Lesers abhängen. Auf jeden Fall wird durch das gründliche Kennenlernen des Anderen ein Stück weit Fremdheit genommen, Vertrauen und Mut für die Begegnung werden gestärkt.Der Band bietet einen hilfreichen und klugen Einstieg in Gespräche im Alltag von Christen und Muslimen und kann dazu beitragen, Vorurteile und Distanzen beim Leser abzubauen. Genauso können Ansätze und Hilfen für einen theologisch geführten Dialog gefunden werden. An einigen Stellen wäre zwar eine intensivere Auseinandersetzung mit problematischen Themen zu wünschen, allerdings wird eine Fülle an Wissen und weiterführenden Hinweisen vermittelt, sodass sich interessierte Leser vertiefend mit der jeweiligen Thematik befassen können. Das Buch bietet nicht nur Faktenwissen und Erklärungen an, sondern macht auch deutlich, dass es im Dialog mit Muslimen auf einen sowohl fundierten als auch offenen christlichen Glauben ankommt.
Sandra Abild, Berlin