Wolfgang Wankmiller, das Stammesoberhaupt der „Likatier“, ist tot
(Letzter Bericht: 3/2004, 108-110) Am 6. Januar 2019 ist der Gründer und das Stammesoberhaupt der Likatier im Alter von 62 Jahren in Füssen gestorben. Über die näheren Umstände seines Todes teilt Ulrike Driendl (eigentlich Driendl-Piepenburg) im „Likatien Newsletter“ 2/2019 mit: „So wie er in seinem Leben stets inmitten des Stammes war, so verschied er auch inmitten des Stammes in den Armen vieler Stammesmitglieder. In diesem Moment, der den Stamm wie ein übermächtiges Naturereignis völlig unerwartet ereilte, war das Mysterium des Todes, des Übergangs eines Menschen in eine andere Welt, in einen anderen Seinszustand tief zu spüren.“
In der Todesanzeige, die der Stamm der Likatier in der Augsburger Allgemeinen schalten ließ, werden neben Wankmillers „wichtigsten politischen Funktionen“ (u. a. ehemaliger Stadtrat der Stadt Füssen, ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzender der Bayernpartei sowie Ehrenvorsitzender der Jungen Union Füssen) auch seine stammesinternen „Ämter“ aufgezählt: Stammesgründer, Stammesoberhaupt, Leiter des Großen Ältestenrates, Gründer und Leiter des Altgriechischkurses sowie Gründer und Leiter des Kurses Politik und politische Philosophie. Als Unterzeichner der Todesanzeige werden u. a. die stellvertretenden Stammesoberhäupter Ingrid Müller-Mackert und Ulrike Driendl-Piepenburg, Wankmillers Lebensgefährtin Monika Philipp sowie fünf Kinder und mehrere Enkel Wankmillers namentlich genannt. Insgesamt hinterlässt er – so die offizielle Mitteilung im Newsletter der Likatier 2/2019 – neun Kinder und 19 Enkelkinder.
Wenige Tage nach Wankmillers Tod fand in Füssen in einem Jurtezelt die stammesinterne Verabschiedung vom Stammesoberhaupt statt. Die Abschiedsrede hielt Otto Piepenburg. Der Verstorbene wurde später im Beisein vieler Likatier in einer Gruft auf dem Friedhof im italienischen Turin beigesetzt. Der Sarg war mit den Stammestotems, den Walen, dem Bärlapp und Hopi-Symbolen, sowie mit likatischen Landschaftstempeln des weißen, roten und schwarzes Aspektes der Muttergöttin und Heimatmotiven aus Wankmillers Leben gestaltet: „Der Sargdeckel wurde mit Blattgold und dem likatischen Stammeswappen bemalt, während auf der Unterseite des Bodens alle Stammesmitglieder einen farbigen Handabdruck von sich selber verewigten“ (Likatien Newsletter 2/2019). Auf dem Friedhof in Turin wurde mit rund 80 Stammesmitgliedern eine kleine Trauerfeier abgehalten, bei der Ulrike Driendl die Trauerrede hielt.
Unterkunft fanden die angereisten Likatier bei der seit 1975 bestehenden norditalienischen esoterischen Gemeinschaft Damanhur, zu der seit mehreren Jahren freundschaftliche Kontakte bestehen. Dort in „Damanhur Crea“ befindet sich eigenen Angaben zufolge auf dem Gelände einer ehemaligen Fabrik ein Kongresszentrum dieser spirituellen und ökologischen Lebensgemeinschaft mit 600 Mitgliedern. Es umfasst ein Areal von 4000 Quadratmetern, „auf denen sich Dienstleistungen, Geschäfte, Ateliers und Gemeinschaftsräume für Begegnung vereinen“ (www.damanhur.org).
In einem Nachruf gibt der Stamm der Likatier einen näheren Einblick in die Biografie Wolfgang Wankmillers. Dieser wurde am 15. März 1957 in Füssen geboren und wuchs nach der Trennung seiner Eltern seit seinem siebten Lebensjahr bei seiner Großmutter auf. Er wurde katholisch erzogen und versah den Ministrantendienst, bis er sich im Alter von zwölf Jahren von der katholischen Kirche abwandte und 1970 als eine Art Freundeskreis von Gleichaltrigen die Organisation „Planet for Absolution“ ins Leben rief. Später begann er sich politisch zu engagieren, zunächst für die Füssener CSU, dann in der Bayernpartei. Wichtige Motive seien dabei „Heimatbewahrung und Umweltschutz“ gewesen. Sein politisches wie auch rhetorisches Talent habe damals angeblich viele Neider auf den Plan gerufen. Anfeindungen und „böswillige Gerüchte“ von Wankmiller-Gegnern in der Öffentlichkeit hätten ihn schließlich zum Rückzug aus der Politik bewogen.
So begann er seine Stammesgemeinschaft aufzubauen. Als offizielles Gründungsjahr der Likatier wird 1974 angegeben. Heute gehören der Gemeinschaft 300 Menschen an. Selbstbewusst heißt es: „Der Stamm der Likatier gehört zu den größten und vor allem zu den ältesten der neuen Gemeinschaften weltweit, die heute existieren.“
Wankmillers Anliegen sei es gewesen, die Stammesmitglieder generationenübergreifend zu einem Zusammenleben anzuleiten, das von Fühlen und Lieben geprägt sei: „Das war immer seine wichtigste Aufforderung an die Stammesmitglieder, dass sie aus der Kälte der Rationalität und des Pragmatismus aussteigen und Gefühle und Liebe leben sollen.“ Besonderen Wert habe der Gründer auch auf eine spezielle Ahnenkultur gelegt. Auf Wankmiller geht auch die bis heute gültige interne Stammesstruktur zurück. So wird – je nach Intensität „des Einlassens auf den Stamm“ – zwischen Existentialmenschen, Schwurmenschen, Spurmenschen, Lebemenschen und Lamatieden unterschieden. Ab 1981 konnte der Stamm zahlreiche Immobilien in Füssen erwerben, was immer wieder auf Widerstand der örtlichen Bevölkerung stieß. 1993 erfolgte die Umbenennung in Stamm Füssen Eins, 1998 in „Stamm der Likatier“. Begleitet wurde diese Entwicklung immer wieder von kritischen Medienberichten über die nach außen hin abgeschottete Gemeinschaft. Hinzu kamen Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs innerhalb der Likatier. 2001 kam es nach einem Gerichtsprozess zu einer Verurteilung eines Mitglieds, dem sexuelle Übergriffe auf Mädchen zwischen fünf und vierzehn Jahren nachgewiesen worden waren.
Der Tod des Gründers und Stammesoberhaupts „Wolfi“ (so die interne Bezeichnung) stellt für die Geschichte der Likatier eine Zäsur dar, obwohl Wankmiller seit vielen Jahren nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten ist. Anfragen zu Gesprächen mit ihm wurden negativ beschieden. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Stamm in Zukunft weiter entwickeln wird und zu welchen internen hierarchischen Veränderungen der Tod Wankmillers führen wird. Ulrike Driendl, eine der beiden Vize-Chefinnen des Stammes, gibt sich im März-Newsletter zuversichtlich: „Und so dreht sich das Stammesrad einerseits ohne und andererseits mit Wolfi weiter. Die Jahreskreisfeste werden gefeiert, der Frühling mit der neuen Feldsaison steht an, die Weltlehrer werden gefeiert, die Kinder wachsen und gedeihen und auch bei der Nudelproduktion muß es weiter gehen.“
Matthias Pöhlmann, München