Yogaschulen in Berlin - hinduistisch oder weltanschaulich neutral?
Yoga ist nahezu jedem ein Begriff, aber was darunter verstanden wird variiert sehr. „Yoga hat etwas mit Hinduismus zu tun? Das wusste ich nicht.“ Diese und ähnliche Reaktionen weckten mein Interesse, einen Einblick zu bekommen, wie Yoga gelehrt wird. Wird Yoga nur noch als Sport oder Entspannungsmethode gesehen, die helfen soll, dem alltäglichen Stress des Großstadtlebens gewachsen zu sein? Inwiefern fließen hinduistische oder andere weltanschauliche Vorstellungen in den Unterricht ein?
Viele kleine und größere Yogaschulen präsentieren sich mit einem Überblick über die gelehrten Yogarichtungen und die Philosophie der Schule sowie ihre Tradition im Internet. Auf Grundlage dieser Informationen wählte ich vier Yogaschulen aus, bei denen ich an Probestunden teilnahm und einen Einblick erhielt, wie stark und ob überhaupt Yoga dort mit weltanschaulichen Elementen verbunden wird.
spirit yoga in Berlin-Mitte
Die Philosophie von spirit yoga ist, dass Yoga befreie und glücklich mache und dieser Zustand des Wohlfühlens sich übertrage und zu mehr Frieden und Harmonie führe. Die Schule mache es sich zur Aufgabe, die alte Tradition des Yoga auf lebensnahe, freigeistige und lebendige Art zu vermitteln. Auf einem Flyer der Schule ist eine Yogi-Verhaltensregel angegeben, die neben allgemeinen Normen wie „Stehle nicht“, „Sei freundlich und verletze niemanden“ auch „Disziplin, Mut und Hingabe bei der Arbeit“ sowie „Erkenne das Wirken Gottes in allem Schönen, Wahren und Guten in der Welt“ fordert. Weiter heißt es, dass Yoga ein Übungsweg, eine Philosophie sei und Yoga Erfahrungen in der jeweils eigenen Religion vertiefen könne.
Die Leiterin von spirit yoga ist vom Berufsverband Deutscher Yogalehrender (BDY) anerkannt und unterrichtet PowerVinyasaFlowYoga. Weitere Kurse an ihrer Schule sind für Jugendliche, „meditativ-regenerierende“ Stunden, sanftes Yoga, Schwangerschaftsyoga und Rückbildungsgymnastik sowie Kirtan („Gesang“).
Die Probestunde, eingebettet in einen Tag der offenen Tür, fand in einem Raum statt, in dem sich eine Art „Schrein“, u. a. mit einem Kreuz, einer Marienkerze, einer Ganesha-Statue und einer Gebetskette befand, auf dem eine pinkfarbene Buddha-Statue stand. Während der Yogastunde wurde immer wieder erläutert, dass es sich nicht um Sport handele, sondern Yoga der Selbstfindung diene und daher die Leistung nicht von Bedeutung sei.
Bei spirit yoga scheint ein Yoga frei von religiösen oder weltanschaulichen Elementen gelehrt zu werden. Vermutlich befinden sich die religiösen Elemente in erster Linie in den Räumen, um das „indische Flair“, das durch eine indisch anmutende Einrichtung erzeugt wird, zu verstärken.
east side yoga in Berlin-Prenzlauer Berg
Bei east side yoga wird Yoga in der Tradition von T. Krishnamachaya gelehrt. Yoga sei in seiner klassischen Form nicht von religiöser, sondern universeller Spiritualität und daher könne „sein Erkenntnisweg von Gläubigen wie auch Atheisten und Skeptikern beschritten werden“. Weiter heißt es, Yoga könne mehr Lebensfreude und Wohlbefinden schenken und eine hilfreiche Unterstützung auf unserem spirituellen Weg sein.
