Willst du normal sein oder glücklich? Aufbruch in ein neues Leben und Lieben

Robert Betz, Willst du normal sein oder glücklich? Aufbruch in ein neues Leben und Lieben, Heyne-Verlag, München 2011, 272 Seiten, 8,99 Euro.

Der 59-jährige Diplom-Psychologe Robert Betz zählt sich zu den erfolgreichsten Lebenslehrern und Seminarleitern im deutschsprachigen Raum. Nach eigenen Angaben werden seine Vorträge jährlich von über 30 000 Menschen besucht. Der Rheinländer machte sein Abitur auf einer Klosterschule und wollte zunächst Priester werden. Nach dem Diplom in Psychologie arbeitete er 20 Jahre lang in Werbeagenturen. Nach einer Sinnkrise vor 15 Jahren verließ er Frau und Job und zog nach München, wo er sich zum Reinkarnationstherapeuten weiterbilden ließ und sich intensiv mit Schamanismus, Geistheilung und dem „Kurs im Wundern“ beschäftigte. Seit 2002 bildet er selbst Menschen in der von ihm entwickelten „Transformations-Therapie“ aus.

Heute leitet er seine 30-köpfige Firma „Robert Betz Transformations GmbH“ in München. Das Unternehmen organisiert jährlich ca. 70 Abendvorträge sowie 20 „Tagesseminare am Sonntag“ mit dem Bestseller-Autor. Hinzu kommen das viertägige Seminar „The Work nach Byron Katie – neu gestaltet durch Robert Betz“ sowie weitere Ausbildungsangebote – neuerdings auch mit den Schwerpunkten „Wirtschaft“ sowie „Schule/Pädagogik“. Fünf von Betz autorisierte Ausbildungsleiter führen das achtmonatige Training in „Transformations-Therapie nach Robert Betz“ durch (Details unter www.robert-betz.de). Mehrere tausend Menschen sollen bereits an der bundesweit angebotenen „Transformationswoche“ teilgenommen haben. In diesem Seminar werden Impulsreferate von Betz von Einzelsitzungen eingerahmt, die von den Teilnehmern bei einem der 20 ihn begleitenden Transformations-Therapeuten gesondert gebucht werden können (80 Euro/Stunde). Darüber hinaus bieten sechs Masseurinnen und Masseure Ölmassagen an, die Klärungsprozesse wirkungsvoll unterstützen sollen (60 Euro/Stunde). Die Münchener Firma ist auch im Versandhandel aktiv: Am Ende des zu besprechenden Buches wird auf 13 Seiten auf zahlreiche Hörbücher, Vortragsmitschnitte sowie Meditations-CDs des Autors hingewiesen.

Die wesentliche Quelle für die Entwicklung der Transformations-Therapie bildet nach Angaben von Betz „ein altes Wissen als Lehrer, das nicht aus diesem Leben stammt. Zu diesem Wissen und Erfahrung erhalte ich in den letzten Jahren immer mehr Zugang“ (Ausbildungsbroschüre 2013/2014, 5). In seinen Seminaren und Fortbildungen arbeitet Betz bewusst und intensiv „mit Lehrern der Geistigen Welt sowie mit Engeln und Erzengeln zusammen … Meine gesamte Arbeit wird von ihnen sehr intensiv begleitet und unterstützt“ (ebd., 6).

Diese Hintergründe werden in dem Taschenbuch verschwiegen. Es richtet sich als ein Bestseller der Lebenshilfe-Literatur an den unglücklichen „Normalmenschen“, der angeblich wie ein Hund in seinem Zwinger lebt und nur davon träumt, endlich in ein neues Leben voller Glück und Liebe aufzubrechen. Der Autor will dazu ermutigen, die ausgetretenen Pfade des Alltags zu verlassen und sie einzutauschen gegen einen „Weg des Herzens: Mutig, freudig, erfolgreich und authentisch“. Zunächst erklärt der Psychologe dem erstaunten Leser, dass der Normalmensch leiden wolle – zumindest unbewusst. Selbsterschaffene Ängste seien die gewöhnliche Seelennahrung derjenigen, die unter der Unberechenbarkeit des Lebens leiden würden. Weil Kontrolle und Sicherheit unmöglich seien, wachse mit dem Wunsch danach gleichzeitig die Angst vor einem Schicksalsschlag oder der bösen Umwelt. Betz behauptet, dass sich der Mensch das größte Leid selbst antue. Letztlich leide er nur an sich selbst – der Mensch sei für die Erschaffung seiner Ängste verantwortlich und könne diese auch nur selber verwandeln. In der Transformations-Therapie wird der Mensch als Schöpfer seiner Lebenswirklichkeit betrachtet und ermutigt, seine Schöpferkraft und die Verantwortung für das Leben wieder in Besitz zu nehmen. Dazu zählt Betz die Fähigkeit zur Selbstliebe, die sich erst dann einstelle, wenn man sich selbst vergeben könne.

Der Autor verwendet zu Illustrationszwecken einen direkten Sprachstil. So werden in dem Buch die Menschen als „Arsch-Engel“ bezeichnet, die dem Einzelnen als Spiegel zeigen, welche negativen Eigenschaften und Verhaltensweisen er besitzt – wenn etwa eine unordentliche Tochter daran erinnert, dass bei einem selbst noch eine Menge Unordnung herrscht. Es sei viel gewonnen, so der Autor, wenn man irgendwann erkenne, dass der vermeintliche „Arsch“ in Wirklichkeit tatsächlich ein „Engel“ der Selbsterkenntnis gewesen sei. Das Buch kommt allerdings über psychologische Binsenweisheiten und Alltagsplatitüden („Du bist die wichtigste Person in deinem Leben“, „Hör auf, das Opfer zu spielen“; „Liebe deine Gefühle“) nicht hinaus. Vielleicht ist das der Grund für den Erfolg – viele Monate war der Ratgeber laut „Buchreport“ bundesweit unter den meistgekauften Sachbüchern platziert.

Die Hintergründe der „Transformations-Therapie“ werden in dem Buch verschleiert. Es handelt sich bei der Behandlungsmethode um ein spiritistisches Verfahren, was an den Monatsbriefen mit Botschaften deutlich wird, die auf der Internetseite abzurufen sind und Gespräche von Betz mit der „Geistigen Welt“ (übermittelt durch ein Channelmedium) wiedergeben. Als Information über die fragwürdige „Transformations-Therapie“ ist das Buch aufgrund fehlender Begründungen unzureichend, als einer der zahllosen Glücksratgeber wird es trotz seiner Platzierung als Bestseller vermutlich in der Überfülle der Konkurrenz untergehen.

Michael Utsch