Pfingstbewegung

Zu Besuch bei der „Universalkirche vom Reich Gottes“ in Berlin

(Letzter Bericht: 3/2010, 112f) Heilung ihrer Krankheiten und Beschwerden: Das erhoffen sich acht Frauen und Männer, die sich an einem Dienstagabend im Mai 2010 im Gottesdienstraum der brasilianischen neupfingstlerischen „Universalkirche vom Reich Gottes“ in Berlin-Mitte treffen. Denn der Dienstag ist weltweit in allen Gemeinden dieser Kirche der Tag für das „Gebet für Heilung“.

Die Botschaft ist einfach und deutlich, die den acht Frauen und Männern, die vorwiegend afrikanischer Herkunft sind, in ihrer Muttersprache Portugiesisch gesagt wird: Der Glaube habe die Kraft, alle Krankheiten und Beschwerden – von Kopfschmerzen bis zu Krebs und HIV-Infektionen – zu heilen. Die Heilung sei nur eine Frage des persönlichen Vertrauens in diese Kraft. Der Glaube müsse aber „Qualität“ haben, was wiederum heiße, dass er Opfer bringen muss, um zu wirken. Das Opfer bestehe in der von Gott gebotenen Abgabe des Zehnten. Wer aber durch den Glauben noch mehr erreichen wolle, sei bereit, neben dem Zehnten auch noch „Spenden der Dankbarkeit“ zu geben. Diese besondere Art von Opfer werde nicht von Gott geboten, sondern sei freiwillig und zeige so die große Qualität des Glaubens.

Vor und während der Versammlung erfolgen verschiedene Handlungen ritueller Art. Vor Beginn werden die Teilnehmer in Anlehnung an Jak 5,14 mit dem „heiligen Olivenöl“ an der Stirn gesalbt, die Frauen von einer Mitarbeiterin, die Männer von einem Mitarbeiter. Am Anfang der Veranstaltung werden sie aufgefordert, nach vorne zu kommen, wo sie sich an einem großen Tuch – von dem portugiesischen Pastor „Mantel“ genannt – festhalten sollen, das auf einem Kreuz hängt. Während sie das tun, sprechen sie gemeinsam mit dem Pastor und weiteren Mitarbeitern Gebete um Heilung. Der Pastor fordert Gott auf, die Menschen zu heilen, denn „es ist Dein Wille“. Unter Handauflegung sprechen die Mitarbeiter anschließend exorzierende Gebete. Tropfen vom „gesalbten Öl“ werden in Flaschen mit Wasser gegeben, die die Teilnehmer selbst mitgebracht haben. Von diesem Wasser sollen diese oder ihre kranken Verwandten jeden Tag trinken.

Viel Zeit in der knapp einstündigen Versammlung nimmt die Abgabe des Zehnten und anderer Spenden in Anspruch. Diejenigen, die sich verpflichtet haben, den Zehnten regelmäßig zu geben, werden aufgefordert, einen entsprechenden Umschlag nach vorne zu bringen. Nur zwei der acht Anwesenden folgen der Aufforderung. Anschließend hält der Pastor eine Ansprache über die Bedeutung des Zehnten. Dann spricht er ein Gebet für diejenigen, die den Zehnten geben. Nun werden alle, die eine „Spende der Dankbarkeit“ geben wollen, eingeladen, nach vorne zu kommen. Auch dieses Mal sind es nur zwei Teilnehmer, die die Einladung annehmen. Danach folgen wieder eine Ansprache und ein Gebet.

Als Beispiel für einen starken und heilenden Glauben wird eine DVD mit dem Glaubenszeugnis einer Brasilianerin gezeigt. Die Frau, die unheilbar an Krebs erkrankt gewesen sein soll, hat an der Kampagne „Fogueira Santa“ (heiliges Feuer) teilgenommen, einer der „Glaubenskampagnen“ der Universalkirche. Dabei werden Gebetsanliegen auf Zettel geschrieben, die anschließend im „heiligen Land“ Israel verbrannt werden. Die Frau soll geheilt worden sein. Sie habe anlässlich der Kampagne ihre gesamten Ersparnisse gespendet und sei ein gutes Beispiel dafür, dass echte Lebensveränderungen nur durch Opfer zu erreichen seien, erklärt der Pastor. Er lädt zu einem Versammlungstermin einige Wochen später ein, an dem die Möglichkeit besteht, an der Kampagne des „heiligen Feuers“ teilzunehmen. Es folgt die Aufforderung, den Spendenumschlag für die Kampagne im Altarraum abzuholen. Mit einem Gebet um Heilung beendet der Pastor die Versammlung.