Die Schule wird von einer vom BDY anerkannten Lehrerin geleitet und es werden Kurse zu Viniyoga, Meditationen und Kinder- sowie Schwangerenkurse angeboten, die zum Teil von den Krankenkassen anerkannt sind. Die Schwangerenkurse finden über die VHS statt.
Die Räume von east side yoga waren ebenso wie die von mir besuchte Yogastunde frei von spirituellen oder religiösen Elementen. Weltanschauliche Festlegungen – gleich, welcher Art – ließen sich nicht feststellen. Dies scheint, urteilt man nach ihrer Präsentation im Internet, eine Gemeinsamkeit vieler Schulen zu sein.
Sivananda Yoga Vedanta Zentrum e.V. in Berlin-Friedenau
Das Sivananda Yoga Vedanta Zentrum e.V. (SYVZ) sieht sich in der Tradition von Swami Sivananda, dessen Schüler Swami Vishnudevananda die Sivananda Yoga Zentren gründete. Die Leiterin der europäischen Zentren ist Swami Durgananda, die Meditation, Yoga-Psychologie, Ernährungslehre, positives Denken, Mythologie und östliche Philosophie lehre. Die Berliner Schule steht unter der Leitung von Swami Atmaramananda, der ein direkter Schüler des Gründers Swami Vishnudevananda ist.
Im SYVZ finden Hatha-Yogakurse statt, die neben Asana-Übungen (Körperübungen) in Verbindung mit Pranayama (Atemübungen) eine Entspannung mittels Autosuggestion beinhalten. Es gibt spezielle Kurse für Kinder, Schwangere und sanften Yoga. Weiterhin werden Kurse zu Kriyas (physische Reinigungsübungen), Bhakti-Yoga (Yoga der Liebe/der Hingabe) und den Upanishaden angeboten. Es gibt regelmäßige Gruppenmeditationen und es werden Feste mit Puja und Meditation ebenso wie Weihnachtsfeiern mit dem Singen von Weihnachtsliedern und Mantras gefeiert. Angeboten werden auch Fasten-Seminare und die Ausbildung zum Ayurveda-Ernährungsberater. Bei der Beschreibung der Angebote wird immer wieder auf die Notwendigkeit einer yogischen Lebensweise hingewiesen.
Das SYVZ ist vermutlich eine der größten oder die größte Yogaschule in Berlin. Begrüßt wird mit „Om“, dann gibt es Tee und mit einem Glöckchen wird zu den verschiedenen Kursen geläutet. Die Yoga-Probestunde fand in einem Raum statt, in dem Bilder der beiden spirituellen Meister Swami Sivananda und Swami Vishnudevananda zusammen mit einem Bild der Gottheit Siva aufgehängt waren. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich Bilder von Swami Vishnudevananda bei der Ausführung verschiedener Asanas und in einer Ecke stand noch eine kleine Buddha-Statue, vor der Räucherstäbchen angezündet wurden. Die Lehrerin nannte ihren spirituellen Namen und die Stunde begann mit dem gemeinsamen Singen des „Om“. Das „Friedens-Kirtan“, in dem mehrere Gottheiten und die Meister Swami Sivananda sowie Swami Vishnudevananda gepriesen werden, sang die Lehrerin. Auch Allah und Jesus kommen darin vor, erfuhr ich auf meine Nachfrage. Nach der Autosuggestion wurde die Stunde wieder mit dem „Om“ und dem „Friedens-Kirtan“ beendet. Im Eingangsbereich der Schule werden Bücher zu Yoga und Ayurveda neben Sivanandas Werken, hinduistischen Schriften und Literatur über Jesus, den Heiligen Franziskus und Mutter Teresa angeboten. Ähnlich bunt zeigt sich der Altar im Meditationsraum: Siva, Lakshmi, Ganesha und andere hinduistische Gottheiten sowie Swami Sivananda, ein Kreuz und eine islamische Plakette werden hier „verehrt“. Die Figuren der Gottheiten werden von indischen Priestern geweiht, bevor sie auf dem Altar aufgestellt werden.
