Islam

Zahlen und Daten zum Islam in Deutschland und Europa 2005

(Letzter Bericht: 8/2005, 283ff) Die im Juli veröffentlichte Frühjahrsumfrage 2005 des Soester Zentralinstituts Islam-Archiv-Deutschland zeigt gegenüber dem Vorjahr einen geringfügigen Anstieg der Zahl der in Deutschland lebenden Muslime von 3.172.000 auf 3.224.000. Nach wie vor sei dabei das Verhältnis Sunniten zu Schiiten etwa 80% zu 20%. Allerdings weist das Institut darauf hin, dass konfessionelle Unterschiede bzw. Unterschiede zwischen Rechtsschulen im deutschen Kontext eine zunehmend geringere Rolle spielen. Eine Zahl von 420.000 Aleviten ist in der Ziffer für Schiiten (644.800) enthalten, was allerdings dem Selbstverständnis der Aleviten nicht entspricht, auch wenn sie sich gemeinsam mit den Schiiten auf den Schwiegersohn Muhammads und vierten rechtgeleiteten Kalifen Ali berufen (alevitische Verbände selbst veranschlagen ihre Zahl mit mehr als 500.000, vgl. dazu das Stichwort „Aleviten“ unter www.ezw-berlin.de). Fast eine Million Muslime verfügen jetzt über einen deutschen Pass (950.276), und auch die Zahl der deutschstämmigen Muslime ist leicht auf 14.352 gestiegen. Etwa 952.000 der nicht-deutschstämmigen Muslime sind in Deutschland geboren. Die Zahl der illegal eingereisten Muslime liegt unverändert zum Vorjahr bei ca. 200.000. Die Frömmigkeit unter Kindern und Jugendlichen (insgesamt ca. 850.000) hat zugenommen: Nach 15% des Vorjahrs sind es jetzt 21,8%, die die Korankurse (Koranschulen) in den Verbänden und Moscheen besuchen. Unverändert ist die Kritik an der unprofessionellen und unzureichenden Jugendarbeit der Moscheen und insbesondere an der mangelnden Berücksichtigung der Mädchen. 41% der Befragten äußerten sich zur Vereinbarkeit von Grundgesetz und Koran positiv (Vorjahr 67%), 24% negativ, jedoch ist diese Frage einschließlich des Ergebnisses wenig aufschlussreich, da viele Muslime einen Vergleich des Koran mit dem Grundgesetz ohnehin für schwierig halten. Auch kann die Antwort als reine Sachaussage gemeint sein, ohne dass der Antwortende damit seine positive oder negative Einstellung zum Grundgesetz bezeugte. Auf „einhellige Ablehnung“ stößt der Anspruch der DITIB, alle muslimischen Verbände in Deutschland gegenüber Staat und Gesellschaft zu vertreten, vielmehr empfehlen 33% der Befragten der DITIB, sich dem derzeit sich anbahnenden Bündnis der meisten nicht-DITIB-Organisationen anzuschließen. 85% waren nicht einverstanden mit der Vorstellung, in Moscheen nur noch deutschsprachige Predigten zu hören, aber auch ausschließlich türkische Predigten fanden nur 22% Befürwortung. Hoch favorisiert wurden Predigten mit anschließender deutscher Zusammenfassung. Verstärkt hat sich in den letzten Jahren (seit dem 11. September 2001) unter Muslimen die Wahrnehmung eines „gefühlten Generalverdachts“ und der Eindruck, dass die Deutungshoheit über den Islam zunehmend von nicht-muslimischen gesellschaftlichen Kräften besetzt werden soll. 62% stuften den Dialog mit Christen als sehr wichtig ein, 28% als wichtig.

12 % der Muslime sind in den sechs islamischen Spitzenverbänden (DITIB, Islamrat, Verband der islamischen Kulturzentren, Nurculuk Vereinigungen, Zentralrat der Muslime, Islamische Religionsgemeinschaft in Hessen) organisiert. Die SPD legte in der Akzeptanz unter den Muslimen vom Vorjahr um 7% auf 48% zu, während die Bündnis-Grünen von 29% auf 15% abstürzten. Eine schwarz-gelbe Koalition wäre mit muslimischen Wählern nicht möglich: Für FDP und CDU würden sich nur je 2% entscheiden (Stichtag 15.5.2005, noch ohne Berücksichtigung der Linkspartei). Das Zentralinstitut beobachtet eine hohe Zahl von Konversionen insbesondere iranisch-schiitischer Muslime zum Christentum. Inzwischen seien mehrere persisch-sprachige christliche Gemeinden gegründet worden, sowohl im landes- als auch im freikirchlichen Bereich.

Die Umfrage bietet auch Zahlen zu Europa: Unter den Ländern mit muslimischer Minderheit steht die muslimische Bevölkerung Frankreichs mit 5,5 Mio. an der Spitze, gefolgt von Deutschland (3.224.000) sowie an dritter Stelle von Großbritannien (1,5 Mio.), ferner Niederlande (700.000), Belgien (400.000), Österreich (350.000) und Schweiz (330.000). Die europäische Türkei mit 5,9 Mio., Albanien mit 2,1 Mio., Bosnien-Herzegowina mit 2 Mio., Serbien-Montenegro mit 1,6 Mio. und Bulgarien mit 1,1 Mio. sind in Südosteuropa die Spitzenreiter. In der EU leben insgesamt 14.037.505 Muslime. Auf Island sind es fünf (!). Der vom Bundesinnenministerium geförderten Umfrage liegen 1000 Interviews und 13 Organisationsbefragungen zugrunde.

Ulrich Dehn