Die besuchte Heilungsversammlung beinhaltet die wichtigen Merkmale der Theologie und der gottesdienstlichen Praxis der neupfingstlerischen Universalkirche vom Reich Gottes (vgl. MD 6/2007, 223ff). Heilung ist ein wichtiger Bestandteil des „erfüllten Lebens“, das Gott allen Menschen geben wolle. Dazu gehören neben Gesundheit auch Wohlstand, beruflicher Erfolg und Glück in Ehe und Familie. Mit anderen Worten: Es geht um ein in allen Aspekten glückliches Leben. Glaube im Sinne eines absoluten Vertrauens wird in dieser „Wohlstandstheologie“ zum Erfolgsprinzip instrumentalisiert und als „Glaube an den eigenen Glauben“ zum positiven Denken umgewandelt. Damit verbunden ist die Opfertheologie: Die Abgabe des Zehnten und der „Spenden der Dankbarkeit“ gelten als Beweis für die Qualität des Glaubens. Ein Glaube mit Qualität im Gegensatz zu einem toten Glauben („Glaube ohne Werke“) sei ein Glaube, der das bewirke, wofür er eingesetzt werde: die Heilung einer bestimmten Krankheit, ein neues Auto, ein Haus, ein Job usw. Erfülltes Leben habe seinen Ursprung in Gott, sei aber kein Segen, den Gott nach seinem Willen schenkt, sondern das Ergebnis der Anstrengungen gläubiger Menschen.

Die rituellen Handlungen haben das Ziel, den Glauben zu wecken und zu stärken. Die Gegenstände, die in diesen Handlungen benutzt werden, gelten als „Verknüpfungspunkte“ zwischen der materiellen und der geistigen Welt. Sie hätten aber keine Kraft an sich, sondern seien nur Mittel zur Erweckung der Kraft des Glaubens.

Der hohe Stellenwert der Abgabe von Spenden in den Versammlungen entspricht der großen Bedeutung, die das Finanzielle in der Theologie und der kirchlichen Praxis der Universalkirche einnimmt. Geld sei das „Blut der Kirche“, sagt ihr selbsternannter Bischof und Hauptleiter, Edir Macedo. Gott brauche das Geld, um sein Reich auf der Erde auszubreiten und damit die Welt und die Menschen von der Herrschaft des Teufels zu befreien. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ist somit ein Tauschverhältnis in gegenseitiger Abhängigkeit. Macedo beschreibt dieses Verhältnis in seinen Büchern oft als ein Abkommen mit gegenseitigen Pflichten und Rechten.

Die Universalkirche wird seit ihrer Gründung im Jahr 1977 wegen ihrer Wohlstandtheologie scharf kritisiert. Die Tatsache, dass diese Theologie ihr die finanziellen Mittel für den Aufbau eines weltweiten, aus Megakirchen, Verlagen, Bankgesellschaften, Radio- und Fernsehsendern bestehenden wirtschaftlichen Imperiums gegeben hat, stößt auf Unverständnis und Misstrauen. Die vielen Skandale und Prozesse gegen Edir Macedo wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche haben die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Führung stark in Mitleidenschaft gezogen und den Verdacht genährt, die Universalkirche sei eine kriminelle Organisation, die unter dem Deckmantel der Religion ein gutes Geschäft mache.

In Deutschland hat die Universalkirche Gemeinden in acht Städten und nennt sich „Hilfszentrum“ (www.hilfszentrum.de). Die Gemeindeglieder sind vorwiegend portugiesisch sprechende Migranten aus Brasilien, Portugal, Angola und Mosambik und werden von ebenfalls portugiesisch sprechenden Pastoren und Mitarbeitern betreut. Die Tatsache, dass die Pastoren kaum Deutsch sprechen, lässt vermuten, dass die Universalkirche, die sich in anderen Ländern sehr erfolgreich ausgebreitet hat, hierzulande zumindest vorerst eine Gemeinschaft für Migranten bleiben wird.


João Carlos Schmidt, Aalen