Diese Schule unterrichtet also einen spirituellen, religiösen Yoga, der aber neben den hinduistischen Vorstellungen offen zu sein scheint für andere Götter und Glaubensrichtungen.
Deutsche Akademie für Traditionelles Yoga e. V. in Berlin-Mitte/-Schöneberg
Die Deutsche Akademie für Traditionelles Yoga(DATY) bietet Kurse in zwei Zentren an. Dem Maha Yoga-Zentrum in Berlin-Mitte und im Aham-Zentrum in Berlin-Schöneberg. Zum Angebot gehören „Yogatechniken und andere spirituelle Methoden“. Der Yogaunterricht in Kundalini-Yoga findet in Jahreskursen mit folgenden Inhalten statt: Im ersten Kursjahr gibt es den Einstieg in die Theorie und Praxis des Yoga. „Alle Grundbegriffe werden ausführlich beschrieben, so dass Du die Übungen gut verstehen und ausführen kannst, und sie ihre volle Wirkungskraft zur Geltung bringen.“ „Das zweite Kursjahr steht im Zeichen der Wissenschaft des Atems (Pranayama) und der geheimen Maha Vidya Yoga-Tradition“ und im dritten Jahr werde die „zweite Große Kosmische Kraft TARA“ beschrieben und der Schüler in ihr geheimes Mantra eingeweiht. Diese Yogakurse sollen helfen, alle Seiten des Wesens, die die physischen, emotionalen, mentalen und spirituellen umfassen, auf harmonische Art und Weise zu entwickeln.
Die DATY hat den Anspruch, dass ihre Art des Yoga ein wissenschaftliches System sei, durch das „eine vollständige Entwicklung der latenten höheren Aspekte des Menschen erreicht wird“ und das „schlussendlich zu absoluter Selbsterkenntnis – zur Verschmelzung mit dem Universellen Bewusstsein führt“.
Zusätzlich werden Meditationen, eine persönliche Beratung über Gesundheit, Krankheitsprophylaxe, das tägliche Miteinander und Sexualität sowie Kurse zu Yang-Spiral-Meditation, zu Brahmacharya (sexuelle Kontinenz), Shambala („spirituelles Zentrum unseres Planeten“) und „Erotisches Tantra Yoga“ sowie zu Kriya-Yoga angeboten.
In einem kleinen Raum in einem Hinterhof befindet sich das Maha Yoga-Zentrum. Auffällig war, dass die Gruppe der Kundalini-Yoga-Übenden im Gegensatz zu den anderen Schulen überwiegend aus Männern bestand. Die Stunde begann mit der Aufforderung, die folgende Yogastunde und alles daraus Resultierende unter ein höchstes Prinzip der eigenen Wahl zu stellen. Danach begann man sich vom Hals aus, Chakra für Chakra, durch den Körper zu „arbeiten“ und wurde angehalten, dabei immer auf die Veränderungen im Körper zu achten und die Ströme, die durch ihn hindurchfließen, wahrzunehmen.
Man kann sagen, dass die DATY einen weltanschaulichen Yoga mit esoterischen Zügen unterrichtet.
Resümee: Es ist sehr unterschiedlich, ob und wie stark weltanschauliche Elemente in den Unterricht der Yogaschulen integriert sind. Sicher überwiegt die Zahl der Schulen, die in ihrer Art und Weise den Schulen spirit yoga und east side yoga ähnlich sind, denn wie diese präsentieren sich Dutzende im Internet, wohingegen Schulen mit einem weltanschaulichen Hintergrund eher selten zu finden sind, die beiden hier genannten Schulen, Sivananda Yoga Vedanta Zentrum e.V. und Deutsche Akademie für Traditionelles Yoga e.V., gehören jeweils zu einer deutschlandweiten Organisation.
Katrin Kurth, Bayreuth